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Causa Edathy
Uhl: Verantwortung für Versäumnisse liegt in Niedersachsen

In der Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy steht für den CSU-Politiker Hans-Peter Uhl die Aufklärung einer möglichen Straftat im Vordergrund. Seinem Parteikollegen, Minister Hans-Peter Friedrich, dürfe man nicht unterstellen, dass er diese verhindern wollte, sagte Uhl im Deutschlandfunk.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Jürgen Liminski | 14.02.2014
    Jürgen Liminski: Im Fall Edathy häufen sich die Rücktrittsforderungen an den damaligen Bundesinnenminister und heutigen Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich. Von der kriminellen Dimension abgesehen, Stichwort Kinderpornografie und Kindesmissbrauch, gibt es hier auch eine politische, über die in Berlin heftig diskutiert wird.
    Vor der Sendung hatte ich Gelegenheit, mit dem Justiziar der Unions-Fraktion und Innenpolitiker Hans-Peter Uhl von der CSU zu sprechen, und die erste Frage war: Geheimnisverrat als vertrauensbildende Maßnahme - ist Minister Friedrich noch zu retten?
    Hans-Peter Uhl: Ich würde raten, den Fokus auf die Straftaten, die den Kern des Themas ausmachen, zu lenken, und danach geht es darum, dass die kanadische Kriminalpolizei in einem Fall internationaler Verbrecherbanden 386 Kinder gerettet hat, die vor allem in Osteuropa gezwungen wurden, für Fotos und Sex-Videos zur Verfügung zu stehen. In dem Zusammenhang - und darüber hat die Presse, "Spiegel Online" am 14. und 15. November vergangenen Jahres umfangreich berichtet - kam es zu 341 Verdächtigen und allein in den USA, Kanada und Australien zu 250 Festnahmen. Das heißt, Herr Edathy musste spätestens seit diesem 15. November wissen, dass dieser Versandhandel, wo er offensichtlich Fotos bestellt hat, aufgeflogen ist und konnte Verschleierungsmaßnahmen vornehmen. Das ist das Thema, um das es hier geht, und die anderen Dinge, die jetzt gerade aufgeregt in Berlin diskutiert werden, sind eigentlich Nebenthemen.
    Liminski: Im Fall Edathy, Herr Uhl, laufen die Ermittlungen. Den Geheimnisverrat hat Friedrich aber doch eingestanden, wenn man ihn mal so nennen will. Das war der Anfang, wenn man so will, auch einer Strafvereitelung. Sie sagen, der Anfang war natürlich die Veröffentlichung schon vorher. Wer trägt denn die politische Verantwortung für das Ganze?
    Uhl: Es geht uns doch hoffentlich darum, dass wir Straftäter, die sich strafbar gemacht haben bei so unerträglichen Delikten wie Kinderpornografie und Kindesmissbrauch, dass wir diese Straftäter hinter Schloss und Riegel bringen wollen, wenn sie die Tat begangen haben. Also geht es um deren Aufklärung. Und zu keinem Zeitpunkt sollte man Minister Friedrich unterstellen, dass er dieses hintertreiben wollte. Das ist unfair und das wäre eigentlich infam.
    Liminski: Darum geht es nicht. Es geht vielleicht darum, dass er zu früh der SPD etwas mitgeteilt hat, was er als Minister nicht hätte mitteilen dürfen, denn sicher ist doch: Friedrich hat mit Gabriel gesprochen als vertrauensbildende Maßnahme bei den Sondierungen, denn Edathy galt als Kandidat für höhere politische Weihen. War das nicht zu früh, denn man hätte ja die Notbremse noch ziehen können bei der Regierungsbildung?
    Prominentenbonus für Edathy?
    Uhl: Diese Frage stellt sich jetzt mit recht: was war zu früh und was war möglicherweise zu spät an Maßnahmen der Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft in Niedersachsen. Wir müssen hier schonungslos aufklären: Welche Ermittlungstätigkeiten sind wann unternommen worden, wann hat das Bundeskriminalamt die Erkenntnisse aus Kanada an die Staatsanwaltschaft Niedersachsen weitergegeben, war dort möglicherweise eine Ungleichbehandlung festzustellen, gab es einen Prominentenbonus bei der Ermittlung gegen Edathy in Niedersachsen, konnte das, was Friedrich da angedeutet hat - den Wortlaut müssen wir noch ergründen -, im Oktober überhaupt noch relevant werden, war Herr Edathy nicht schon längst auf andere Weise gewarnt. Das ist alles völlig unaufgeklärt.
    Liminski: Das sind viele Fragen. Eine Frage ist aber: Warum sind die Ermittlungen überhaupt erst so spät zum Zug gekommen? Halten Sie es für möglich, dass aufgrund des, ich nenne es mal, vertrauensbildenden Geheimnisverrats hier von Seiten der SPD etwas verzögert wurde?
    Uhl: Ich will so was nicht unterstellen, aber ich will natürlich Aufklärung haben. Insbesondere im Landtag in Niedersachsen muss minutiös in einer Chronologie festgestellt werden, wann die verantwortlichen Strafermittlungsbehörden in Niedersachsen in Sachen Edathy was wussten und wann sie was getan haben. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass die Computer und elektronischen Geräte des Herrn Edathy zum Teil bis heute noch nicht untersucht wurden. Andere wurden zu einem Zeitpunkt, am Montag vergangener Woche, untersucht, wo schon offensichtlich einiges manipuliert wurde und vielleicht auch gelöscht wurde. Das ist skandalös!
    Liminski: Das heißt, hier wurde, wenn überhaupt, Strafe vereitelt, indem einfach Spuren verwischt wurden. Wer trägt denn dafür die politische Verantwortung?
    Uhl: Ich erinnere an den Fall Tauss. Da wurde korrekterweise so vorgegangen, dass die Ermittlungsbehörden und die Polizei die Wohnungen und das Gebäude des Herrn Tauss umstellt hatten und dort gewartet haben, bis die Immunität vom Bundestag aufgehoben wurde, und in der gleichen Minute wurde zugeschlagen. So macht man das. Und warum wurde dieses bei Herrn Edathy nicht gemacht? Das ist für mich die Kernfrage.
    Liminski: Deswegen stelle ich noch mal die Nachfrage: Wer trägt hierfür die politische Verantwortung?
    Uhl: Der niedersächsische Justizminister ist verantwortlich für seine Staatsanwaltschaft und der muss die Dinge aufklären. Der niedersächsische Landtag muss klären, ob die Staatsanwaltschaft, die ja in einem anderen prominenten Fall, beim Herrn Wulff, selbst einen Bobbycar zum Bestechungsgut erklären wollte, hier genau das Gegenteil gemacht haben, nämlich nichts offensichtlich.
    "Ich wundere mich über manche Medien"
    Liminski: Das sind viele Fragen, Herr Uhl. Liegt es nicht im Interesse der Koalition, einen Untersuchungsausschuss auf die Beine zu stellen, oder soll man angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag die Aufklärung, ich sage mal, der vierten Gewalt, den Medien überlassen?
    Uhl: Die Medien sind bisher in der Sache sehr nützlich gewesen. Ich wundere mich über manche Medien, die sich Sorge machen über den Datenschutz des Herrn Edathy, dass irgendwelche Bilder an der Wand in dessen Wohnung fotografiert wurden, als wäre das das Problem. Wenn es darum geht, dass 386 Kinder zum Teil jahrelang geschändet wurden, das ist das Problem. Kinderschänder gehören hinter Schloss und Riegel und hier geht es nicht um Datenschutz von einem Bild an der Wand.
    Liminski: Noch einmal die Frage nach der politischen Verantwortung. Wusste das Kanzleramt von den Ermittlungen?
    Uhl: Die politische Verantwortung für mögliche Versäumnisse liegt natürlich bei den zuständigen Ermittlungsbehörden und deren politischen Vorgesetzten. Dieses ist das Land Niedersachsen und niemals Berlin und schon gleich gar nicht das Kanzleramt.
    Liminski: Sagt Hans-Peter Uhl, Innenpolitiker und Justiziar der CDU/CSU-Fraktion, hier im Deutschlandfunk. Besten Dank für das Gespräch, Herr Uhl.
    Uhl: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.