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CDU-Haushälter warnt vor Schuldenschnitt für Athen

Einen erneuten Schuldenschnitt für Athen lehnt der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle ab. Eine solche Maßnahme koste das Geld deutscher Steuerzahler - und sende ein fatales Signal an andere Krisenländer wie Spanien und Portugal.

Moderation: Bettina Klein | 21.11.2012
    Bettina Klein: Wie schließt man eigentlich Milliarden-Lücken, ohne dafür frisches Geld in die Hand zu nehmen? Auch um diese Frage ging es bei den Beratungen der Finanzminister in Brüssel – die Beratungen, die die ganze Nacht über dauerten und schließlich am frühen Morgen vertagt wurden.

    Mitgehört hat Norbert Barthle (CDU), er ist der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Barthle.

    Norbert Barthle: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Die Verhandlungen sind zunächst mal gescheitert, sie sind vertagt. Eine wirklich gelungene Verhandlung sieht anders aus, oder?

    Barthle: Es war schon im Vorfeld zu erwarten, dass es schwierig werden würde, zu einem Ergebnis zu kommen, zumal ja auch die Troika selbst sich nicht ganz einig ist, wie die Perspektiven für Griechenland einzuschätzen sind. Das dürfte auch der Hauptgrund gewesen sein, weshalb es zu keiner Einigung kam.

    Klein: Aber es heißt ja auch, ein Verhandlungsversuch ist erst mal gescheitert. Es ist also nicht gelungen, einen Konsens unter den Euro-Staaten herzustellen. Ist Ihnen denn schon klar, woran das jetzt genau gelegen hat in der Nacht?

    Barthle: Da ich nicht dabei war, kann ich es im Detail nicht sagen. Aber man kann vermuten, woran es lag, und das ist einerseits die Forderung, die Schuldentragfähigkeit Griechenlands, also dieses 120-Prozent-Ziel in Bezug zum Bruttoinlandsprodukt, nicht 2020, sondern erst später erreichen zu müssen. Das kostet Geld. Auch die Verschiebung des 2014-Zieles mit der Drei-Prozent-Grenze kostet Geld. Und die Finanzminister beraten wohl intensiv darüber, wie diese Geldlücken zu schließen sind, mit welchen Maßnahmen man Griechenland in die Lage versetzen kann, seine Schuldentragfähigkeit wieder herzustellen. Das sind die Kernfragen, wo es unterschiedliche Einschätzungen gibt.

    Klein: Genau! Die Kernfragen sind bekannt. Sie sind kompliziert, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute Morgen noch einmal betonte. Deswegen habe es noch keine Lösung gegeben. Fakt ist: Milliarden-Lücken müssen geschlossen werden, dazu braucht es Geld, wie immer man das auch nennt. Klar ist auch: Deutschland lehnt einen Schuldenschnitt ab für Griechenland. Sehen Sie noch die Möglichkeit, dass sich die Bundesregierung mit dieser Position wirklich unter den Euro-Staaten wird durchsetzen können?

    Barthle: Ich hoffe es sehr, dass dies gelingt, denn ein Schuldenschnitt unter Einbeziehung des öffentlichen Sektors hätte drei wesentliche Konsequenzen zur Folge, die wir alle nicht für gut finden. Erstens würde es natürlich sofort unser Geld kosten und die KfW-Kredite wären gefährdet. Zweitens wäre das ein fatales Signal an Portugal, an Irland, eventuell an Spanien, denn die würden sich sofort fragen, weshalb sollen wir harte Konditionalität auf uns nehmen, harte Maßnahmen durchführen, die wo möglich die Regierung zur Abwahl führen, wenn unsere Schulden beschnitten werden können. Und drittens hätte das auch haushaltsrechtliche Auswirkungen. Wir dürfen für Kredite, mit deren Ausfall wir rechnen, keine Garantien, keine Gewährleistungen übernehmen. Das würde dann auch bei uns zu enormen Konsequenzen führen.

    Klein: Aber Geld kosten wird es ja in jedem Fall, Herr Barthle, und es gibt auch eine Menge Wirtschaftswissenschaftler wie der Berater des Finanzministeriums Clemens Fuest, der gerade gestern hier im Deutschlandfunk noch mal darauf hingewiesen hat, es wird an einem Schuldenschnitt kein Weg vorbei führen. Wäre es nicht sinnvoller, dieses Faktum einfach auf den Tisch zu legen und der Bevölkerung das zu erklären?

    Barthle: Nun, aus der Perspektive des Volkswirts kann man das allemal sagen. Nur aus der Perspektive des Politikers wird das etwas schwieriger, denn der Politiker muss abschätzen, welche Konsequenzen das insgesamt nicht nur für dieses Land, sondern für die gesamte Euro-Zone hat. Und da warne ich nochmals davor, vorschnell zu der Maßnahme eines Schuldenschnitts zu greifen. Das ist immer für das betroffene Land der bequemste und einfachste Weg, weil dann die Schulden weg sind, die Schuldentragfähigkeit gegeben ist.

    Aber das Ziel all unserer Maßnahmen muss doch sein, dass die Ursache der Verschuldung bekämpft wird, denn wenn man jetzt einen zweiten Schuldenschnitt macht, dann droht die Gefahr, dass dasselbe passiert, was nach dem ersten Schuldenschnitt geschehen ist: Man hat die Schulden beschnitten in der Hoffnung, dass dann die strukturellen Reformen vorangebracht werden. Aber jetzt ist Griechenland wieder in der Situation, dass erneut ein Schuldenschnitt droht. Also man kann auch alle zwei Jahre die Schulden beschneiden und immer Geld nachschießen, dann ist aber nicht geholfen.

    Klein: Genau! Und mit der gesamten Euro-Rettungspolitik sind wir jetzt an diesen Punkt gekommen, mit Hilfspaketen und mit dem Versuch, eben genau die Situation zu verhindern, vor der wir jetzt wiederum und zum wiederholten Male stehen. Das heißt, die Diskussion über die Maßnahmen ist ja mehr als gerechtfertigt. Und wir sind uns ja alle einig darüber, es wird mehr Geld kosten. Wo soll es herkommen? Die Rede ist jetzt von einzelnen Maßnahmen, das hat Schäuble heute Morgen auch noch mal gesagt. Das heißt, von der Streckung von Darlehen bis hin zu niedrigeren Zinsen. Da wiederum sagen die Wirtschaftswissenschaftler, das ist am Ende eine Milchmädchenrechnung, denn es wird wahrscheinlich nicht reichen, und es ist auch Geld, das im Grunde genommen dann zu zahlen ist, und zwar auch von Deutschland. Muss das nicht deutlich ausgesprochen werden, Herr Barthle?

    Barthle: Nun, ob da Geld von Deutschland zu zahlen ist, das ist noch die zweite Frage. Solange Griechenland seine Kredite bedient und auch sein Tilgungsziel erreicht, auch wenn diese Ziele gestreckt werden müssen, in spätere Jahre vertagt werden müssen, dann ist es ja nicht ausgeschlossen, dass die Kredite bedient werden. Solange sie bedient werden, kostet das unsere Steuerzahler kein Geld.

    Die zweite Frage ist – und da denken ja die Finanzminister auch noch drüber nach -, ob es nicht weitere Möglichkeiten gibt, zum Beispiel dieses Debt-Buyback-Programm, dass also Griechenland über Privatisierungserlöse seine eigenen Staatsschulden wieder zurückkaufen kann. Voraussetzung wäre natürlich, dass auch mal Privatisierungserlöse sichtbar werden. Da tut sich momentan noch viel zu wenig in Griechenland und deshalb gibt es immer noch viele Baustellen, wo Griechenland selbst auch dazu beitragen muss, um die Probleme in den Griff zu bekommen.

    Klein: Aber der Eindruck ist doch, es wird hin- und hergeschoben auch in den Bilanzen und im Grunde genommen steht unter dem Strich immer das gleiche und am Ende wahrscheinlich auch die gleiche Summe. Die Frage ist nur, auf welchem Wege, und auch, wie offen und ehrlich das von der Politik verkündet wird.

    Barthle: Das hat wenig mit Offenheit und Ehrlichkeit zu tun. Die Politik ist sehr transparent an dieser Stelle. Wir bekommen über jede Maßnahme, über jeden Schritt, über jede Möglichkeit ja immer ständig die Informationen, geben sie auch an die Öffentlichkeit weiter, man kann verfolgen, was geschieht und was nicht geschieht. Deshalb hat das wenig damit zu tun, sich ehrlich zu machen. Das hat etwas mit der Frage zu tun, will man Griechenland in der Euro-Zone behalten, ja oder nein. Und diese Frage hat bisher die Politik mit Ja beantwortet – aufgrund der Tatsache, dass ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone eben mit weiteren Ansteckungsgefahren verbunden wäre. Gerade die jetzt zähen Verhandlungen zeigen ja, dass bereits da doch schon wieder eine gewisse Verunsicherung auf den Finanzmärkten eingetreten ist. Die Herabstufung von Frankreich durch Moody's hat sicherlich damit zu tun. Deshalb darf man diese Gefahr nicht unterschätzen.

    Klein: Die Fraktionen werden heute Morgen Sondersitzungen haben im Deutschen Bundestag, deswegen ist die Haushaltsdebatte verschoben worden um eineinhalb Stunden. Was ist Ihre wichtigste Frage, Herr Barthle, die Sie geklärt wissen möchten in dieser Sitzung?

    Barthle: Meine Frage wird sein an den Finanzminister: Haben wir Aussicht, mit einem Bündel von Maßnahmen Griechenland in absehbarer Zeit in die Lage zu versetzen, sich selbst wieder an den Finanzmärkten refinanzieren zu können und damit nicht auf Hilfskredite aus europäischen Rettungsschirmen angewiesen zu sein?

    Klein: Das ist ja die Frage, die ich angesprochen hatte. Rechnen Sie da mit einem Ja von Herrn Schäuble?

    Barthle: Ich hoffe sehr.

    Klein: Und Sie gehen davon aus, dass am Montag der Durchbruch gelingen kann bei der nächsten Sitzung der Euro-Finanzminister?

    Barthle: Ich denke, die Troika wird die Zeit nutzen, um noch intensiv zu rechnen, weitere Möglichkeiten zu eruieren, und dann werden wir in der kommenden Woche hoffentlich zu einem Abschluss kommen können. Aber es ist dringend an der Zeit, dass dieses Thema bereinigt wird.

    Klein: Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle, heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Barthle.

    Barthle: Bitte sehr, Frau Klein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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