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Gestiegene Staatseinnahmen
Zwischen Milliardenüberschuss und langer Wunschliste

Wegfall des Soli, mehr Geld für Bildung und eine bessere Pflege: Wofür wird der Milliardenüberschuss ausgegeben? Erstmal für nichts. Dabei sind die Wunschlisten lang. Doch was genau der Staat mit den Zusatzeinnahmen macht, muss im Herbst der Bundestag entscheiden.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 24.08.2018
    Das Plenum des Deutschen Bundestags in Berlin
    Die Haushalts-Beratungen für 2019 sind nach der Sommerpause erst einmal Sache des Bundestags (picture alliance/dpa - Michael Kappeler)
    Seit der Wiedervereinigung waren die Kassen noch nie so voll: Bund, Länder, Gemeinden und die Sozialkassen haben zwischen Januar und Juni dieses Jahres 48,1 Milliarden Euro an Überschüssen eingenommen, allein schon das Steuerplus beträgt 5,1 Prozent:
    "Dieser Bundesregierung steht das Geld im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals", sagt FDP-Fraktionsvize Christian Dürr.
    Wie auch der Steuerzahlerbund fordern die Liberalen deshalb nun erneut, die Bürger zu entlasten, unter anderem beim Solidaritätszuschlag:
    "Auch wenn sie nicht im Koalitionsvertrag drinsteht, fordere ich die Bundesregierung auf, die Abschaffung des Solidaritätszuschlages mit Auslaufen der Hilfen für Ostdeutschland jetzt auch umzusetzen."
    Schluss mit dem Soli, das verlangt kurz vor der Landtagswahl auch Bayerns Ministerpräsident Söder - doch der Sprecher des Bundesfinanzministeriums lässt derlei Forderungen an sich abtropfen: "Also da bitte ich um Verständnis, dass ich mich jetzt hier zu den einzelnen Vorschlägen nicht im Einzelnen äußern möchte."
    Die üppigen Überschüsse heizen die Diskussionen an
    Es gelte der Koalitionsvertrag, und der besagt, dass der Soli erst ab 2021 schrittweise abgeschafft wird. Die Bundesregierung habe im Übrigen ganz andere Prioritäten, heißt es aus dem Finanzministerium: "Es geht uns um Schwerpunkte bei Investitionen, bei der Stärkung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft, also zum Beispiel Stärkung der verfügbaren Einkommen von Familien, Erhöhung Kindergeld, Kinderfreibetrag. Also da ist eine Reihe von Themen von uns schon auf den Weg gebracht worden."
    Doch die üppigen Überschüsse in der Staatskasse, die das Statische Bundesamt jetzt bekannt gibt, heizen die Diskussion jetzt erst richtig an: Sparen, investieren – oder entlasten? Letzteres verlangen der Arbeitgeberverband BDA und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
    Und was sagt der Finanzminister selbst? "Ich hab immer das Gefühl, wenn man sagt, man hat einen bestimmten Betrag zusätzlich zur Verfügung, dass innerhalb von fünf Minuten eine 400-fache Überbuchung stattfindet. Also da wird schnell aus einer Milliarde 100 Milliarden. Aber das geht nicht auf, wenn ich das dazu sagen kann."
    So mahnte Olaf Scholz anlässlich der Steuerschätzung im Mai. Die jetzt neuen Milliardenüberschüsse sieht der Sozialdemokrat zwar als Chance für zusätzliche Ausgaben, ohne jedoch konkret zu werden. Anders Volker Kauder. Der Unionsfraktionschef verlangt aufs Neue, ausgelöst durch den Druck der USA, mehr Geld für den Verteidigungshaushalt.
    Ein unlösbares Verfahren?
    "Für Verteidigung, mehr Geldforderungen für Entwicklungshilfe, mehr Geldforderungen für Landwirtschaft, und gleichzeitig die Schwarze Null. Wenn man so weitermacht, wird das langsam ein unlösbares Verfahren."
    So spottet SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs über den Koalitionspartner CDU. Dabei kursiert durchaus auch bei den Sozialdemokraten eine lange Wunschliste, etwa für mehr Bildungsausgaben, stabile Renten und eine bessere Pflege. Aber gemach, gemach, sagt Johannes Kahrs: "Das machen wir im Rahmen eines geordneten Haushaltsaufstellungsverfahrens, auf der Grundlage gesicherter Zahlen."
    Die Haushalts-Beratungen für 2019 sind nach der Sommerpause erst einmal Sache des Bundestags. Unterdessen berichtet der "Spiegel", dass Olaf Scholz höhere Steuern und Beiträge für die Rente erwäge - das Finanzministerium dementierte diese Meldung am Nachmittag jedoch. Samstagabend soll es nun ein Spitzentreffen zur Renten- und Arbeitsmarkt-Politik im Kanzleramt geben, mit Angela Merkel, Olaf Scholz und CSU-Chef Horst Seehofer.