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CDU-Politiker: Waffenlieferung unter Aufsicht

Als Konsequenz aus den Luftschlägen müssten jetzt die libyschen Rebellen in die Lage versetzt werden, die Bevölkerung am Boden zu schützen, sagt Andreas Schockenhoff, stellvertretender Vorsitzender der Unionsbundestagsfraktion.

Andreas Schockenhoff im Gespräch mit Christian Bremkamp | 30.03.2011
    Christian Bremkamp: Die NATO hat seit heute das Kommando über den gesamten internationalen Militäreinsatz in Libyen inne, und wieder gibt es Streit. Die USA ziehen direkte Waffenlieferungen an die Rebellen in Erwägung, NATO-Chef Rasmussen hat sich klar dagegen ausgesprochen. Die Widerstandskämpfer selbst befinden sich derweil in der Defensive. Am Telefon begrüße ich jetzt den stellvertretenden Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff. Guten Tag!

    Andreas Schockenhoff: Guten Tag, Herr Bremkamp.

    Bremkamp: Herr Schockenhoff, wie weiter nach der Libyen-Konferenz in London? Waffenlieferungen an die Rebellen ja oder nein?

    Schockenhoff: Ich persönlich würde Waffenlieferungen dann nicht ausschließen, wenn sie zum Schutz der Zivilbevölkerung notwendig sind. Es kann nicht sein, dass mit völlig ungleichen Waffen die Gaddafi-Söldner die Zivilbevölkerung abschlachten und diese sich nicht wehren kann.

    Bremkamp: Aber birgt das nicht Gefahren, die möglicherweise gar nicht abzuschätzen sind?

    Schockenhoff: Es ist immer eine Abwägung von Gefahren. Aber wenn man die Luftwaffe ausschaltet, um aus der Luft den Völkermord zu verhindern, dann muss man die Rebellen auch in die Lage versetzen, am Boden die eigene Bevölkerung zu schützen. Das ist die Konsequenz, das war von Anfang an klar. Man kann nicht von außen das Regime ändern, das muss das libysche Volk selber tun, aber man muss dem libyschen Volk wenigstens die Möglichkeit geben, sich zu verteidigen.

    Bremkamp: Aber ist die internationale Luftwaffe nicht auch im Einsatz, um die Rebellen zu stärken? Reicht das also nicht aus, was da gerade passiert?

    Schockenhoff: Wir haben von Anfang an gesagt, dass man Gaddafi nicht aus der Luft neutralisieren kann. Das war jedem klar, der die Situation wirklich eingeschätzt hat, und das war auch die schwierige Abwägung bei der Resolution der Vereinten Nationen. Wir haben von Anfang an gesagt, es wird nicht bei Luftschlägen bleiben. Wenn man die Bevölkerung wirksam schützen will, dann muss das auch am Boden geschehen. Die Söldner-Truppen, die marodieren und morden in den Krankenhäusern, mit Artillerie in den Straßenzügen, sind nicht aus der Luft auszuschalten. Deswegen ist das nicht eine überraschende Entwicklung.

    Bremkamp: Also war die deutsche Enthaltung in New York Ihrer Meinung nach richtig?

    Schockenhoff: Es war eine sehr schwierige Abwägung. Die deutsche Enthaltung hat ja vor allem auch darauf beruht, dass es keinerlei Einigung darüber gab, wer denn die Operation führen soll und was die Operation für Ziele hat. Da sind wir Gott sei Dank in der NATO inzwischen einen Schritt weiter. Die NATO hat sich endlich nach viel zu langem Zögern dazu durchgerungen, die Führung zu übernehmen, beide Resolutionen, also das Waffenembargo und die Flugverbotszone, durchzusetzen. Deutschland hat das mit herbeigeführt, Deutschland unterstützt das und ist Teil dieser Einigung, die in der NATO jetzt endlich erzielt wurde.

    Bremkamp: Wer sollte die Waffen denn liefern Ihrer Ansicht nach?

    Schockenhoff: Das muss unter internationaler Aufsicht geschehen, und es muss vor allem unter internationaler Kontrolle geschehen. Wir wissen ja heute noch nicht, wer sich hinter den Rebellen wirklich verbirgt, ob das einheitliche Truppen sind, oder ob dort ganz unterschiedliche Interessen sind. Deswegen kann das nie einfach nur eine Waffenlieferung sein, sondern es braucht einen Dialog mit denen, die das libysche Volk vertreten wollen, und die müssen unter klaren Auflagen und mit klaren politischen Zielsetzungen in die Lage versetzt werden, die Bevölkerung zu schützen.

    Bremkamp: Sie sagen gerade, wir wissen gar nicht, wer sich hinter den Rebellen verbirgt, was das für Menschen sind. Wie soll denn so ein Prozedere ablaufen? Wer ist denn da der Ansprechpartner?

    Schockenhoff: Es muss jetzt unter denen, die sich gegen Gaddafi auflehnen, in Libyen ein geordnetes Verfahren geben, das abgesprochen ist, und dazu können sie internationale Unterstützung bekommen, vor allem humanitärer Art, aber auch im Aufbau der Infrastruktur, im Aufbau von humanitären Einrichtungen, Schulen und so weiter, bei Krankenhäusern. Aber internationale Hilfe muss daran gekoppelt sein, dass es in Libyen selbst einen Prozess der Transformation gibt. Der kann nicht von außen kommen. Die politische Neuordnung ist Sache der Libyer und kann nicht als Fremdbestimmung der früheren Kolonialmächte empfunden werden. Deswegen sind Lieferungen bis hin zu Waffenlieferungen gebunden daran, dass es einen Transformationsprozess, einen Dialogprozess zwischen den verschiedenen Gruppen der libyschen Oppositionellen gibt, die dann auch um internationale Hilfe bitten, um diesen Prozess zu begleiten.

    Bremkamp: Waffenlieferungen also noch nicht sofort, wenn ich Sie richtig verstehe?

    Schockenhoff: Waffenlieferungen vor allem nur unter bestimmten Auflagen. Waffenlieferungen sind nicht ein isoliertes Mittel, sondern sie können nur im Rahmen eines Gesamtprogrammes, eines politischen Prozesses zur Befreiung vom Diktator und vor allem zum Schutz der Zivilbevölkerung verantwortet werden.

    Bremkamp: Welche Rolle kann, muss, soll denn Deutschland in diesem von Ihnen angesprochenen Gesamtprogramm spielen?

    Schockenhoff: Deutschland wird bei der Aufbauhilfe helfen, Deutschland ist in den integrierten Führungsstäben der NATO. Bisher hat Deutschland gesagt, wir übernehmen mit den AWACS-Flugzeugen in Afghanistan mehr Verantwortung innerhalb der NATO, um andere zu entlasten, die auch in Libyen tätig sind. Wenn es zu einem späteren Zeitpunkt notwendig wird, dass Deutschland sich dort auch militärisch beteiligt, entsteht eine neue Situation. Bisher können wir das nicht tun, weil wir dafür kein Mandat des Deutschen Bundestages haben, deswegen stellt sich die Frage bisher nicht.

    Bremkamp: Aber, Herr Schockenhoff, klingt das ganze nicht etwas paradox? Jahrelang hat Deutschland Waffen in diesen Raum exportiert gegen Geld, jetzt will man quasi dem Gegner, den Rebellen Waffen schenken. Da ist doch ein Fragezeichen dabei?

    Schockenhoff: Nein. Es geht darum, um den Schutz der Bevölkerung, der in einer UN-Resolution ausdrücklich festgelegt ist. Natürlich hat sich die Situation geändert. Italien hat jahrelang Öl und Gas bezogen. Libyen ist der Hauptaktionär der größten italienischen Bank. Es ist doch ganz klar, dass es dort früher sehr enge, auch Wirtschaftsbeziehungen gegeben hat. Aber es ist eine völlig neue Situation, seitdem Gaddafi sein eigenes Volk umbringt, und deswegen muss man doch auf eine geänderte Situation auch reagieren. Man kann doch nicht einfach sagen, was wir früher gemacht haben, bleibt auf alle Zeit richtig. Auf eine geänderte Menschenrechtssituation, auf eine völlig geänderte völkerrechtliche Situation muss man doch politisch reagieren, das ist selbstverständlich und unsere Verpflichtung.

    Bremkamp: Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, war das. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.

    Schockenhoff: Bitte schön, Herr Bremkamp. Auf Wiederhören!