Freitag, 19. April 2024

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CDU-Außenpolitiker Hardt
"Hoffe, dass sich Trump auch zum Klimaabkommen äußert"

Der US-Präsident kommt in internationalen Fragen zunehmend in der Realität an", sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, im Dlf. Dazu gehöre auch, dass Trump die Vereinten Nationen als wichtiges Profilierungsfeld für Amerika entdeckt habe.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Silvia Engels | 19.09.2017
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (dpa/picture alliance)
    Silvia Engels: Heute Nachmittag wird US-Präsident Trump erstmals an das Pult im Plenarsaal der Vereinten Nationen treten, um im Rahmen der UN-Generaldebatte seine Vorstellungen darzulegen, wie seiner Ansicht nach die derzeitigen internationalen Krisen behandelt werden sollten. Mit einer diplomatisch sanftmütigen Rede rechnen die wenigsten. Schon im Vorfeld hatte Trump im Gespräch mit UN-Generalsekretär Guterres deutlich gemacht, wie er sich eine Reform der UNO vorstellt.
    Mitgehört hat Jürgen Hardt. Er ist außenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion und Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen. Guten Morgen, Herr Hardt.
    Jürgen Hardt: Guten Morgen, Frau Engels.
    Engels: US-Präsident Trump sagt, das bisherige US-Investment in die Vereinten Nationen zahle sich nicht aus. Ist das nun ein Aufrütteln zur UN-Reform, oder die schlecht verkappte US-Ankündigung, nicht mehr zu zahlen?
    Hardt: Wir müssen ja sehen, wo dieser Präsident herkommt. Er hat in seiner Wahlkampagne die internationalen Institutionen geradezu verächtlich gemacht. Er setzt auf den Bilateralismus, nicht die internationalen Institutionen, sondern Amerika im Gespräch mit einzelnen Staaten soll die Welt richten. Da ist das schon ein bedeutender Fortschritt, was wir jetzt erleben, dass der amerikanische Präsident offensichtlich die Vereinten Nationen als wichtiges Feld für Amerika, für Aktionen Amerikas entdeckt hat. Das ist im Grunde zu begrüßen. Und ich glaube, wenn er die Außenpolitik nutzen wird, um vielleicht von dem einen oder anderen Misserfolg in der Innenpolitik abzulenken – er hat ja sowohl wichtige Projekte bisher in der Innenpolitik nicht durchgesetzt als auch Ärger mit den eigenen republikanischen Abgeordneten, weil er mit den Demokraten in einzelnen Feldern Deals geschlossen hat -, wenn er die Außenpolitik als Feld der Profilierung entdeckt und die Vereinten Nationen ein Stück weit auch dazu nutzt, dann ist da viel Potenzial, positives Potenzial drin.
    Engels: Sie haben einen positiven Blick darauf. Auf der anderen Seite könnte es ja auch sein, dass es ein gewisses Erpressungspotenzial ist, was Trump da eingesetzt hat. Er verlangt ja Verbesserungen bei der Effizienz, er verlangt Abbau der UN-Bürokratie, und wenn es nicht nach seinen Maßstäben geht, dann wird der Geldhahn zugedreht. Kann das auf Dauer belastbare Politik sein?
    Hardt: Bei den Vereinten Nationen ist es wie in den meisten internationalen Institutionen. Wenn man Einfluss haben will, wenn man bestimmen will, was dort geschieht, wenn man maßgeblich an der Politik dieser Institutionen mitwirken will, dann muss man auch entsprechend finanziell mit dabei sein. Wenn Amerika sich da zurückziehen würde, würde das gleichzeitig bedeuten, dass Amerika seinen Einfluss reduziert auf die Vereinten Nationen, und ich glaube, dass im Augenblick der amerikanische Präsident eher das Gegenteil anstrebt. Deswegen bin ich da nicht so in großer Sorge.
    Wenn wir das Papier sehen, was ja unter anderem auch von Deutschland mit unterzeichnet wurde, vorgelegt wurde im Blick auf die UN-Reform, so geht es hier einerseits um die Stärkung der Strukturen, effizientere Gestaltung der UN-Strukturen, zum anderen aber auch um ein klares Bekenntnis, dass die UN einen stärkeren Beitrag für nachhaltige Entwicklung zum Beispiel in der Welt leisten soll, und das setzt natürlich eher mehr denn weniger Geld voraus in der Zukunft. Und ich glaube, dass letztlich in diese Richtung auch die Entwicklung der Vereinten Nationen gehen wird.
    Engels: Sie sagen, es geht auch um Einfluss, den man haben kann, wenn man sich an Maßnahmen der Vereinten Nationen beteiligt. Machen wir es doch konkret. Wenn die USA beispielsweise ihren gewaltigen Anteil an dem UN-Flüchtlingshilfswerk zurückfahren, oder auch ihre Friedensmissionen nicht mehr so stark unterstützen, soll dann Europa, soll dann Deutschland einspringen?
    Vereinte Nationen erwarten neue Aufgaben
    Hardt: Deutschland hat ja in den letzten Jahren deutlich seine Mittel für die Vereinten Nationen beziehungsweise für die entsprechenden Institutionen der Vereinten Nationen im Blick auf die Flüchtlingsarbeit erhöht. Und wir sind auch ein Staat, der dann, wenn er eine entsprechende Zahlung zusagt, auch die Versprechen einhält. Wir haben häufig die Situation, dass bei Konferenzen der Vereinten Nationen, wo vereinbart wird, mehr Geld zum Beispiel für die Flüchtlingsarbeit in Jordanien und im Libanon, dass die Regierungen Zusagen machen, und am Ende, wenn es dann darum geht, die Schecks einzusammeln, der Generalsekretär der Vereinten Nationen feststellen muss, dass die Dinge gegeneinander aufgerechnet werden und dass letztlich die Mittel nicht so fließen wie erwartet. Ich glaube, wenn wir einen Effekt bekämen, dass auch die Disziplin in den Vereinten Nationen, schnell und umfassend dann auch Hilfe zur Verfügung zu stellen, wenn gemeinsam Projekte, Maßnahmen beschlossen worden sind, wenn wir das hinkriegen, können wir die wichtigen Aufgaben der UN stemmen, ohne dass wir die Ausgaben erhöhen. Ich glaube allerdings, dass es zusätzliche Aufgaben für die Vereinten Nationen geben wird im Bereich der nachhaltigen Entwicklung, wo Europa und die Vereinten Nationen gemeinsam letztlich mehr investieren müssen. Dieses ganze Projekt der Entwicklung Afrikas wird ein Projekt des 21. Jahrhunderts sein, das eine große Chance für die Menschen in Afrika und insgesamt in der Welt in sich birgt, aber auch natürlich eine erhebliche Summe kosten wird.
    Engels: Aber wenn wir in Ihrer Logik bleiben, dass mehr Geld für die UN auch mehr Einfluss bedeutet, dann müsste es doch auch Ziel der Europäer und der Deutschen sein, jetzt die mögliche Lücke, die die USA hinterlassen, zu füllen.
    Hardt: Inhaltlich-politisch tun wir das ja bereits sowieso. Wir streben einen nicht ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat in der nächsten Wahlperiode an. Ich bin recht zuversichtlich, dass Deutschland auch die notwendige Zahl der Stimmen bekommt bei der Abstimmung über diese Frage, so dass Deutschland dann tatsächlich auch Mitglied des UN-Sicherheitsrates sein wird. Die deutsche Bundeskanzlerin hat die deutsche Diplomatie angeboten für die Vermittlung im Nordkorea-Konflikt. Wir haben gute Drähte in die nordkoreanische Hauptstadt, weil wir dort eine starke Botschaft haben und einen guten Botschafter. Wir könnten in diesem Konflikt tatsächlich vermitteln. Die Bundeskanzlerin persönlich ist bereit, ihre Reputation in die Waagschale zu werfen, im Auftrag der UN.
    Engels: Aber nicht mehr Geld.
    Hardt: Geld haben wir in den letzten Jahren deutlich mehr gegeben als bisher, insbesondere für die Flüchtlingsarbeit und das Welternährungsprogramm. Wir hatten ja die unsagbare Situation, dass in den Flüchtlingslagern der Vereinten Nationen plötzlich nicht genug Geld da war, um den Menschen Essen zu besorgen, mit der Folge, dass die Menschen dann diese Lager verlassen haben und sich zum Teil Richtung Europa in Bewegung gesetzt haben. Das war ein absolut unakzeptabler Zustand, der Gott sei Dank für die Zukunft ausgeschlossen werden kann. Das hätte aber so nie passieren dürfen.
    Engels: Herr Hardt, dann blicken wir noch ein bisschen voraus. Heute spricht Donald Trump vor der Vollversammlung. Einige Beobachter erwarten ja, es könnte möglicherweise dahin kommen, dass er etwas zum Iran sagt, und das wäre dann möglicherweise auch verbunden mit einer Aufkündigung des iranischen Atomabkommens. Rechnen Sie damit?
    Auch in Amerika erheblicher Widerstand gegen Ausstieg aus Klimaabkommen
    Hardt: Wir haben häufig die Situation gehabt, dass wir quasi täglich damit gerechnet haben, dass das Iran-Nuklearabkommen gekündigt wird. Deutschland wirbt dafür, es intakt zu halten. Deutschland hat ja maßgeblich an der Vermittlung dieses Abkommens mitgewirkt. Im Übrigen: Auch Staaten, die besonders davon betroffen sind und wo die Rhetorik doch auch gegen dieses Abkommen geht, hinter den Kulissen sagen auch israelische Generale zu mir, es ist besser, dieses Abkommen zu haben als nichts, und das ist genau die Gretchenfrage, die der Präsident sich vorlegen muss. Wenn er das Abkommen kündigt, weil er es nicht gut findet, dann hat er nichts in der Hand, und die Frage ist, ist das Abkommen besser als der Zustand, der vorher war, und die Frage würde ich klar mit ja beantworten. Und ich glaube, dass es in Washington unterm Strich eine Mehrheit gibt, die das genauso sieht, die zwar unzufrieden ist mit dem Abkommen, aber die sagt, besser als nichts ist es allemal, und diese Position könnte sich durchsetzen.
    Ich hoffe im Übrigen, dass der amerikanische Präsident auch einen Satz zum Thema Klimaabkommen sagt. Wir haben ja nicht nur von den Städten und Staaten in den Vereinigten Staaten von Amerika erheblichen Widerstand gegen den geplanten Ausstieg Amerikas aus dem Weltklimaabkommen. Es ist auch so, dass in der Führung der amerikanischen Regierung Signale kommen, dass man doch überdenkt, ob Amerika nicht einen Beitrag zu diesem Abkommen weiter leisten kann. Es wäre eine tolle Sache, wenn auch hier die Suppe nicht so heiß gegessen wird, wie sie gekocht wird.
    Engels: Sind Sie optimistisch, dass tatsächlich die USA diese Ankündigung Trumps, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen, noch einmal überdenken?
    Hardt: Vielleicht nicht im formalen Sinne, wobei wir ja immer noch darauf warten, dass das formale Dokument übergeben wird und der Austritt oder der Kündigungsprozess eingeleitet wird. Wichtig ist, dass Amerika im Klimaschutz engagiert bleibt. Amerika hat ja nicht nur auf der Bundesebene, sondern vor allem in vielen Staaten und in den Städten massive Anstrengungen unternommen. Es gibt republikanische Gouverneure wie zum Beispiel Baker in Massachusetts, der sagt, diese Klimaschutzgeschichte bringt auch ein solches Potenzial für Innovation und Technologie mit sich, dass er als Hightech-Bundesstaat gar nicht darauf verzichten will, diese Technik auch in seinem Land anzuwenden. Ich glaube, da ist auch der plakative Wahlkampf und die Realität weit auseinander, und der amerikanische Präsident kommt in diesen internationalen Fragen zunehmend in der Realität an. Und das bewerte ich positiv, wie wir überhaupt in der Außenpolitik ja sowieso Optimisten sein müssen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.