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Causa Wendt
"Ich kann ihm nur raten, sich zeitnah zurückzuziehen"

Der Vizechef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, beschuldigt Rainer Wendt, den kompletten Berufsstand diskreditiert zu haben. Der Polizeigewerkschafter solle sich schnell zurückziehen. Fiedler plädierte im DLF dafür, staatliche Unterstützung für ehrenamtliches Engagement nicht pauschal als anrüchig zu kritisieren.

09.03.2017
    Sebastian Fiedler, stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, im DLF-Studio.
    Sebastian Fiedler, stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, im DLF-Studio (Deutschlandradio - Jörg Stroisch)
    Tobias Armbrüster: Rainer Wendt ist noch immer der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, aber er ist schwer unter Druck, seitdem am Wochenende Einzelheiten zu seinem Gehalt bekannt wurden. Demnach erhält Wendt nach wie vor einen Großteil seiner Bezüge vom Land NRW, obwohl er gar nicht als Polizeihauptkommissar arbeitet, sondern für seine Gewerkschaft. Was läuft da schief bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen, oder ist das alles eine völlig korrekte Regelung? NRW-Innenminister Ralf Jäger war heute vor den Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags geladen. Einige Fragen bleiben allerdings auch nach dieser Sitzung offen. Denn wenn Gewerkschaftsfunktionäre nicht von ihrer Gewerkschaft bezahlt werden, sondern vom Staat, dann schütteln viele erst mal den Kopf.
    Wir können das jetzt noch etwas eingehender besprechen mit Sebastian Fiedler. Er ist in Nordrhein-Westfalen Landesvorsitzender beim Bund Deutscher Kriminalbeamter, außerdem stellvertretender Bundesvorsitzender dieser Organisation. Schönen guten Tag, Herr Fiedler.
    Sebastian Fiedler: Ich grüße Sie.
    "Schatten auf ehrenamtliche Arbeit in Gewerkschaftsorganisationen"
    Armbrüster: Herr Fiedler, Ihr Name wird im Zusammenhang mit der Affäre um Rainer Wendt auch immer wieder genannt. Wie ist das denn bei Ihnen? Kriegen Sie auch noch ein Gehalt von der Landesregierung in Düsseldorf?
    Fiedler: Ich will Ihnen das aus zwei Perspektiven jetzt mal schildern, was das mit mir persönlich und mit unserer Berufsorganisation jetzt gerade macht. Und ich fange mit dem sehr persönlichen Teil mal an. Ich arbeite in etwa 60 bis 70 Stunden in der Woche in Summe, muss meiner Familie gleichzeitig erklären, warum ich so oft weg bin. Und bekomme dafür ein Hauptkommissarsgehalt, was ich auch bekommen würde, wenn ich 41 Stunden entweder im Streifenwagen arbeiten würde oder in einem Kriminalkommissariat. Und keinen Pfennig mehr, weil es sich hier grundsätzlich bei unserer Organisation um eine ehrenamtliche Organisation handelt, die hier unter die Räder kommt. Und dieses Ehrenamt wird zu einem Teil meiner Dienstzeit durch einen Erlass aus 2014, als ich mein Amt begonnen habe, vom Innenministerium insoweit unterstützt, als dass ich Teile meiner Arbeitszeit für diese gewerkschaftlichen Tätigkeiten auch aufwenden kann.
    Und dass das jetzt in einen Topf mit einem möglichen Doppelverdienst oder Profigewerkschaft - oder was auch immer schon jetzt über mich geschrieben oder gesagt worden ist -, fällt. Und das betrifft nicht nur mich persönlich, sondern das fällt im Grunde jetzt als Schatten auf wirklich ehrenamtliche Arbeit in Gewerkschaftsorganisationen zurück, die - und das will ich mal betonen - hier sich in einem Kernbereich des öffentlichen Interesses engagieren. Wir engagieren uns nämlich nicht etwa nur ausschließlich, dass wir jedes Jahr darum kämpfen, um unsere Portemonnaies voll zu machen, sondern wir engagieren uns insbesondere auch in Bereichen, wo es darum geht, dass wir die Kriminalitätsbekämpfung verbessern wollen, wie wir Prävention stärken wollen. Wir diskutieren in der Öffentlichkeit in Sendungen wie diesen hier über Fälle nordafrikanischer Straftäter und so weiter und so weiter. Das heißt, wir versuchen, hier zum Schutze der Bevölkerung, zum Wohle der Bevölkerung hier die Kriminalitätsbekämpfung zu verbessern. Und das ist ja nicht etwa anrüchig, so wie ich mir manchmal jetzt gerade vorkomme, sondern dürfte ja durchaus im Interesse auch des Steuerzahlers liegen.
    Armbrüster: Herr Fiedler, ich glaube, den Unterschied zum Fall Rainer Wendt, den haben wir verstanden. Da ein Doppelverdiener mit wirklich deutlich höheren Bezügen, als es ein Polizist sonst hätte - in Ihrem Fall ein sozusagen einfaches Gehalt. Die Frage ist ja nur: Der Bund Deutscher Kriminalbeamter, für den Sie arbeiten, ist ja auch eine berufliche Interessenvertretung. Und da ist dann doch die große Frage: Sollte eine solche Vertretung nicht dann auch das Gehalt ihrer Landesvorsitzenden bezahlen? Oder muss das unbedingt vom Staat kommen?
    "Ich plädiere für eine Fairness"
    Fiedler: Die Frage stellt sich insoweit nicht, als dass es sich hier bei uns um eine Organisation handelt, die das nicht kann. Wir vertreten insoweit spezialisiert nur einen Teil der Polizeiorganisation und können per se dadurch schon gar nicht so groß werden, dass wir uns selber finanzieren könnten. Es sei denn, wir würden Mitglieder gewinnen, die jeden Monat 100 Euro an ihre Gewerkschaft bezahlen würden. Das ist nicht der Fall, sondern wir sind eine ehrenamtliche Organisation. Das bitte ich davon zu trennen. Es spricht ja nichts dagegen, dass sich andere Gewerkschaften aufgrund finanzieller Mittel größer aufstellen. Nur ich plädiere da für eine Fairness. Man kann durchaus ja auch den großen Gewerkschaften offenstellen in der Zukunft, dass sie das Ehrenamt nutzen können. Ich gehe nur ganz fest davon aus, dass die Vorsitzenden der großen Gewerkschaften, die im Übrigen zu einem Teil auch von dem Wohlwollen der Landesregierung abhängig sind, weil sie nämlich ihre Beurlaubung beantragen müssen.
    Der Minister muss zustimmen, dass ein Spitzenfunktionär auch einer professionellen Organisation Urlaub antritt für die Zeit seiner Wahrnehmung, und dann können die da mehr verdienen. Das ist vollkommen in Ordnung, das sind unterschiedliche Konzepte. Ich finde nur, wichtig ist, dass wir diskutieren, dass es sich hier um einen Bereich des Ehrenamtes handelt. Und die Frage, warum das an dieser Stelle jetzt anrüchig ist, dass der Staat das Ehrenamt hier unterstützt, während es in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie selbstverständlich sogar eher noch beworben wird – ich war neulich bei einem Gespräch beim Bundesjustizminister, der fragte, wie können wir das noch mehr unterstützen und nicht weniger.
    Armbrüster: Herr Fiedler, ich glaube, viele Leute stellen sich die Frage, ob es früher oder später nicht zu einem Interessenkonflikt kommt. Weil Sie haben ja bereits gesagt: Sie sind auch ein gern gesuchter Gesprächspartner in Sachen Sicherheitspolitik. Sie äußern sich dazu. Sie äußern sich zur Polizeiarbeit. Sie sagen ja auch kritisch, was falsch läuft und was richtig läuft, was man vielleicht noch besser machen müsste. Dann ist ja die große Frage, wie verträgt sich das damit, das Gehalt von der Landesregierung zu bekommen, die man auch ab und zu kritisieren muss.
    Fiedler: Da gibt es zwei grundsätzliche Antworten. Zum einen steht dem Minister überhaupt gar kein Sanktionsinstrumentarium zur Verfügung dadurch, dass ich Beamter bin. Der kann mich jetzt nicht entlassen, wenn ich etwas sage, was ihm nicht zum Wohlwollen gereicht.
    Armbrüster: Na ja. Aber man fühlt sich im Allgemeinen jemandem verbunden, der einem das Gehalt zahlt.
    Fiedler: Nein, das ist nicht der Fall. Und ich rate dazu, tatsächlich mal in die Historie und in die Aktivitäten, in die Stellungnahmen des Bund Deutscher Kriminalbeamter zu schauen. Und ich nenne Ihnen ein treffendes Beispiel dazu. Mein Amtsvorgänger war von dem Amtsvorgänger von Herrn Jäger ebenfalls freigestellt. Nicht freigestellt, sondern einen Teil seiner Arbeitszeit bekam er zur Verfügung. Und hat in dieser Zeit wohl die bundesweit größten Proteste der Kriminalpolizei gegen Innenminister Dr. Ingo Wolf angezettelt. Ich selbst war damals noch als einfaches Mitglied des Vorstandes zugegen und kann mich daran erinnern, wie wir vor FDP-Parteitagen demonstriert haben. Man kann unsere Stellungnahmen lesen. Und es gibt einen ganz einfachen Grund dafür, einen einfachen Wirkmechanismus: Diejenigen, die bei uns arbeiten, die tun das insbesondere deswegen, weil ihnen im dienstlichen Bereich in vielen Bereichen Äußerungen aus Gründen der Wohlverhaltenspflicht nicht erlaubt sind.
    Wir stehen unter dem Schutz des Artikel IX Absatz III unseres Grundgesetzes und dürfen deswegen auch die Meinung unseres Berufsstandes offen artikulieren und vertreten. Das ist meine Motivation, meine Hauptmotivation, das offen tun zu können für mein Amt. Und ich werde gewählt von meinen Mitgliedern. Das ist mein Wirkmechanismus. Wenn ich etwa mich wohlfeil dem Minister gegenüber verhalte, dann werden mich meine eigenen Mitglieder abstrafen, dann wird mich die Kriminalpolizei dafür abstrafen. Das ist mein Wirkmechanismus, das ist meine Motivation, mein Amt auszuüben. Mein Gehalt muss der Minister mir so oder so weiterzahlen. Wie gesagt: Ich könnte auch einfach 41 Stunden weiterarbeiten, mir jede Überstunde aufschreiben. Ich müsste mir diese Arbeit nicht machen. Ich müsste nicht meine Familie vernachlässigen, wenn ich denn das nicht wollte. Ich tue das aber, weil es mir wichtig ist, weil es mir Spaß macht und weil ich mich in diesem Ehrenamt zum Allgemeinwohl und natürlich für meine Kollegen engagieren möchte.
    "Eine negative Leuchtgestalt im Grunde in unserem Berufsstand"
    Armbrüster: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Fiedler. Wie blicken Sie jetzt auf Rainer Wendt?
    Fiedler: Wollen Sie das emotional beantwortet haben oder rein sachlich?
    Armbrüster: Bitte!
    Fiedler: Emotional bin ich stinksauer natürlich, weil er den kompletten Berufsstand und weit über die Polizei hinaus von gewerkschaftlicher und insbesondere von ehrenamtlich arbeitenden Gewerkschaften diskreditiert hat in der Bundesrepublik und in ein schlechtes Licht gerückt hat. Also eine negative Leuchtgestalt im Grunde in unserem Berufsstand. Und ich kann tatsächlich an dieser Stelle ihm auch nur raten, sich hier zeitnah zurückzuziehen, um uns nicht noch weiter zu beschädigen.
    Armbrüster: Sebastian Fiedler, der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, live hier an diesem Donnerstagmittag in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Fiedler, für das Gespräch.
    Fiedler: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.