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CD-Kritik "A Story Of Blues"
Wortgewaltiges Groovegewitter

Kabarettist Jochen Malmsheimer und sein Kollege Heinz Peter Lengkeit erzählen in einem musikalischen Hörbuch die Geschichte des Blues. Herausgekommen ist ein comedyeskes Werk voller Halbwahrheiten.

Von Achim Hahn | 06.01.2014
    Schon vor seiner Karriere als Kabarettist war Jochen Malmsheimer dem Blues verfallen. Als Frontmann der Bochumer Chicago-Blues-Band "Vatermörder", wie man in diesem raren Dokument hören kann.
    Und so wurde er zu Beginn seiner kabarettistischen Karriere nicht ohne Grund auch als Blues Brother der komischen Literatur gehandelt. Denn auch in seinen Programmen inspirierte ihn diese melodische Melancholie immer wieder. Ein Kenner der Materie also, der weiß:
    "Wer den Blues richtig verstehen will, sollte vor allen Dingen den Jazz nicht begreifen, daher hier einige Anmerkungen ..."
    Mit "A Story Of Blues oder Rapunzel Jones und die Suche nach der heiligen Blue Note" würdigte er ihre verdiente Rolle für die gesamte Rock- und Popmusik zwar bereits erstmals vor gut zehn Jahren. Live jedoch eher selten. Und erst jetzt ist diese schräge Musical-History-Show zusammen mit Textpartner und Co-Autor Heinz-Peter Lengkeit und der Groove & Snoop Bluesband endlich als CD eingespielt.
    "Selten war die Grenze zwischen Feeling und Unvermögen schwerer nachzuweisen als bei Gitarrensoli im Chicago Blues. Aber genau diese ungeheure Ideenfreiheit des Chicago Blues ermöglicht es dem Anfänger, endlich die Blockflöte ihrer Bestimmung, also dem Kamin zu überantworten und selbst Blues zu spielen, sich also dem Musikschaffen mit Strom leidenschaftlich ohne Bange hinzugeben. Siehe auch Mississippi. - Wo? - Da! - Ach so! Jetzt hör ich’s auch. Stopp, bitte. Ich darf hier einmal kurz unterbrechen und Ihnen die komplexe Struktur dieser klassischen Bluesnummer erklären …"
    Witzig verdreht und ausgesprochen pointiert interpretieren Malmsheimer und Lengkeit die eine oder andere Geschichte des Blues - natürlich auf ihre Weise:
    "Wäre das jetzt nicht der Moment über New Orleans zu reden? - Ich glaube, äh - Nein!"
    Ein absurd-wortspielreicher Parforceritt durch die mississippidelta-überflutete Musikgeschichte und ihrer diversen Spielarten, sofern sie auf mindestens drei Akkorden beruhen. Vom Dixieland über den Swamp und dem Texas Blues bis zum Soul. Jedes der 14 Kapitel musikalisch von der Band belegt und kongenial mit optional erweitertem Bläsersatz illustriert.
    "Fantastische Musik und mit so wenig Jazz!"
    Dafür: fachkundig vorgetragen oder frei erfunden Dönekes. Rasant im Dialog eingesprochen und garniert mit kleinen akustischen Finessen, aber auch mit etwas zu albernen Hörspielszenen.
    "Wir wollen einmal versuchen, in einem kurzen Dialog sämtliche inhaltlichen Elemente, die ein gutes Bluesstück ausmachen, darzustellen:
    Schatz, wer war eigentlich der Gasmann gestern in Deinem Bett? - Das war nichts. Das war nur sexuell. - Und dass schon wieder kein Bier im Kühlschrank ist, das ist auch nur sexuell? - Ja! - Ach so!
    Sie haben es bemerkt: Blues behandelt inhaltlich eigentlich immer nur ein Thema: Frauen und Saufen."
    Ein comedyeskes Hörbuch voller Halbwahrheiten oder besser gesagt: Interpretationen der diversesten Ausprägungen und Entwicklungslinien des Blues.
    "Swamp it, baby. - Was aber braucht man außer Musik noch dafür? Richtig: Mücken!"
    Alles in allem: Ein wortgewaltiges Groovegewitter. Ernsthaft und skurril zugleich. Verschwurbelt und hirnrissig, mit viel Liebe zum Detail und ironischen Soundbasteleien. Leider nicht live mit Publikum eingespielt, was dem ganzen zumindest in den Wortbeiträgen einen eher trockenen Zungenschlag verleiht. Aber bedauernswerter wären eher die Menschen,
    "die den Blues verpasst haben. Das Fazit könnte also lauten: Blues ist eine viel zu heitere Angelegenheit, um sie allein den Musikern zu überlassen. Aber sehen Sie selbst ..."