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CDU-Parteitag
Russische Trolle, Flüchtlinge, Burkas - und dazwischen Merkel

Die CDU ist erleichtert, dass Angela Merkel es noch einmal macht - 2017 bei der Bundestagswahl und jetzt beim Bundesparteitag in Essen. Trotzdem wird wegen der Flüchtlingspolitik mit einem Wahl-Denkzettel für sie gerechnet. Unterdessen bringen sich übrige Partei-Granden in Stellung, um ihre inhaltlichen Ideen zu forcieren.

Von Christine Heuer | 05.12.2016
    Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel am 02.12.2016 im thüringischen Jena auf einer CDU- Regionalkonferenz
    Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel am 02.12.2016 im thüringischen Jena auf einer CDU- Regionalkonferenz (picture alliance / Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa)
    Angela Merkel macht’s nochmal. Zum vierten Mal kandidiert sie fürs Kanzleramt, zum neunten Mal für den Vorsitz der CDU. 1001 Delegierte entscheiden beim Parteitag in Essen, mit wie viel Schub die Christdemokraten mit Merkel an der Spitze ins Wahljahr 2017 starten. Fast 97 Prozent bekam die Vorsitzende beim letzten Mal (ein ungewöhnlich gutes Ergebnis), weniger wird’s diesmal wohl werden, aber zu sehr darf die Partei ihre Chefin nicht absacken lassen, will sie sich nicht selbst ein Bein stellen.
    Tauber macht sie über SPD-Landeschefin Hannelore Kraft lustig
    Das weiß auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der Spekulationen über Merkels Wahlergebnis in Essen mit einem Scherz ausweicht: "Ich hab Frau Kraft gefragt, ob sie es weiß, aber sie sagt, sie weiß es, sie will es mir nur nicht verraten."
    Die CDU ist erleichtert, dass Angela Merkel noch einmal antritt. Wer sollte es auch sonst tun? Aber umstrittener war die Bundeskanzlerin in den eigenen Reihen wohl nie. Ihre Flüchtlingspolitik hat sie viel Zuspruch gekostet: In der Gesellschaft und in der CDU. Hinter den Kulissen wird die Kanzlerin inzwischen von Konservativen eingehegt.
    In Essen werden die Delegierten über einen Leitantrag diskutieren, in dem Leitkultur und Schicksalsgemeinschaft gegen Multikulti gestellt werden, und in dem der Satz steht, dass die Ereignisse des vergangenen Jahres sich nicht wiederholen dürfen – gemeint ist der Flüchtlingszuzug, eine Absage ist das an Merkels "Wir schaffen das".
    Für konsequentere Abschiebungen
    "Wer kein Bleiberecht hat, muss gehen" – das ist der Satz, unter den Parteivize Thomas Strobl seine Vorschläge für konsequentere Abschiebungen gesammelt hat: unter anderem weniger Sozialleistungen, Abschiebungen auch bei Krankheit und Rückführzentren für abgelehnte Flüchtlinge etwa in Ägypten. Das ist näher an der Obergrenze als an der Willkommenskultur. Trotzdem ist Thomas Strobl zuversichtlich, dass seine Agenda in den Leitantrag für den Parteitag aufgenommen wird. In der ARD wird er gefragt, ob es stimmt, dass die Kanzlerin dafür Zustimmung signalisiert hat? "Woher Sie das wissen, weiß ich nicht", sagt Strobl: "Aber ganz falsch ist es auch nicht. Wir haben am Wochenende ganz hart gearbeitet. Ich bin ganz sicher, wir werden morgen im Bundesvorstand und im Präsidium einen exzellenten Leitantrag verabschieden. Und das wird ein richtungsweisender Parteitag."
    "Ich möchte keine Vollverschleierung im öffentlichen Leben sehen"
    Führende CDU-Politiker stellen sich ausdrücklich hinter Strobl - Julia Klöckner zum Beispiel, Parteichefin in Rheinland-Pfalz: Sie denkt laut darüber nach, auch Schwangere außer Landes zu schaffen, wenn sie kein Bleiberecht haben. Oder Jens Spahn, CDU-Präside und Staatssekretär im Finanzministerium, der sich darüber mokiert, dass im CDU-Leitantrag ein Burka-Verbot ausdrücklich nur im rechtlich zulässigen Rahmen gefordert werden soll: "Die Frage, was rechtlich möglich ist, darüber streiten wir noch immer. Und ich möchte sie eigentlich überall verbieten. Ich möchte keine Vollverschleierung, kein Niqab, kein Burka im öffentlichen Leben in Deutschland sehen."
    Russische Trolle dürften in den deutschen Wahlkampf eingreifen
    Aber nicht nur dagegen, sondern auch dafür will die CDU sein: Für Steuersenkungen (Wolfgang Schäuble hat die gerade nochmal versprochen) und für den Mittelstand. "Ich glaube, dass wir zu Zeiten kommen, wo es notwendig ist, die eigenen Überzeugungen eben auch mit breiterem Kreuz und etwas mehr Mut zu vertreten", betont Peter Tauber.
    "Diese Wahl wird wie keine zuvor schwierig", weiß Angela Merkel. Es geht 2017 gegen die AfD, es geht für Demokratie und Grundrechte, und es wird emotional. Dass russische Trolle ähnlich wie in den amerikanischen auch in den deutschen Wahlkampf eingreifen werden, ist wahrscheinlich. Die Christdemokraten starten bei ihrem Parteitag in Essen einen Wahlkampf im Spagat: Mit liberalen Werten und konservativen Wahlversprechen. Wie überzeugend und mitreißend Angela Merkel diesen Kurs in ihrer Parteitagsrede begründen kann, wird mit Spannung erwartet.