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CDU-Politiker Willsch
Flüchtlingspolitik nicht Erdogan und Tsipras überlassen

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch fordert in der Flüchtlingskrise ein bestimmteres Auftreten gegenüber der Türkei und Griechenland. "Wir müssen zeigen, dass wir selbst unsere Außengrenzen sichern können, dann hat man eine ganz andere Verhandlungsbasis", sagte er im DLF. Notfalls müssten die nationalen Grenzkontrollen aufrecht erhalten werden.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Mario Dobovisek | 14.12.2015
    Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch steht am Renderpult im Deutschen Bundestag.
    Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch im Bundestag (imago/Metodi Popow)
    Mario Dobovisek: Die Flüchtlingskrise spaltet die Union. Die CSU will Obergrenzen festlegen, die CDU dagegen weiter auf dem Kurs ihrer Kanzlerin segeln, zumindest weitestgehend, mit einem eilig, kurz vor Beginn des Parteitages gefundenen Kompromiss zur Flüchtlingspolitik. Er soll die Kritiker in den eigenen Reihen besänftigen und die der Schwesterpartei in Bayern mit Formulierungen wie "Überforderung" und "Zuzug" verringern. Aus Berlin zugeschaltet ist uns jetzt Klaus-Peter Willsch. Er ist Bundestagsabgeordneter der CDU und hat sich mehrfach kritisch über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung geäußert. Guten Tag, Herr Willsch!
    Klaus-Peter Willsch: Hallo, Herr Dobovisek.
    Dobovisek: Da ist die Messlatte schon mal da, die Messlatte Sigmar Gabriel mit 74 Prozent. 80 Prozent und mehr erwartet unser Korrespondent, wir haben es gerade gehört. Was erwarten Sie? Können Sie zustimmen?
    Willsch: Ich muss erst mal den Verlauf der Diskussion abwarten. Es ist auf jeden Fall gut gewesen, dass die Mittelstandsvereinigung, die Junge Union und die Kommunalpolitische Vereinigung da Druck gemacht haben. Es ist sehr viel in das Papier hineingekommen, das auf der Linie liegt. Es ist wichtig, dass wir anerkennen, wie die Menschen das aufnehmen. Es ist wichtig, dass wir anerkennen, dass es Grenzen der Aufnahmefähigkeit gibt. Wie so schön unser Bundespräsident gesagt hat: Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Diese Botschaft muss auch von diesem Parteitag ausgehen.
    Leitantrag: "Verschiebungen in der Nuancierung"
    Dobovisek: Nun kommt aber das Wort "Begrenzen" gar nicht vor. Es geht um "Verringern" oder "Reduzieren". Das meint doch was anderes.
    Willsch: Nun ja, das ist natürlich ein Streit dann um Worte, der vor allen Dingen auch Sie auf der Medienmacher-Seite interessiert, und auch diese Frage, wie viel Prozent werden das nun und wie lange wird geklatscht, wenn jemand spricht. Mir ist es wichtig, dass wir die Probleme, die wir im Land haben durch diese ungeregelte Situation, ernst nehmen und dass wir weitere Schritte ankündigen und dann auch umsetzen, die dazu führen, dass wir diese unerträglich hohe Zahl an Zuwanderung begrenzen.
    Dobovisek: Nun sagt die Kanzlerin, Ihre Parteichefin, auch der Leitantrag entspreche genau dem Konzept, das sie seit Monaten vertrete. Sehen Sie das anders?
    Willsch: Es ist ja gut, wenn wir alle einer Auffassung sind. Dann werden wir ja auch mutig und schnell vorankommen mit den notwendigen Maßnahmen.
    Dobovisek: Aber offensichtlich sehen Sie es ja anders, wenn Sie sagen, es gibt eine Korrektur.
    Willsch: Na ja. Es sind zumindest Verschiebungen in der Nuancierung, will ich mal sagen, und dass wir nach einem Anfangs-Hype, wo sich alle dran ergötzt haben, dass unheimlich viele neu zu uns kommen, nun auf die anderen Seiten dieser massiven Zuwanderung sehen und diese auch ernster in den Blick nehmen und darüber nachdenken, welche Maßnahmen es da braucht, das halte ich für normal.
    "Ungemütliches Gefühl" bezüglich Erdogan und Tsipras
    Dobovisek: Welche Maßnahmen braucht es?
    Willsch: Wir müssen natürlich die Außengrenzen im Schengen-Raum sichern und sofern das nicht gelingt, an unseren eigenen Grenzen die Kontrollen aufrecht erhalten. Es muss, wenn an der Grenze kontrolliert wird, natürlich auch zurückgewiesen werden. Sonst machen Kontrollen keinen Sinn. Und dass wir bei allen anderen Maßnahmen wie Beseitigung der Ursachen einen sehr langen Atem brauchen, das kann jeder leicht nachvollziehen, der mal einen Blick auf die Gefechtslage in Syrien wirft. Dass wir auch Erfolge haben, sehen wir an dem Thema sichere Drittstaaten. Wir haben lange gerungen mit der SPD zunächst und dann mussten wir auch die Grünen noch ins Boot kriegen für den Bundesrat, dass wir Albanien und Kosovo zu den sicheren Drittstaaten zählen. Da haben wir im ersten halben Jahr geschätzte 300.000 aus diesen Ländern bekommen. Nachdem die Klassifizierung als sicheres Drittland war, sind die Zahlen rapide runtergegangen und da kommen keine zwei Prozent mehr.
    Dobovisek: Ich möchte gerne, Herr Willsch, noch mal bei den Zahlen bleiben und vor allen Dingen bei den Zurückweisungen, wie Sie sagen, an den Außengrenzen. Wie soll das funktionieren mit einer Außengrenze, die keine Mauer, keinen Zaun hat?
    Willsch: Das geschieht ja zum Teil schon heute. Wer sich nicht als Asylbegehrender zu erkennen gibt, der wird zurückgeschickt. Ich war gerade an diesem Wochenende in Passau, um mir da auch mal persönlich einen Eindruck zu verschaffen, und je geringer die Zahl der Ankommenden ist, umso sorgfältiger kann natürlich unsere Bundespolizei auch dort die Verfahren durchführen, die dann wieder zu einem geregelten Verfahren zurückführen.
    Dobovisek: Ich sprach allerdings über die Außengrenzen der EU und Sie kommen gleich zu der bayerischen Außengrenze zurück, zur deutschen Außengrenze. Sehen Sie, dass Sie die Außengrenzen Europas schon gar nicht mehr so kontrollieren können, wie Sie es gerne hätten?
    Willsch: Es ist ja nicht umsonst Schengen ausgesetzt worden und eine Rückkehr zu Grenzkontrollen national, weil erkennbar ja die Außengrenzen-Kontrolle nicht funktioniert hat. Ich will Ihnen ganz offen sagen, dass ich auch mich ungemütlich fühle bei dem Gedanken, dass wir es Erdogan und Tsipras überlassen sollen festzulegen, wie viele zu uns kommen. Ich glaube, wir müssen schon zeigen, dass wir selbst unsere Außengrenzen sichern können, und dann hat man eine ganz andere Verhandlungsbasis.
    "Wir können nicht einfach Millionen und Millionen Jahr für Jahr bei uns aufnehmen"
    Dobovisek: "Spiegel Online" hat Sie vor vier Wochen in einem Bericht zitiert und darüber die Überschrift gesetzt "CDU-Abgeordneter stellt Merkels Kanzlerschaft infrage". Tun Sie das noch?
    Willsch: Das waren die Kollegen von der "Bild am Sonntag". "Spiegel Online" hat das übernommen. Ich habe in dem Interview gesagt: Wenn es uns nicht gelingt, diese Zahl erheblich zu reduzieren, dann werden die Bürger der Kanzlerin das Vertrauen entziehen. Das ist das, was ich gesagt habe. Aber wir sind ja jetzt, wie Sie sehen, heftig daran am Arbeiten, dass wir das alles hinkriegen.
    Dobovisek: Wie, meinen Sie, könnten die Bürger Angela Merkel das Vertrauen entziehen? Indem sie zur AfD überwandern?
    Willsch: Es wird das Problem natürlich in irgendeiner Weise gelöst werden, denn es ist einfach offenkundig, dass es eine Grenze der Belastbarkeit gibt, dass es Grenzen in der Integrationsfähigkeit gibt, dass es Grenzen im Wohnungsbau gibt, dass es Grenzen in vielfältigster Weise gibt. Wir können nicht einfach Millionen und Millionen Jahr für Jahr bei uns aufnehmen. Und wenn die Bürger das Gefühl bekommen, dass wir dieses Problem nicht lösen können, werden sie sich anderen zuwenden, natürlich.
    "Ich setze weiter auf eine starke CDU"
    Dobovisek: Sie haben vor einem Jahr noch oder im vergangenen Jahr gemeinsam mit Frau Steinbach, mit Ihrer Parteikollegin dafür plädiert, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Jetzt hat sich die AfD inzwischen zerlegt. Sehen Sie trotzdem noch eine Zusammenarbeit als den Schritt, um zu vermeiden, eine Abwanderung, eine Wählerabwanderung zu beobachten?
    Willsch: Bei der AfD, die müssen sich mal erst sortieren. Da weiß ja nun noch keiner so recht, wie die Strukturen sein werden. Ich beobachte das örtlich, was es da gibt an Kräften. Wir haben als nächstes ja erst mal eine Kommunalwahl zu bestehen in Hessen am 6. März. Da ist es momentan schwierig, irgendwelche Prognosen über die weitere Entwicklung dieser Partei zu machen, außer dass sie momentan natürlich demoskopisch Oberwasser hat.
    Dobovisek: Das bedeutet für die CSU und die CDU?
    Willsch: Nun, das müssen wir abwarten. Ich weiß nicht, woher die Zustimmung kommt, wie stark die Wähleraustausche da sein werden von dem einen zum anderen. Ich habe gewisse Vermutungen darüber, weil das Menschen auch in E-Mails an mich thematisieren, wenn ihr das nicht jetzt schnell löst, dann werden wir uns anderen zuwenden. Ich nehme das ernst und arbeite daran, dass wir es schnell lösen, und deshalb hoffe ich und setze weiter auf eine starke CDU.
    Dobovisek: Klaus-Peter Willsch, CDU-Abgeordneter im Bundestag, live vom Parteitag seiner Partei in Karlsruhe. Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.