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CDU und CSU
Die Verletzungen sind noch nicht verheilt

Nach einem Spitzentreffen mit der Schwesterpartei CDU macht die CSU eine Obergrenze für Flüchtlinge nicht mehr zur Bedingung für einen gemeinsamen Koalitionsvertrag. Das Thema soll erst nach der Bundestagswahl wieder auf den Tisch kommen. Aber so sehr Seehofer und Merkel inhaltlich Einigkeit demonstrieren – persönlich gelingt es ihnen nur selten.

Von Michael Watzke | 07.02.2017
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen am 06.02.2017 in München (Bayern) bei einer Pressekonferenz nach dem Spitzentreffen von CDU und CSU in der Parteizentrale.
    Die Parteispitzen von CDU und CSU kamen zusammen, um inhaltliche Schwerpunkte für den Bundestagswahlkampf abzustimmen. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen CDU und CSU betonten Merkel und Seehofer gleich zu Beginn ihrer Pressekonferenz. Seehofer: "Jetzt ist mein oberstes Ziel, dass wir die Wahl gewinnen!" / Merkel: "Wie wir die Wahl gewinnen, damit bin ich erstmal voll ausgefüllt!"
    Denn noch während die CDU-Vorsitzende und der CSU-Parteichef nebeneinander saßen, kam eine neue Umfrage heraus. Sie sieht die SPD zum ersten Mal seit fast zehn Jahren vor der Union. Dieser Schulz-Effekt überrascht die Union, ängstigt sie sogar – auch wenn Merkel und Seehofer nach außen Gelassenheit demonstrieren.
    Kanzlerin ändert ihre grundsätzliche Position nicht
    Merkel: "Ich habe bei jeder Bundestagswahl meine Herausforderer ernst genommen. Ihnen Respekt gezollt, und das gilt auch für die diesjährige Bundestagswahl." / Seehofer: "Wir haben eine vorzügliche Kanzlerin, national wie international. Und wir arbeiten an einem wirklich guten, den Menschen dienenden Zukunftsprogramm. Das ist entscheidend für den Wahlerfolg. Und dann haben wir noch den Willen zu kämpfen und zu siegen!"
    Die unvermeidliche Frage nach der Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr, die die CSU fordert, beantwortete die Kanzlerin, indem sie auf die CSU zuging, aber ihre grundsätzliche Position nicht veränderte: "Das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen. Wir haben inzwischen auch vieles getan, um zu ordnen, zu steuern, die Zahl der ankommenden Flüchtlinge auch zu reduzieren. Wir sind unterschiedlicher Meinung in der Frage der Obergrenze. Und insofern müssen wir mit der Situation umgehen. Aber eben gleichzeitig auch die vielen Gemeinsamkeiten zeigen, die es gibt."
    Übereinstimmung der CSU neuerdings sogar mit der SPD
    Horst Seehofer umschiffte das Problem der unterschiedlichen Auffassungen mit dem Hinweis auf die aktuelle Lage an den deutschen Grenzen. Derzeit kommen durchschnittlich 12.000 Flüchtlinge pro Monat nach Deutschland: "Das läge ja dann – aufs Jahr hochgerechnet – deutlich unter der Obergrenze. Insofern gehen wir da jetzt weiter pragmatisch ran. Wir haben unsere Zielsetzung, die lautet: keine Wiederholung des Jahres 2015. Ich bin sehr froh, dass wir in dieser Zielsetzung übereinstimmen."
    Übereinstimmung erzielt die CSU neuerdings sogar mit der SPD. Deren Fraktions-Chef Thomas Oppermann schließt sich der Forderung nach Asylzentren in Nordafrika an. Solche Lager, in die aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge gebracht werden sollen, fordern auch Bundesinnenminister de Maiziere und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Allerdings ärgern sich in der CSU viele darüber, dass Oppermann erst jetzt einlenke, nachdem die SPD Asylzentren in Nordafrika jahrelang bekämpft habe. Der Wahlkampf-Reflex ist da – die Union schließt die Reihen. Auch an der Spitze.
    "Bayern gehört ja immer noch zur Bundesrepublik"
    Aber so sehr Seehofer und Merkel den Eindruck erwecken wollen, inhaltlich ganz dicht beieinander zu liegen – persönlich gelingt es ihnen nur selten. Zu unterschiedlich sind die beiden, zu steif im Umgang mit dem jeweils anderen. Die Verletzungen aus einem Jahr gegeneinander sind noch nicht verheilt. Nur manchmal blitzten Merkels trockener Humor und Seehofers augenzwinkernder Schalk auf. Merkel: "Nun, Bayern gehört ja immer noch zur Bundesrepublik Deutschland." / Seehofer: "Was ich gerne bestätige - für den Augenblick!"
    Offen ist, ob das reicht, um dem Wähler in den kommenden Monaten glaubwürdig zu vermitteln, dass hier zwei Vorsitzende und zwei Parteien am selben Strang ziehen.