Dienstag, 19. März 2024

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CDU-Politiker Schuster
"Deutschland nimmt nicht jeden auf"

2017 hat es 186.000 Asylanträge in Deutschland gegeben - deutlich weniger als noch im Jahr zuvor. Die Zahl entspreche der angestrebten Richtgröße, zur Routine sollten aber eher 140.000 pro Jahr werden, sagte CDU-Innenpolitiker Armin Schuster im Dlf. Von den sogenannten Ankerzentren verspricht er sich eine Signalwirkung.

Armin Schuster im Gespräch mit Martin Zagatta | 16.01.2018
    Flüchtlinge am 16.11.2015 auf dem Gelände des Wartezentrums Asyl in Erding
    Flüchtlinge auf dem Gelände des Wartezentrums in Erding: Union und SPD haben sich in den Sondierungsgesprächen darauf verständigt, Asylverfahren künftig bundesweit in sogenannten Ankerzentren zu bearbeiten (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Martin Zagatta: Die Zahl der hierzulande Asyl suchenden ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Mitgehört hat der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster, der in der zurückliegenden Legislaturperiode auch Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages war. Guten Tag, Herr Schuster.
    Armin Schuster: Guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Schuster, deutlich weniger Asylbewerber im vergangenen Jahr. Sind Sie mit dieser Entwicklung zufrieden?
    Schuster: Ja. Wir haben daran gearbeitet. Das war das Versprechen, dass man das hinkriegen kann. Und Sie sehen, es funktioniert. Ich bin noch nicht zufrieden. Man kann, glaube ich, noch mehr tun, und das wollen wir auch. Aber zumindest dieser Vorhalt so aus dem politischen Raum, man könne daran nichts ändern, man muss die Asylsuchenden aufnehmen, die dann kommen, ich glaube, das kann man damit widerlegen. Es ist natürlich steuerbar.
    Zagatta: Und da liegt man ja jetzt schon in diesem Fenster, in dieser Spanne, höchstens 180.000 bis 220.000 Migranten pro Jahr, die Sie mit der SPD ausgehandelt haben. Sind da überhaupt noch zusätzliche Maßnahmen notwendig, wenn man das jetzt schon erfüllt?
    "Dieser Korridor von 180.000 bis 220.000 ist unser Maximalwert"
    Schuster: Na ja. Wir müssen noch ein bisschen ein paar Dinge verstetigen und auch wirklich in der Praxis umsetzen, die wir bisher nur planen. Dann will ich mal daran erinnern, dass dieser Wert, dieser Korridor von 180.000 bis 220.000 unser Maximalwert ist. Man muss ja nicht ständig den Maximalwert anstreben. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und habe ausgerechnet: Seit Mitte der 90er-Jahre, wie vielen Menschen hat Deutschland im Schnitt eigentlich Asyl und Flüchtlingsschutz geboten? Das sind, kann man sagen, etwa 140.000 im Jahr. Damit sind wir immer noch Spitze in Europa und in der Welt, und das würde ich als einen Wert ansehen, den wir so, ich sage mal, in der Routine leisten können. Das können wir seit 20 Jahren und das kann dann eben auch mal einen Spitzenwert geben wie 180 bis 220.000. Aber es ist ein Spitzenwert, an dem ich mich jetzt nicht orientieren möchte als Normalfall.
    Zagatta: Sie sagen Maximalwert. Wie fest ist denn diese Vereinbarung mit der SPD? Da hören wir jetzt, dass Martin Schulz, der SPD-Chef, nach den Verhandlungen wieder gesagt hat, das ist keine Obergrenze, wenn mehr kommen, dann kommen eben mehr.
    Schuster: Na ja. Die Formulierung in dem Sondierungsergebnis ist eindeutig. Da steht, dass die Zuwanderungszahlen die Spanne von jährlich 180 bis 220.000 nicht übersteigen werden.
    Zagatta: Und wenn mehr kommen?
    Schuster: Das ist ja unsere Kunst, das zu steuern. Ob das über Grenzkontrollen geht wie in Bayern, ob das über das Thema Familiennachzug geht? Von denen verspreche ich mir sehr viel, die neuen Ankerzentren, wo wir viel, viel schlüssiger, schneller und konsequenter Aufnahme …
    "Verspreche mir eine deutlich bessere Abschiebequote"
    Zagatta: Aber das sind doch Menschen, die dann schon da sind.
    Schuster: Ja. Aber ich kriege sie aus diesen Ankerzentren mit hoher Wahrscheinlichkeit schneller rückgeführt, wenn es denn darauf ankommt. Und, Herr Zagatta, es gibt etwas ganz wichtiges. Es gibt in den Rest der Welt die Nachricht, dass nicht einfach jeder sich auf den Weg machen kann und nach Deutschland geht und die nehmen jeden auf.
    Armin Schuster bei einer Rede mit ausgetrecktem Zeigefinger
    Der CDU-Innenexperte Schuster hält den Rückgang der Asylanträge für ein Signal, dass Zuwanderung steuerbar sei. (dpa / Kay Nietfeld)
    Zagatta: Diese Ankerzentren, die sind dazu da abzuschrecken?
    Schuster: Die Ankerzentren sind dazu da, die Behörden Bundesamt für Migration, Bundesagentur für Arbeit, die Justiz, die Ausländerbehörden und die Polizei endlich in einem Zentrum zusammen Hand in Hand arbeiten zu lassen für die Anerkennung, aber auch für die Abschiebung. Davon verspreche ich mir eine deutliche Beschleunigung des Verfahrens, eine deutlich bessere Abschiebequote. Und wenn Sie jetzt noch davon ausgehen, dass wir noch Nordafrika einstufen können als sichere Herkunftsstaaten, dass wir Staaten – so steht es im Sondierungspapier -, die eine Schutzquote von unter fünf Prozent haben, auch sicher einstufen werden – wir haben schon noch genügend Mechanismen, diese 180 bis 220.000 abzusichern und darunter zu kommen, und jetzt habe ich die internationalen Bemühungen gar nicht aufgezählt.
    Zagatta: Auf die wollte ich jetzt gar nicht so breit zu sprechen kommen, weil da ja Übereinstimmung herrscht, dass man Fluchtursachen natürlich bekämpft, bei Rüstungsexporten vorsichtiger ist. Aber was konkret können Sie denn machen in Deutschland an der Grenze? Sie haben Grenzkontrollen angesprochen. Wo sind denn Ihre Stellschrauben? Das mit Nordafrika haut ja auch nicht so richtig hin, weil wenn diese Länder nicht bereit sind, diese Menschen zurückzunehmen - das haben wir ja in der Vergangenheit erlebt, das funktioniert ja überhaupt nicht, nur Stichwort al-Amri.
    "Müssen Probleme mit anderer diplomatischer Power lösen"
    Schuster: Ja. Das werden wir, Herr Zagatta, aber auch über diese Ankerzentren besser hinkriegen. Ich gestehe zu, dass das nicht optimal gelaufen ist. Ich halte es aber auch für verwegen, irgendeiner Ausländerbehörde in Deutschland zuzumuten, dass sie die Pass-Ersatzpapiere für einen Staatsangehörigen aus Burkina Faso auf dem diplomatischen Weg erwirken soll. Ich glaube, das sind einfach Aufgaben, die müssen in andere Hände. Ob das die Länder oder der Bund sind, das müssen wir mal dahingestellt lassen, aber in diesen Zentren müssen mit einer anderen diplomatischen Power solche Probleme gelöst werden, und das kann man lösen. Das sehen Sie ja. Wir sind ja schon besser geworden. Wir haben ja auch solche Task Forces eingerichtet.
    Ich bin der festen Überzeugung, dass die Grenzkontrollen in Bayern so lange fortgeführt werden müssen, solange die Außengrenze nicht funktioniert. Ich bin auch soweit zu sagen, wir schauen uns monatlich sehr genau an, was passiert an der Schweizer Grenze über die Mittelmeer-Route Italien-Schweiz. Auch wenn dort die Zahlen enorm steigen würden, könnten wir einen Schritt weitergehen und könnten Grenzkontrollen machen – machen wir im Moment nicht, weil sie so dramatisch nicht sind, aber das sind alles Möglichkeiten, Flüchtlingszugang zu begrenzen. Und ich darf noch einen internationalen Aspekt erwähnen: Ich würde sehr viel mehr Druck machen, bin dankbar für das Sondierungsergebnis, beim Aufbau einer echten europäischen Grenzpolizei, und da würde ich auch deutsches Geld in die Hand nehmen und investieren.
    Zagatta: Aber sind Sie sich denn da so einig mit der SPD? Die legt das doch offenbar ganz anders aus, diesen Kompromiss, alleine wenn man schon sagt, das ist keine Festlegung, diese 220.000.
    Schuster: Ja. Da mache ich auch einen Appell an die SPD, den Mut zu haben, sich vor ihre Mitglieder zu stellen und zu sagen, was man vereinbart hat. Wenn das in der SPD keine Mehrheit findet, dann muss man einfach dazu stehen. Aber das Ergebnis kann man jetzt nicht - - Ich kann jetzt nicht einen Übersetzer beauftragen, der das in SPD-Sprache noch formuliert. Das war so nicht gedacht.
    "Mehr Realismus in der Asylpolitik"
    Ich glaube, die SPD muss sich ehrlich machen, und zwar meine ich jetzt die Delegierten. Sie haben auf einem Bundesparteitag der SPD-Spitze die Chance gegeben, mit uns zu sondieren. Damit ist die grundsätzliche Entscheidung für GroKo-Sondierungen gefallen. Die kann man jetzt nicht nachträglich in Frage stellen. Ich habe immer das Gefühl, die, die mäkeln, mäkeln gar nicht so sehr an den Inhalten; sie mäkeln an der Tatsache, dass man mit uns koaliert. Diese Entscheidung ist eigentlich gefallen.
    Zagatta: Sie mäkeln aber schon an der Flüchtlingspolitik und sagen, genau da muss nachverhandelt werden. Das sind ja Stimmen aus der SPD.
    Schuster: Ja. Da empfehle ich wirklich, das zu tun, was ich auch selber tue. Gespräche mit SPD-Oberbürgermeistern, kommunalpolitisch Verantwortlichen, SPD-Gemeinderäten, Kreistagsmitgliedern helfen da unglaublich, mehr Realismus in die Asylpolitik zu bekommen. Und ich bin ganz sicher, dass es eine Vielzahl von SPD-Wählern gibt - ich sage bewusst Wählern -, die uns verstehen und, ich glaube, die dieses Papier mehr als goutieren.
    Zagatta: Sie sind da zuversichtlich, dass das dann im Endeffekt auch so klappt. Was ist denn mit dem Familiennachzug? Da kann man ja Koalitionsverhandlungen gar nicht abwarten; das muss doch ganz schnell jetzt geregelt werden, weil das läuft aus.
    Schuster: Ja, das machen wir auch. Wir werden jetzt das machen, was in der Sondierung steht: einen Gesetzesantrag einbringen, den wir vermutlich endgültig in der Sitzungswoche Ende Januar verabschieden, wo es nur darum geht, ihn weiter auszusetzen, allerdings verbunden mit der Regelung, so ist es im Sondierungsergebnis, wenn es zur GroKo kommt, dass wir bis 31.7. diesen Jahres eine Neuregelung gesetzgeberisch schaffen, und diese Neuregelung bezieht sich auf das, was wir vereinbart haben. Ich nenne es mal eine Härtefallregelung von tausend Fällen im Monat maximal.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.