Mittwoch, 24. April 2024

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CDU-Ministerpräsident Günther zu Jamaika
"Machtworte helfen in solchen Verhandlungen gar nichts"

Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, geht fest davon aus, dass die Sondierungsgespräche in Koalitionsverhandlungen münden werden. "Ich sehe keine Hürden bei keinem einzigen Thema, wo man nicht zusammenkommen kann", sagte der CDU-Politiker im Dlf.

Daniel Günther im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 16.11.2017
    Die Verhandlungsführer der schleswig-holsteinischen Koalitionsverhandlungen, (l-r) Heiner Garg (FDP), Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) und Daniel Günther (CDU), hantieren am 16.06.2017 in Kiel (Schleswig-Holstein) mit den Koalitionsverträgen.
    Daniel Günther (CDU, re.) hat in Schleswig-Holstein bereits eine Jamaka-Koalition geschmiedet (dpa/picturealliance/Carsten Rehder)
    Ann-Kathrin Büüsker: Wir schalten jetzt mal einen Sondierungstisch weiter sozusagen: zur CDU, die ja in dem ganzen Gewusel in Berlin deutlich ruhiger auftritt und eher insgesamt den Eindruck eines Vermittlers macht. Am Telefon ist Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Guten Morgen!
    Daniel Günther: Guten Morgen, Frau Büüsker.
    Büüsker: Herr Günther, wären die Sondierungen einfacher, wenn die CSU nicht mit am Tisch säße?
    Günther: Nein, auf gar keinen Fall. Dann würden die Sondierungen ja auch gar keinen Sinn machen, denn ohne die CSU haben wir ja keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Von daher brauchen wir die CSU und so, wie ich Joachim Herrmann eben verstanden habe, arbeitet sie ja auch sehr konstruktiv daran, dass wir heute ein gutes Ergebnis bekommen.
    Büüsker: Finden Sie das denn tatsächlich konstruktiv, was die Kollegen Dobrindt und Scheuer da abziehen?
    Günther: Na ja, nicht in allen Teilen, aber das gilt ja dann auch für alle Parteien. Ich finde, man muss immer mal einen Gang zurückschalten, sich auch mal gut überlegen, wie das eigentlich in der Öffentlichkeit ankommt, wenn wir uns vor Verhandlungen dann häufig auch so äußern. Ich glaube, wir müssen auch immer daran denken, dass viele Menschen jetzt langsam auch erwarten, dass wir dort zu konkreten Ergebnissen kommen. Im Moment befinden wir uns ja nur in Sondierungsverhandlungen. Ich glaube, wenn die Menschen merken, dass die Einigung, die wir jetzt finden, erst bedeutet, dass wir überhaupt anfangen zu verhandeln, dann wird eher noch ein böses Erwachen kommen.
    "Es gibt nur dieses eine Bündnis, eine Jamaika-Koalition"
    Büüsker: Also rechnen Sie mit einer Einigung?
    Günther: Ich rechne definitiv mit einer Einigung. Ich kann mir schlichtweg nichts anderes vorstellen. Wir haben alle Verantwortung für Deutschland übernommen und es gibt nur dieses eine Bündnis, eine Jamaika-Koalition. Das mag dem einen oder anderen in den Parteien nicht gefallen. Wir als CDU sind auch nicht angetreten und haben uns dieses Bündnis gewünscht. Aber Wahlen sind nicht "Wünsch dir was", sondern man muss sehen, was die Wählerinnen und Wähler entscheiden, und die haben uns einen klaren Regierungsauftrag gegeben. Deswegen appelliere ich auch an alle, dass wir uns heute Abend verständigen.
    Büüsker: Das würde aber bedeuten, dass die Grünen oder auch die CSU und natürlich auf die FDP auf elementare Forderungen unter Umständen verzichten müssten. Sie sind da wirklich so optimistisch, dass das passiert, vielleicht auch durch ein Machtwort der Kanzlerin?
    Günther: Na ja, Machtworte helfen ja in solchen Verhandlungen gar nichts, sondern alle Beteiligten müssen sich verständigen. Bei Ihrer Aufzählung eben fehlte die CDU. Die muss nämlich auch Kompromisse am Ende machen. Auch wir müssen auf Forderungen verzichten, denn auch wir haben keine 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler für uns gewonnen. Das ist nun mal das Problem bei Koalitionsverhandlungen. Wer das nicht mehr will, der muss absolute Mehrheiten erreichen, und solange man die in Deutschland nicht erringt, heißt das, Kompromisse zu machen. Ich sehe auch keine Hürden bei keinem einzigen Thema, wo man nicht zusammenkommen kann, wenn wirklich alle guten Willens sind. Ich habe alle Parteien bisher so verstanden, dass sie Verantwortung für Deutschland übernehmen wollen, und da müssen wir heute Abend auch alle Farbe bekennen.
    Günther: Die Partei mit den meisten Stimmen hat immer eher eine Vermittlerrolle
    Büüsker: Gerade die CDU - und deshalb habe ich sie eben auch gar nicht aufgelistet - wirkt in diesen Sondierungsgesprächen ja tatsächlich als die kompromissbereiteste Partei. Ist die CDU in den Sondierungen die Partei der maximalen Flexibilität?
    Günther: Nein, so würde ich es nicht bezeichnen. Ich finde, bei den Kernforderungen, die wir im Wahlkampf auch erhoben haben, innere Sicherheit, mehr Polizei, mehr Unterstützung für Familien, mehr Investitionen, den Mittelstand stärken, im Pflegebereich etwas machen, bei den Punkten sind wir, finde ich, auch wirklich gut davor.
    Aber es kommt immer der Partei, die die meisten Stimmen gehabt hat, eher eine Vermittlerrolle zu. Das war bei uns in Schleswig-Holstein bei den Verhandlungen auch nicht viel anders. Wenn die stärkste Partei die größte oder die maximale Konfrontation macht, dann führt das immer dazu, dass die kleineren Parteien überhaupt keinen Bock mehr auf Verhandlungen haben, und deswegen finde ich das Verhalten der CDU, etwas moderater heranzugehen, absolut richtig und anders kann das auch gar nicht funktionieren.
    Büüsker: Trotzdem sehen wir ein deutliches Hickhack gerade bei den kleinen Parteien, die sich - darüber haben wir heute Morgen jetzt auch schon oft genug gesprochen - ja gegenseitig wirklich teilweise in den Haaren liegen. Wie sehr schadet das eigentlich dem Ansehen der Politik?
    Günther: Das macht uns zumindest nicht sympathischer. Ich erlebe eigentlich keinen Menschen, der mich darauf anspricht und sagt, oh, Mensch, ihr müsst euch aber unbedingt bei dem Thema durchsetzen und vergesst das nicht. Zumindest nicht bei den Themen, die im Moment öffentlich für dieses Hickhack sorgen. Mich sprechen viele Menschen an und schreiben mich an, dass wir im Bereich Pflege, im Bereich Fachkräftemangel was machen müssen.
    Aber die Themen, über die wir uns öffentlich streiten, sind keine Themen, wo ich mit auf den Weg bekomme, aber bei dem Punkt müsst ihr unbedingt hartleibig sein. Als ich gestern in Schleswig-Holstein losgefahren bin, haben mir alle auf die Schulter geklopft und haben gesagt, das muss jetzt endlich was werden, wir brauchen eine handlungsfähige Regierung. Mir hat kein einziger gesagt: Knick bitte nicht ein und zur Not lasst ihr eben die Verhandlungen platzen. Ich weiß manchmal nicht, in welcher Welt diejenigen leben, die glauben, dass alle nur gebannt darauf gucken, wer setzt sich in welchem Punkt durch.
    "Gerade Jamaika hat die Pflicht, auch Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden"
    Büüsker: Und Sie glauben auch nicht, dass in Schleswig-Holstein beispielsweise ein großes Interesse daran herrschen könnte, dass das Thema Klimaschutz stärker etabliert wird in einer möglichen Koalition?
    Günther: Doch. Da hat Schleswig-Holstein ein Rieseninteresse daran, dass der Klimaschutz gewahrt bleibt. Wir sind auch das Land der erneuerbaren Energien. Von daher bringen wir auch dort als Union immer einen Punkt mit ein, dass wir dieses Thema schon hoch bewerten.
    Aber nicht nur die Menschen in Schleswig-Holstein, sondern in ganz Deutschland können auch erwarten, dass wir auch sorgsam darauf achten, dass wir unseren Wohlstand erhalten, dass wir wirtschaftliche Entwicklungen in Deutschland nicht abwürgen, und ich sehe nicht, dass das ein fundamentaler Widerspruch ist.
    Ich finde, gerade Jamaika hat die Pflicht, auch Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden. Was uns in Schleswig-Holstein gelungen ist, in einem Koalitionsvertrag zu formulieren, können doch diejenigen, die in Berlin Verantwortung haben, mindestens genauso klug formulieren.
    Büüsker: Herr Günther, Sie geben sich heute Morgen wieder einmal recht staatsmännisch und sehr vernünftig. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, vielleicht doch mal zu wechseln von Kiel nach Berlin, um da ein bisschen für Ruhe und Ordnung zu sorgen?
    Günther: Ich versuche, meinen bescheidenen Beitrag dazu zu leisten, dass wir das heute auch hinbekommen. Aber ich trage Verantwortung in Schleswig-Holstein unglaublich gerne und mache das da auch weiter und fühle mich immer wohl, wenn ich wieder in meinem schönen Kiel zurück bin.
    Büüsker: ... sagt Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Mitglied für die CDU und als solcher auch beteiligt an den Sondierungsgesprächen in Berlin. Vielen Dank für das Interview heute Morgen hier im Deutschlandfunk.
    Günther: Sehr gerne, Frau Büüsker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.