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CDU-Vize Laschet zur Saarlandwahl
"In NRW kann man Schulz an der Realität messen"

Der Sieg der CDU im Saarland habe gezeigt, dass man sich von Stimmungen nicht verrückt machen lassen dürfe, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet im DLF. Ob es einen Schulz-Effekt bei der SPD gebe, werde sich bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen zeigen. Dann werde man messen können, wie stark die SPD und wie stark die CDU sei.

Armin Laschet im Gespräch mit Dirk Müller | 27.03.2017
    Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet spricht am 20.02.2017 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) während einer Pressekonferenz.
    Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet. (picture alliance/dpa - Federico Gambarini)
    Dirk Müller: Die Christdemokraten gewinnen klar im Saarland, die SPD verliert sogar ein bisschen. Am Telefon ist nun CDU-Vizeparteichef Armin Laschet, zugleich Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, die in der zweiten Maihälfte anstehen. Guten Morgen!
    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Laschet, wussten Sie, dass der Schulz-Effekt zu Ihren Gunsten ausgeht?
    Laschet: Nein, das wusste ich nicht. Aber ich habe die ganzen letzten Wochen immer gerätselt, weil man ist ja selbst viel auch vor Ort unterwegs, führt viele Gespräche, kann das wirklich sein, dass dieser Effekt, der auf SPD-Parteitagen zieht, dass der auch wirklich die Wähler erreicht hat. Da waren viele unsicher und das Ergebnis jetzt im Saarland hat gezeigt: Nein, er hat die Wähler nicht erreicht. Im Gegenteil! Das Ergebnis an der Saar ist für die SPD schlechter als das mit dem Parteivorsitzenden Gabriel vor fünf Jahren.
    Müller: Jetzt möchte ich gerne journalistisch dagegen halten. Die Saarländer sind speziell, das gilt nicht für den Rest der Republik. Ist da was dran?
    "Man sollte sich nicht von Stimmungen verrückt machen lassen"
    Laschet: Na jedes Land ist speziell. Die Rheinländer und die Westfalen sind auch speziell und die Mecklenburger auch. Ich habe die letzten Tage vor der saarländischen Landtagswahl von Umfrageinstituten, auch von Kommentatoren und vielen anderen gelesen, es gebe ein Kopf-an-Kopf-Rennen, und das ist es nun wirklich nicht geworden. Man darf es nicht überbewerten, aber das, was man glaubt, was die Wirklichkeit ist, ist, wenn man dann genauer hinschaut, nicht immer so, und das ist beruhigend für alle, die jetzt in Wahlen gehen, dass man einfach für seine Inhalte kämpft und sich nicht von Stimmungen, von Umfragen, von dem, was an Hype herbeischreibt, verrückt machen lässt.
    Müller: Den Meinungsforschern werden Sie sich auch aus persönlichem Interesse in den nächsten Wochen und Monaten verweigern?
    Laschet: Nein, ich werde das nicht verweigern. Jeder Mensch liest die mit Spannung und wenn sie einem gefallen, freut man sich, und wenn sie einem nicht gefallen, dann sagt man, sie sind nicht wichtig. Aber wir haben doch hier an der Saar, was ja eher ein kleines Land ist, was 800.000 Wahlberechtigte hat, gesehen, dass selbst in einem solchen kleinen Land erstens die Meinungsinstitute völlig auseinander lagen. Die einen haben gesagt, das geht 37 zu 32 aus, und die anderen haben seit Wochen gesagt, es geht Kopf-an-Kopf, und es kam alles ganz anders. Und deshalb: Man muss für seine eigenen Inhalte antreten, dafür werben, und dann kann man auch so eine Wahl gewinnen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat genau das in den letzten Tagen quasi bis in die letzten Stunden hinein gemacht.
    "Der 14. Mai ist da ein wichtiges Datum"
    Müller: Reden wir über Stimmungen, Armin Laschet. Das ist ja meistens gefühlt, die Stimmung. Sie sind ein erfahrener Politiker, auch ein Realpolitiker. Wie stark ist die SPD wirklich?
    Laschet: Ja, das kann ich Ihnen nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sagen, wie stark sie dort ist. Wir haben den Vorteil, dass man in Nordrhein-Westfalen natürlich das, was der Kandidat Schulz auf den Parteitagen sagt, an der Realität messen kann. In Nordrhein-Westfalen gibt es ja keine Große Koalition. Da regiert die SPD ganz alleine, auch seit vielen Jahrzehnten, mit einer kurzen Unterbrechung, und hier ist nun die Bildungsarmut am größten. Hier ist die Armutsquote in den letzten Jahren gestiegen. Hier ist das Wirtschaftswachstum ganz hinten in Deutschland. Und wenn man das dann im Gegensatz zu den Reden setzt, dann, glaube ich, dann wird man am Ende messen können, wie stark ist die SPD, wie stark ist auch die CDU. Ich glaube, der 14. Mai ist da ein wichtiges Datum.
    Müller: Gestern, Herr Laschet, war ja viel vom Amtsinhaber-Bonus die Rede, vor allem dann speziell aufs Saarland bezogen. Das soll aber für alle Bundesländer gelten. Das soll gegebenenfalls auch für Angela Merkel gelten. Gilt das auch für Hannelore Kraft?
    "Die Erfolgsbilanzen der Amtsinhaber sind doch sehr unterschiedlich"
    Laschet: Natürlich haben Amtsinhaber einen Bonus. Aber sie haben vor allem dann einen Bonus, wenn ihr Land gut dasteht und wenn sie gute Ergebnisse vorzuweisen haben.
    Müller: Das Saarland ist aber auch nicht Silicon Valley.
    Laschet: Das ist wahr. Aber das Saarland hat beispielsweise 2015 ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent gehabt, war auch ein Kohle- und Stahlland, und Nordrhein-Westfalen hat null Prozent gehabt. Wir liegen bei fast all diesen Statistiken, ob das Bildung ist, Wirtschaft oder was auch immer, immer auf den letzten Plätzen. Dann gibt es riesige Probleme mit der inneren Sicherheit rund um den Innenminister Jäger. Sie berichten das ja auch täglich in unterschiedlichen Fällen. Und ich glaube, dass diese Themen und der Gegensatz zum Saarland; da gab es einen Innenminister, der eine hohe Anerkennung hatte, mit Herrn Bouillon. Die Unterschiede zwischen dem Saarland und Nordrhein-Westfalen und den Erfolgsbilanzen der Amtsinhaber sind doch sehr unterschiedlich.
    Müller: Gehen wir noch mal auf die Meinungsforscher zurück. Die AfD ist auf sechs Prozent gekommen. Immerhin ist das jetzt das elfte Bundesland. Das ist vielleicht weniger als die Partei erhofft hat. In Nordrhein-Westfalen werden mehr Prozentpunkte prognostiziert. Wie stark ist die AfD Konkurrenz für Ihre Partei?
    "Wenn man der AfD nach dem Mund redet, macht man sie stark"
    Laschet: Ich glaube, die AfD ist Konkurrenz für alle Parteien. Sie ist in Nordrhein-Westfalen besonders im Ruhrgebiet stark. Darauf konzentriert sie sich auch. Sie hat frühere SPD-Mitglieder, die jetzt als Direktkandidaten antreten. Aber ich glaube, es ist ein gutes Signal, dass sie erneut verloren hat, dass sie sich so langsam der Fünf-Prozent-Schwelle nähert, und da ist auch Annegret Kramp-Karrenbauer ein Vorbild. Sie hat klare Linie gezeigt pro Europa. Sie hat in der Flüchtlingskrise die Bundeskanzlerin unterstützt. Und ich glaube, wenn man da nicht wackelt und einen klaren Kurs hat, dann kann man am Ende auch die AfD besiegen. Wenn man denen nach dem Mund redet, dann macht man sie stark.
    Müller: Verloren hat die AfD ja nicht. Sie ist reingekommen mit sechs Prozent.
    Laschet: Ja, gut. Aber alle haben gesagt, die kriegt acht, neun, zehn, und jetzt ist sie froh, dass sie sich gerade über die Fünf-Prozent-Hürde gerettet hat. Ich glaube, auch in Nordrhein-Westfalen wird sie potenziell drin sein. Aber das, was man immer vorausgesagt hat, sie wird zweistellig, sie wird immer größer, sie gewinnt so langsam die westdeutschen Flächenländer, das, glaube ich, wird sich bei den nächsten Landtagswahlen zeigen, dass das nicht der Fall ist.
    Müller: Sie sagen, das geht zu Lasten der SPD. Aber, um jetzt über die CDU zu reden: Das heißt, es ist für Sie auch ganz klar, dass Sie an die AfD Stimmen verlieren, weil die CDU nicht mehr konservativ genug ist, nicht mehr rechte Positionen, nationalere Positionen vertritt?
    "Konservativ heißt nicht aus der Europäischen Union austreten wollen"
    Laschet: Die CDU ist seit ihrer Gründung, seit der Gründung durch Konrad Adenauer, durch Helmut Kohl immer eine europäische Partei gewesen. Aber sie hatte immer drei Wurzeln: eine christlich-soziale, eine liberale, einen starken Wirtschaftsflügel, und auch eine konservative. Aber konservativ heißt nicht nationalistisch sein, heißt nicht wie die AfD aus der Europäischen Union austreten wollen, sich mit Frau Le Pen und Herrn Wilders treffen zu wollen. Das hätten anständige Christdemokraten in den 70 Jahren nie gemacht und insofern gibt es Unterschiede zur AfD. Aber dass man konservative Werte auch betont, das ist etwas, was auch zur CDU dazugehört.
    Müller: Sind Sie ein Konservativer in der Partei?
    Laschet: Ja, das ist eine gute Frage. Die meisten würden sagen, nein, das ist er nicht. Aber wenn Sie christliche Werte hochhalten, wenn Sie für Familie einstehen, wenn Sie dafür einstehen, dass der Staat die Sicherheit zu gewährleisten hat und dass das die Hauptaufgabe des Staates ist, dann kann man das auch konservativ nennen.
    Müller: Gebührenfreie Kitas, gebührenfreie Unis fordert Martin Schulz, ist Familienpolitik. Machen Sie da mit?
    "Kurzfristig ist es aus einem Landeshaushalt nicht finanzierbar"
    Laschet: Das ist nun weder konservativ noch nicht konservativ, sondern das ist eine Frage, wie organisiert man das. Ich finde, in Nordrhein-Westfalen haben wir die wenigsten Plätze für unter Dreijährige aller deutschen Länder. 16. von 16. Da gibt es erst mal dort eine Menge in der Qualität aufzuholen, eh ein Landeshaushalt jetzt für ein Milliarden-Programm Kostenfreiheit herstellt.
    Müller: Also nicht finanzierbar?
    Laschet: Derzeit nicht, weil die Kitas uns schildern, bezahlt mal erst die Erzieherinnen besser, macht mal erst die Gruppen kleiner, guckt mal, dass die Trägerlandschaft, die bei uns eine sehr komplizierte ist, aus Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, dass die eine gute Ausstattung haben, und dann können wir über Kostenfreiheit reden. Mittelfristig finde ich das Ziel richtig. Kurzfristig, finde ich, ist es aus einem Landeshaushalt nicht finanzierbar. Wenn der Bund sich da engagiert, ist das eine andere Sache.
    Müller: Lohnungleichheit, auch ein Punkt von Martin Schulz, zwischen Männern und Frauen aufheben, waren Sie auch immer dafür. Machen Sie da jetzt noch mit im Bundestag, dass das noch realisiert wird bis zur Bundestagswahl, ganz klares Signal der CDU?
    "Wir sollten jetzt nicht ein halbes Jahr nur noch Wahlkampf machen"
    Laschet: Das steht ja im Koalitionsvertrag, dass man hier weiterarbeiten will. Das Kunststück ist ja meistens, wie macht man das denn, schafft man das durch neue Bürokratien, oder durch konkrete Maßnahmen. Und wenn man da etwas hinkriegt, wäre das sicher für ganz Deutschland gut.
    Müller: … sagen Sie im Konjunktiv. Das heißt, kriegen Sie noch was hin bis September, oder sind Sie da eher pessimistisch?
    Laschet: Ich kann das nicht wissen, wie hier die Verhandlungen der Bundestagsfraktionen laufen. Aber ich glaube, dass das, was im Koalitionsvertrag drinsteht, dass wir das auch jetzt umsetzen sollten und nicht, wie manche fordern, jetzt ein halbes Jahr nur noch Wahlkampf machen. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie ihre Arbeit macht, dass sie die Dinge, die sie verabredet hat im Koalitionsvertrag, umsetzt. Dann ist ab August/September noch Zeit für Wahlkampf genug. Die Bürger wollen nicht ein halbes Jahr Dauerwahlkampf.
    Müller: Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, war das ein Appell an Ihre Partei?
    "In der Politik geht es nicht nur um hehre Ziele"
    Laschet: An alle Parteien.
    Müller: Die SPD hat ja vorgelegt, Herr Laschet.
    Laschet: Was hat die vorgelegt?
    Müller: Ganz klar vorgelegt, wie es mit der Lohnungleichheit weitergehen soll, die Nivellierung der Lohnungleichheit. Da gibt es ja klare Vorstellungen der Familienministerin, ohne jetzt im Detail darauf einzugehen. Sie brauchen jetzt nur noch Ja sagen.
    Laschet: So einfach ist es eben nicht, Herr Müller. Wenn die Zielrichtung klar ist, kommt dann manchmal eine Ministerin und hat so viele Dinge da hineingeschrieben, die oft so bürokratisch sind, die so nicht funktionieren, dass man jetzt sagen muss, okay, unser Ziel ist das gleiche, aber wie können wir es umsetzen, und das ist das Schwierige ja in der Politik, nicht hehre Ziele zu formulieren, sondern sie am Ende so umzusetzen, dass Wettbewerbsfähigkeit bestehen bleibt, dass Ungerechtigkeit beseitigt wird und dass es möglichst für den, der mit dem Gesetz arbeiten muss, nicht immer alles noch bürokratischer wird, und darüber wird gerade verhandelt.
    Müller: Manager-Gehälter begrenzen – machen Sie auch mit?
    Laschet: Jetzt fragen Sie mich die ganze SPD-Palette ab.
    Müller: Ist ja der Vorschlag von Schulz. Und Sie sagen, wir machen alternative Politik.
    "Bei VW sitzen Sozialdemokraten an allen führenden Plätzen"
    Laschet: Ja, gut. Das ist der Vorschlag in der Tat von Schulz, und das Ärgernis, was man zum Beispiel nimmt, sind immer die Gehälter bei VW und die Boni, die man dort gezahlt hat. Nur das Problem ist: Dazu brauchen Sie eigentlich kein Gesetz, sondern da sitzen Sozialdemokraten an allen führenden Plätzen. Das haben Gewerkschaften mitbeschlossen, es hat das Land Niedersachsen mitbeschlossen. Da kriegt eine SPD-Staatssekretärin 13 Monate ein Gehalt in Millionenhöhe. Wenn man einfach mal da anfängt, wieder die Proportionen zurechtzurücken, ist das besser, als nun bis ins Detail als Staat vorzuschreiben, wieviel ein Unternehmen an Gehalt zahlt. Ich glaube, bei der Frage Manager-Gehälter wird man zu Lösungen kommen, die Auswüchse verhindern. Aber jeder muss sich auch selbst, da wo er entscheiden kann, an die eigene Nase packen.
    Müller: Armin Laschet heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk, CDU-Vize. Danke, dass Sie Zeit für uns gefunden haben. Einen schönen Tag noch in Berlin.
    Laschet: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.