Freitag, 19. April 2024

Archiv


CDU-Abgeordneter: Nur eine Umschuldung kann Griechenland noch retten

"Europa retten wir nicht dadurch, dass wir immer höhere Schulden auftürmen." Der CDU-Politiker Manfred Kolbe gehört zu den 15 Abweichlern der Regierungskoalition, die sich bei der Abstimmung im Bundestag gegen die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms entschieden haben.

Manfred Kolbe im Gespräch mit Gerd Breker | 30.09.2011
    Gerd Breker: Was war die Erleichterung doch groß: Am Ende hatte es zur eigenen Kanzlermehrheit gelangt. Nicht, dass das für die Sache, für die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms, notwendig gewesen wäre, da hätten ja schließlich auch die Stimmen der Opposition geholfen, aber wichtig ist die Kanzlermehrheit für das Selbstbewusstsein von Schwarz-Gelb. Die Koalition, sie hat Handlungsfähigkeit demonstriert, das war ihr wichtig.

    Aus Zweifeln wurde ja schon Selbstzweifel und Restzweifel bleiben auch, wie nachhaltig denn die Kanzlermehrheit bei anderen Streitthemen bleiben wird. Die Erweiterung des Rettungsschirms heute Thema im Bundesrat, was Schwarz-Gelb relativ entspannt beobachten kann, denn das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig.

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Manfred Kolbe. Er ist CDU-Abgeordneter aus Sachsen, Mitglied im Haushaltsausschuss und ein sogenannter Nein-Sager. Guten Tag, Herr Kolbe.

    Manfred Kolbe: Ja, schönen guten Tag. Eine kleine Korrektur: Ich bin Mitglied im Finanzausschuss.

    Breker: Okay, statt Haushaltsausschuss. Aber von Geld und von Rettungsschirmen haben Sie Ahnung. Sie haben sich gestern der Mehrheit der Fraktion verweigert und mit Nein gestimmt. Haben Sie nun so etwas wie einen Verräterstatus innerhalb Ihrer Fraktion?

    Kolbe: Absolut nein! Ich bin völlig mit mir im Reinen. Übrigens seit eineinhalb Jahren halte ich diese Politik für falsch, und ich schätze mal, 80 bis 90 Prozent der deutschen Bevölkerung und insbesondere auch hier in meinem Wahlkreis sehen das genauso, und es ist immer schön, wenn finanzpolitische Überzeugung und Zustimmung der Basis übereinstimmen.

    Breker: Aber Ihr Fraktionschef Kauder hat doch sicherlich mit Ihnen geredet. Er konnte in der Sache Sie nicht überzeugen. Ein Argument, Herr Kolbe, war doch bestimmt auch die Handlungsfähigkeit der schwarz-gelben Koalition. Hat Sie das auch nicht überzeugt?

    Kolbe: Nach meiner Überzeugung ist Angela Merkel durch die Nein-Stimmen gestärkt worden. Das stärkt ihre internationale Verhandlungsposition, weil sie darauf verweisen kann, dass es nicht so einfach ist, in Deutschland Hunderte von Milliarden für Rettungspakete lockerzumachen. Und ich glaube auch, dass sie die CDU vor Ort gestärkt hat, weil die Bürgerinnen und Bürger sehen, dass in der CDU heftig um diese Rettungspakete gerungen wird.

    Breker: Wussten Sie denn schon im Vorfeld, Herr Kolbe, dass die Kanzlermehrheit zustande kommt und dass Ihre Stimme gar nicht so wichtig ist?

    Kolbe: Nein! Die Sache war offen, aber ich glaube auch, dass Verfehlen der Kanzlermehrheit hätte die Bundeskanzlerin nicht geschwächt, sondern eher gestärkt.

    Breker: Wer hat denn alles mit Ihnen geredet, um Sie zu überzeugen, doch für die Erweiterung des Rettungsschirms zu stimmen?

    Kolbe: Wir haben Diskussionen natürlich im Ausschuss gehabt, wir haben Diskussionen in der Fraktion gehabt. Ich will aber ganz deutlich sagen: Es hat keinerlei Ausübung von Druck oder dergleichen gegeben. Meine Position ist seit eineinhalb Jahren bekannt und die wird auch respektiert.

    Breker: Also niemand hat Ihnen Daumenschrauben angelegt. Ihr Kollege Wolfgang Bosbach zum Beispiel berichtet, er wäre schon starkem Druck ausgesetzt gewesen.

    Kolbe: Also für mich kann ich das nicht sagen. Der wäre allerdings auch zwecklos gewesen, das will ich auch sagen.

    Breker: Also niemand hat Ihnen Vorwürfe gemacht, Sie seien unsolidarisch?

    Kolbe: Nein!

    Breker: Niemand hat Ihnen mit einem Karriere-Ende gedroht, weil Sie ja direkt gewählt werden und auf Listenplätze nicht angewiesen sind?

    Kolbe: So ist es! Das war schon vor 20 Jahren so, als ich die Treuhand-Politik abgelehnt habe. Für mich ist entscheidend die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler vor Ort.

    Breker: Und da hätten Sie auch einen Bruch der Koalition in Kauf genommen?

    Kolbe: Es war von Anfang an klar, dass es keinen Koalitionsbruch geben wird, egal wie das Abstimmungsergebnis war. Ich gönne Angela Merkel die Kanzlermehrheit, ich schätze sie, ich hoffe, dass sie weiter gute Politik macht, aber ich bin auch überzeugt, dass ein Verfehlen sie eher gestärkt hätte.

    Breker: Und Sie hatten deswegen auch keine schlaflosen Nächte?

    Kolbe: Absolut nicht. Höchstens, weil ich natürlich in den letzten Wochen sehr viel mich mit den Dingen befasst habe, manchmal nur zu drei, vier Stunden Schlaf gekommen bin. Aber aus fachlichen Gründen nicht. Wegen der Entscheidung, ich bin da absolut mit mir im Reinen. Ich glaube, dass das so nicht weitergehen kann. Wir können nicht Schulden mit immer neuen Schulden bekämpfen. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist jetzt langsam am Rande ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Wenn wir unser Tripple A, die höchste Bonitätsnote, behalten wollen, können wir uns nicht weiter verpflichten.

    Breker: Herr Kolbe, Sie waren und sind gegen die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms. Hatten Sie da irgendwie Hoffnung auf Ihren gelben Koalitionspartner gesetzt? Der hatte sich ja in letzter Zeit äußerst europaskeptisch gezeigt und auch rettungsschirmskeptisch. Sind Sie enttäuscht, dass so wenige FDP-Abgeordnete dagegen gestimmt haben?

    Kolbe: Also zunächst einmal sind auch alle Nein-Sager nicht europaskeptisch. Wir sind alle überzeugte Europäer. Ich persönlich bin in Italien aufgewachsen, ich stehe zu Europa, bin auch zweisprachig. Aber Europa retten wir nicht dadurch, dass wir immer höhere Schulden auftürmen. Wir müssen endlich der Sache auf den Grund gehen, die übermäßige Staatsverschuldung in einigen Staaten Europas muss zurückgeführt werden. Ein schwaches Europa wird keine Stimme in der Welt haben.

    Breker: Der Kollege Bosbach, um ihn noch mal zu zitieren, Wolfgang Bosbach hat gesagt, er hätte Vorwürfe von Kollegen erleben müssen, die ins Persönliche gegangen sind. Ihre Kollegen, wie haben sie Ihre Entscheidung akzeptiert? Respektieren sie Ihre andere Meinung?

    Kolbe: Wie schon gesagt: wir haben viele Diskussionen gehabt, wir haben auch kontroverse Diskussionen gehabt. Aber ich kann nur sagen, dass die Meinung respektiert wird, und es ist ja nicht so, dass die Skepsis auf die 15 Nein-Stimmen beschränkt ist. Ich vermute mal, dass die Mehrheit der Fraktion ein großes Unwohlsein mit der ganzen Entwicklung hat. Ich glaube letztendlich auch, dass Angela Merkel nicht froh ist, dass sie jetzt auf 211 Milliarden Garantiesummen hat gehen müssen. Und auch aus diesem Grunde wird das respektiert, weil man selber seiner Sache, auch die Mehrheit ist sich ihrer Sache nicht sicher.

    Breker: Das heißt, der CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe denkt nicht daran, aus der Politik auszusteigen?

    Kolbe: Absolut nicht! Ich werde hier weiter für einen soliden Kurs in Europa sorgen. Wir müssen endlich der Sache auf den Grund gehen, das heißt in Griechenland eine kontrollierte Insolvenz, es muss eine Umschuldung stattfinden, wo die privaten Banken und Hedgefonds, auch die englischen und amerikanischen, ihren Beitrag leisten. Und nur mit einer Halbierung oder Drittelung der Schuld hat im übrigen auch Griechenland eine Chance auf einen Neuanfang. Im Augenblick ist Griechenland in einer verzweifelten Lage, wir finanzieren mit unseren Rettungspaketen nur die horrenden Zinsen der Banken und Hedgefonds. Griechenlands Staatsverschuldung steigt immer mehr und die Bevölkerung sieht zurecht nicht ein, wofür sie eigentlich die Opfer bringt. Wir brauchen auch eine Umschuldung, damit wir eine Perspektive für Griechenland haben.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Manfred Kolbe, CDU-Abgeordneter aus Sachsen, Mitglied im Finanzausschuss und gestern einer der sogenannten Nein-Sager. Herr Kolbe, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Kolbe: Ich bedanke mich ganz herzlich. Auf Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Mehr zum Thema:
    Sammelportal Eurokrise