Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


CDU/CSU "haben es torpediert"

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat CDU und CSU nach dem Scheitern des Umweltgesetzbuches parteipolitisches Taktieren vorgeworfen. Offenbar gehe es der Union lediglich darum, einem SPD-geführten Ressort den Erfolg zu verweigern, sagte Gabriel. Aus Angst, im Bundesrat Probleme zu bekommen, lasse sie das Vorhaben noch nicht einmal das Kabinett passieren.

Sigmar Gabriel im Gespräch mit Elke Durak | 02.02.2009
    Elke Durak: Das Bundesumweltgesetzbuchist wohl gescheitert. Das hat der Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern schon feststellen müssen, war auch ziemlich ungehalten, hat vom Bruch der Koalition oder vom Bruch des Koalitionsverfahrens gesprochen. Der Widerstand kam vor allem aus Bayern. - Guten Morgen, Herr Gabriel.

    Sigmar Gabriel: Guten Morgen! Ich grüße Sie.

    Durak: Dieses Gesetzbuch, ist das nun Opfer des Föderalismus geworden, oder parteipolitischen Taktierens?

    Gabriel: Nein, sicher eher parteipolitischen Taktierens der CDU/CSU. Es ist ja nicht nur Bayern, sondern die Bundeskanzlerin, deren Baby das eigentlich ist, weil sie das selber wollte und als sie Umweltministerin war, das schon favorisiert hat, die hat mich letzte Woche Montag gebeten, zu Herrn Seehofer nach München zu fahren, was ich auch getan habe, und zeitgleich erklärt der eigene CDU-Fraktionsvorsitzende Herr Kauder im Bundestag, dass CDU/CSU das Umweltgesetzbuch nicht mehr mitmachen würde. Daran sehen Sie, welches Chaos da in der Union ist und leider in der Wirtschaftskrise etwas kaputt gemacht wurde, was den kleinen und mittelständischen Unternehmen sehr geholfen hätte.

    Durak: Was hätten wir denn gewonnen mit diesem Gesetzbuch?

    Gabriel: Die Umweltgesetzgebung in Deutschland ist ja - mit Beginn der Republik hat sie noch gar nicht existiert - chaotisch gewachsen. Es gibt Tausende von Gesetzen und es gibt zum Beispiel für Unternehmen, die eine neue Anlage errichten wollen oder ein bestimmtes Projekt realisieren wollen, auch häufig einfach getrennte Verfahren. Sie müssen dann ein gewässerrechtliches Verfahren machen, ein emissionsschutzrechtliches Verfahren machen, und das haben wir zusammenführen wollen mit einem Verfahrensgang, einer Genehmigung, einer Behörde. Das wäre für viele kleine und mittelständische Unternehmen ein großer Fortschritt gewesen. Die großen Unternehmen, denen ist das egal, weil sie Staatsabteilungen besitzen, die weiß ich nicht wie viele Juristen beschäftigen. Das sind übrigens auch die, die über den BDI das Gesetz mit der CDU gemeinsam torpediert haben, wogegen alle anderen der Überzeugung waren, dass man so etwas braucht. Die Kraftwerksbetreiber zum Beispiel haben uns geschrieben, dass sie dann Kraftwerke in Deutschland schneller errichten könnten. Es gibt einen Normenkontrollrat, den die Kanzlerin eingesetzt hat; der überprüft die Bürokratie von Gesetzen. Der sagt, das Gesetz würde eine erhebliche Erleichterung, Einsparungen in Höhe von fast 30 Millionen Euro und gleichzeitig einen Schub für Wirtschaft und Beschäftigung bedeuten. Das alles war der CDU/CSU egal; sie haben es torpediert. 20 Jahre ist daran gearbeitet worden. Noch nie waren wir so weit und jetzt wollten sie es aus politischen Gründen nicht.

    Durak: Es ist ja nicht so, Herr Gabriel, dass die ganze CDU auf dieser Linie steht, denn Baden-Württemberg hatte ja beim Umweltgesetzbuch die Federführung in der Länderarbeitsgruppe und die dortige Umweltministerin Frau Gönner hat Sie gestern Abend noch aufgerufen, einen letzten Versuch zur Einigung zu starten. Zitat: "bei so einem zentralen Vorhaben muss man bis zuletzt die Tür offen halten." Würden Sie noch mal oder werden Sie noch mal nachverhandeln?

    Gabriel: Erstens muss ich bestätigen, Frau Gönner war sehr hilfreich in der ganzen Debatte, wie übrigens 15 Länder, von denen ja auch viele CDU-regiert sind, wo die Umweltminister gesagt haben, genau so wie vorgelegt müssen wir es machen. Nur den Vorschlag, den Frau Gönner gemacht hat, den haben wir gerade letzte Woche gemacht und wir haben gesagt, liebe Bayern, wir erlauben euch sogar notfalls, wenn ihr das wollt, eure bisherigen Genehmigungsverfahren im Wasserrecht so weiterzuführen, wenn ihr denn unbedingt so bürokratisch arbeiten wollt. Warum nicht! Das war den Bayern zu wenig. Sie wollen ein komplettes, sozusagen zweites Verwaltungsverfahren im Umweltgesetzbuch. Das ist einfach ein bürokratisches Monster, dem können wir nicht zustimmen. Das, was Frau Gönner vorgeschlagen hat, ist in der letzten Woche passiert. Leider ist auch das von der CDU/CSU abgelehnt worden und Sie sehen ja an der Reaktion von Herrn Kauder, dass es offensichtlich politische Gründe und nicht sachliche Gründe sind. Die wollen schlicht und ergreifend jetzt nicht einem SPD-geführten Ressort die Möglichkeit geben, dieses Projekt zu Ende zu bringen, was ich für dumm halte. Wir sind jetzt seit drei Jahren an der Arbeit. Wir sind der Union seit September letzten Jahres immer wieder entgegengekommen. Es gab über 300 Streitpunkte, die die Union vorgetragen hat. Von denen haben wir 299 ausgeräumt. Einer ist übrig geblieben, und das ist gerade das, was für die mittelständischen und kleinen Unternehmen am wichtigsten Wäre: der Kern des Umweltgesetzbuches, das Zusammenführen der Verfahren. Das wollen sie nicht, und das offensichtlich wirklich ohne sachliches Argument.

    Durak: Die Bayern führen ja als sachliches Argument an, dass es eine Monsterbürokratie gebe. Das wird Aufgabe anderer Sendungen hier bei uns auch im Deutschlandfunk sein, dies näher zu erläutern. Aber eine Frage hätte ich dann schon noch, Herr Gabriel. Mit der ersten Föderalismusreform hatten Bund und Länder ja festgelegt, dass die Länder ab 2010 in einigen Bereichen von Bundesbestimmungen abweichen können. War das nicht schon der Anfang vom Ende?

    Gabriel: Nein. Dort ist gesagt worden, jetzt machen wir - das sind ja die großen Reden, die geschwungen wurden, auch von Herrn Kauder und anderen - ein Umweltgesetzbuch und die Länder müssen bis 2010 stillhalten und ab da dürfen sie von den Teilen des neuen Umweltgesetzbuches, von denen die Länder durch die Verfassung abweichen, abweichen. Bis dahin sollte dieses Umweltgesetzbuch eben fertig sein. Das Gegenteil ist jetzt der Fall. Und übrigens, was den Vorwurf von Bayern angeht: Schauen Sie, es ist doch relativ einfach zu überprüfen. Herr Söder steht offensichtlich mit seiner Meinung in Bayern komplett alleine. Die anderen 15 Länder sagen, übrigens auch der nordrhein-westfälische Umweltminister, nicht nur Frau Gönner, auch andere sagen, genauso ist es richtig, und dieser Normenkontrollrat sagt, wir sparen sogar Geld. Das, was die Bayern jetzt wollen, das allerdings will selbst die Großindustrie nicht mehr, weil das würde das bürokratische Monster, von dem Herr Söder spricht, erst hervorrufen. Also ich kann nur sagen, das ist bedauerlich, dass die Union hier ihren eigenen Unternehmen in der Wirtschaftskrise wortbrüchig gegenüber wird. Ich kann nur hoffen, dass wir jetzt sehr schnell Wasserrecht und Naturschutzrecht wenigstens bundeseinheitlich regeln, wenn wir das Verfahren schon nicht hinkriegen, und dass dann eine neue Parlamentsmehrheit und eine neue Bundesregierung dieses Verfahren zum Abschluss bringt.

    Durak: Nun haben wir aber die politischen Verhältnisse, die wir haben, sprich Stichwort Föderalismus, um mal einen Parteikollegen zu zitieren. "Opposition ist Mist!" Föderalismus ist Mist?

    Gabriel: Nein! Wenn man Föderalismus so versteht, wie es in der Verfassung steht, dann nicht. Wenn man es parteipolitisch so missbraucht zur Blockade, wie die Bayern das tun, dann nicht. Aber ich sage noch mal: Es liegt nicht an den Bayern! Gucken Sie, an dem Tag, an dem Frau Merkel mich nach Bayern schickt, erklärt ihr eigener Fraktionsvorsitzender, Herr Kauder - ich weiß nicht, ob Frau Merkel der CDU noch angehört; keine Ahnung -, wir machen es nicht, egal was der Gabriel da in München mit dem Seehofer verhandelt. Also man kann nicht sagen, der Föderalismus ist Schuld. Wir sind ja in einer Situation, wo wir nicht mal durchs Kabinett kommen. Im Grunde erleben wir hier gerade einen Missbrauch der Verfassung, denn normalerweise läuft das so: Es gibt einen Gesetzentwurf, der wird ressortabgestimmt, dann kommt er ins Kabinett, dann in den Bundestag und in den Bundesrat. Und all das, was der Bundesrat oder was der Deutsche Bundestag, die Fraktionen dann nicht richtig finden, verändern wollen, das müssen sie dann im Verfahren machen. Hier trauen sich die CDU/CSU-Minister im Kabinett nicht, einen Gesetzentwurf im Kabinett zu verabschieden, von dem sie selber überzeugt sind, aus Angst, dass sie in der Fraktion, im Bundesrat Ärger kriegen. Das ist wirklich zum Piepen, was da stattfindet. Man muss sich nicht wundern, wenn in Deutschland keiner mehr die Demokratie und die Verfassung ernst nimmt, wenn die Kabinettsmitglieder, der Bundestag und der Bundesrat die Verfassung nicht mehr ernst nehmen.

    Durak: Sigmar Gabriel (SPD), Bundesumweltminister. Herr Gabriel, danke für das Gespräch.