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CDU-Leitantrag zur Flüchtlingspolitik
"Viel konkreter können sie es jetzt kaum machen"

Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster ist mit dem neuen Leitantrag seiner Partei zur Flüchtlingspolitik zufrieden. Er drücke aus, was die Menschen auf der Straße bewege und gehe auf die parteiinternen Kritiker an Bundeskanzlerin Angela Merkel zu, sagte der Innenpolitiker im DLF. Eine "grundsätzliche Kurskorrektur" der CDU sieht er darin aber nicht.

Armin Schuster im Gespräch mit Doris Simon | 14.12.2015
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Armin Schuster spricht in Mikrofone.
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Armin Schuster. (dpa / Gregor Fischer)
    Zufrieden ist Schuster vor allem damit, dass der geänderte Leitantrag jetzt vor einer drohenden "Überforderung" von Staat und Gesellschaft warnt. Das sei eine "zentrale und scharfe" Formulierung. Die Aussage, dass es so nicht weitergehen könne, "musste drin sein", betonte Schuster.
    Die Korrektur des Antrags sei keine reine Verbalkosmetik. "Viel konkreter können sie es jetzt kaum machen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete im Hinblick auf die Passage zu verschärften Grenzkontrollen. Schuster glaubt nach seinen eigenen Worten nicht an eine europäische Lösung des Problems und setzt künftig auf mehr nationalstaatliche Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik.
    Als grundsätzliche Kurskorrektur wertet Schuster den neuen Leitantrag nicht. Die CDU habe schon seit Herbst daran gearbeitet, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren - etwa dadurch, dass weitere Länder auf dem Westbalkan zu sicheren Herkunftsländer erklärt wurden. Der jetzige Schritt sei nur eine "Intensivierung" dieser Maßnahmen.

    Das Interview in voller Länge:
    Doris Simon: Von adventlich besinnlicher Stimmung ist in diesen Tagen in der CDU wenig zu spüren. Auf dem Parteitag in Karlsruhe diskutieren die Delegierten heute den Leitantrag zur Flüchtlingspolitik. Im ursprünglichen Text fehlte den parteiinternen Kritikern jeder Hinweis auf eine oft geforderte Obergrenze, auf die Endlichkeit der Aufnahmekapazität und eine bessere Grenzsicherung. Deshalb wurde in letzter Minute der Text noch einmal verschärft. Die Obergrenze kommt weiterhin nicht vor, dafür aber der Hinweis, dass die CDU die hohen Flüchtlingszahlen durch wirksame Maßnahmen spürbar verringern wolle. Andernfalls würden Staat und Gesellschaft dauerhaft überfordert. Auch enthalten in dem Antrag ist jetzt eine Passage, wonach die nationalen Grenzkontrollen gegebenenfalls verschärft werden können. - Am Telefon ist der Bundestagsabgeordnete und CDU-Innenpolitiker Armin Schuster. Herr Schuster, ist die Kanzlerin mit dem Kompromiss von gestern gerade noch mal einer Abstrafung entgangen, so wie sie zuletzt Sigmar Gabriel erlebt hat und davor Horst Seehofer mit der CSU?
    Armin Schuster: Ich glaube, so ungeschickt hätten wir uns sowieso nicht verhalten. Das muss ich mal sagen. Das habe ich nicht mal Herrn Gabriel gegönnt. Deutschland befindet sich ja in nicht einfachen Zeiten und ich weiß, dass die CDU ihre Kanzlerin und Parteivorsitzende auch nicht abgestraft hätte, wenn wir uns so nicht geeinigt hätten. Es geht ja letztlich nicht um Angela Merkel, sondern es geht um die Situation im Land, und ich bin jetzt einigermaßen zufrieden, weil wir die erste Partei sind, die jetzt mal klar das ausdrückt, was auch die Menschen auf der Straße bewegt: Dieses "ja, wir schaffen das 2015", worauf wir alle stolz sind, und wie geht es jetzt gesellschaftspolitisch weiter. Die Formulierung musste drin sein, dass es so nicht weitergehen kann, dass wir uns sonst überfordern. Und ich bin auch dankbar darum, dass klar jetzt drinsteht, wenn Schengen weiterhin nicht funktioniert, müssen wir gegebenenfalls über Grenzkontrollen-Intensivierung nachdenken.
    "Eine Kurskorrektur ist das nicht"
    Simon: Aber, Herr Schuster, im ersten Teil, sind die Textveränderungen denn da wirklich mehr als Verbalkosmetik?
    Schuster: Na ja. Das habe ich in der Politik auch in den letzten sieben Jahren gelernt, dass das vielleicht so aussieht, tatsächlich aber sehr ernst ist. Die Formulierung, dass wir uns überfordern, wenn es nicht zu einer deutlichen Reduzierung kommt, ist für das politische Geschäft doch schon eine sehr zentrale Aussage und auch eine schwarze Aussage. Und dass wir da sogar einen Satz drin haben, der da lautet, wir müssen gegebenenfalls nationale Grenzkontrollen intensivieren, wenn die europäischen Instrumente nicht greifen - viel konkreter können Sie es jetzt kaum machen.
    Simon: Hat sich denn, Herr Schuster, die Kanzlerin überhaupt bewegt? Sie selber sieht ja ihre Haltung - das sagte sie gestern Abend in Fernsehinterviews - bestätigt auch im neuen Text.
    Schuster: Na ja. Ich hätte mich gar nicht so jetzt auf Kursänderung- oder Kurskorrektur-Diskussionen eingelassen an ihrer Stelle, denn die Union hat schon im Herbst angefangen, den Kurs zu verändern, indem wir den ganzen Westbalkan zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt haben. Das hat zu einer deutlichen Reduzierung geführt. Die Aussage im Koalitionsgipfel, wir wollen den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aussetzen, ist eine klare Reduzierungsformulierung gewesen. Eine Kurskorrektur ist das nicht. Es ist allenfalls eine Intensivierung dessen, was wir sowieso vorhaben.
    Simon: Das heißt, keiner hat irgendetwas nachgeben müssen, alle haben gewonnen, oder wie verstehe ich Sie?
    Schuster: Vielleicht war der Bundesvorstand Anfangs nicht gewillt, noch mal Geschwindigkeit zuzulegen in die Richtung, in die wir schon steuern - Stichwort Westbalkan oder Familiennachzug. Das haben wir jetzt hingekriegt. Aber eine grundsätzliche Korrektur musste die Union jetzt nicht machen. Wir wollten reduzieren, schon immer. Mir war es nicht stark genug. Und was mir persönlich sehr wichtig ist: Ich habe nicht großes Vertrauen darin, dass die europäischen Instrumente alsbald greifen. Deswegen bin ich ja ein Befürworter von grenzpolizeilichen Maßnahmen, die intensiver laufen müssen als bisher, eventuell auch Zurückweisungen. Ich sehe das kommen. Noch hat das, was Angela Merkel will - und das ist ja auch richtig -, in Europa Vorfahrt. Gelingt das nicht - und das sehe ich eher am langen Ende -, dann werden wir wahrscheinlich eher nationalstaatlich handeln.
    Obergrenzen: "Wir können nicht gegen unsere eigene Verfassung handeln"
    Simon: Herr Schuster, die Bundeskanzlerin hat ja als Frau des Jahres 2015 jetzt bei "Time" und auch sonst unheimlich viel Anerkennung international bekommen für ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage. Warum wird sie in ihrer Partei, in der CDU, auch in der CSU manchmal wegen Begrifflichkeiten, Stichwort Obergrenze, so sehr in die Zange genommen?
    Schuster: Na ja, weil die Obergrenzen-Diskussion auch eine schwierige ist. Ich verstehe es inhaltlich auch. Wir müssen über solche Dinge diskutieren, bevor sie uns politisch einholen. Tatsächlich ist sie natürlich umgeben von Juristen, die im Verfassungsrecht sehr firm sind. Und jeder Verfassungsrechtler, den Sie fragen, wird Ihnen sagen, Sie können nach dem deutschen Asylrecht nicht von Obergrenzen sprechen. Sie hat ja mal den Satz geprägt, das deutsche Asylrecht kennt keine Obergrenze, und das stimmt juristisch. Dass wir trotzdem uns nicht überfordern dürfen, das ist jetzt der Spagat, den wir gehen müssen. Für den einen oder anderen Bürger sicherlich eine merkwürdige Situation, aber wir können nicht gegen unsere eigene Verfassung handeln und müssen trotzdem faktisch sehen, dass wir die Zahlen deutlich reduzieren. Das, glaube ich, kriegen wir hin. Ich glaube nicht mal, dass man dafür über Obergrenzen streiten muss, sondern einfach wirkungsvoll Maßnahmen umsetzen.
    Simon: Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster heute vor Beginn des CDU-Parteitages in Karlsruhe. Herr Schuster, vielen Dank für das Gespräch.
    Schuster: Ich danke Ihnen, Frau Simon.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.