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CDU zur EU-Urheberrechtsreform
„Wir wollen es ohne Upload-Filter hinbekommen“

Die CDU will die EU-Urheberrechtsreform so umsetzen, dass in Deutschland auf die gefürchteten Upload-Filter verzichtet werden kann. Das von der Partei vorgeschlagene Lizenz-Modell könne auch attraktiv für andere Länder sein, sagte Digitalpolitikerin Nadine Schön im Dlf.

Nadine Schön im Gespräch mit Jasper Barenberg | 27.03.2019
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Nadine Schön, spricht im Parlament hinter einem Rednerpult.
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Nadine Schön, will Upload-Filter vermieden (picture alliance /dpa /Michael Kappeler)
Jasper Barenberg: So erbittert Befürworter und Gegner zuletzt über die Urheberrechtsreform gestritten haben, so kategorisch fallen jetzt oft auch die Reaktionen auf beiden Seiten aus. Die einen posten Todesanzeigen für das freie Internet; die anderen feiern den Durchbruch für eine lebendige und vielfältige Kulturlandschaft in Europa.
In Deutschland richten sich jetzt alle Augen auf die Koalition, denn einerseits hat die Regierung der Reform schon einmal zugestimmt – wir haben es gehört -, andererseits sprechen sich SPD und auch Union gegen die absehbaren Folgen aus, etwa die heftig umstrittenen Upload-Filter. – Am Telefon ist jetzt die CDU-Politikerin Nadine Schön. Als Fraktionsvize im Bundestag verantwortet sie das Thema digitale Agenda. Schönen guten Morgen, Frau Schön.
Nadine Schön: Einen schönen guten Morgen.
Barenberg: Nach all den heftigen Protesten, nach der Kritik, nach den Protestmärschen und Petitionen, wie zufrieden können Sie eigentlich mit dem Abstimmungsergebnis gestern sein?
Schön: Na ja. Wir als Digitalpolitiker hatten uns ja auch schon früh in die Debatte auch auf europäischer Ebene eingeschaltet und Vorschläge gemacht, wie man Upload-Filter verhindern kann. Von daher ist das Ergebnis: Es liegt jetzt ein Ergebnis vor und das ist auch das Ergebnis von jahrelangen Verhandlungen.
Es gibt Leute, die sich darüber freuen, weil vor allem Nutzer, Künstler, Kreative, Urheber auch zu ihrem Recht kommen, weil die Plattformen erstmals auch in die Verantwortung genommen werden, die Milliarden-Gewinne, die sie mit Werbeeinnahmen erzielen, auch tatsächlich zu teilen und davon auch die profitieren zu lassen, die die Inhalte schaffen. Und wir wollen das national so umsetzen, dass das, wovor viele jetzt Angst haben, die Upload-Filter, dass das vermieden wird.
"Wer aber leiser war, waren die, die von der Reform profitieren"
Barenberg: Dazu kommen wir gleich. Aber zunächst noch mal zur Ausgangslage. Übernehmen Sie denn die politische Verantwortung für die so umstrittenen Upload-Filter?
Schön: Na ja. Die Upload-Filter sind jetzt nicht explizit gefordert in der Reform. Wir sagen, wir wollen es national so umsetzen, dass wir es ohne Upload-Filter hinbekommen. Die Proteste waren natürlich sehr laut von der einen Seite. Dem versuchen wir, genau mit unserem Modell entgegenzukommen.
Wer aber leiser war, waren diejenigen, die von der Reform profitieren. Und man möge sich vorstellen, die Reform wäre gestern gescheitert; dann wäre der gleiche Proteststurm losgegangen, allerdings wahrscheinlich von der Seite derjenigen, die jetzt zufrieden sind, dass diese Reform kommt. Deshalb hätte ein Scheitern der Reform zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht wirklich etwas gebracht, beziehungsweise neue Verhandlungen, da würde ich mal in Frage stellen, ob die zu einem gänzlich anderen Ergebnis geführt hätten. Jedenfalls wollen wir jetzt mit dem Ergebnis arbeiten.
Barenberg: Frau Schön, ich will Sie nicht unterbrechen, aber wollte nur einflechten, dass wir ein Gespräch hier im Deutschlandfunk mit dem Chef des Branchenverbandes für die Telekommunikationsbranche gehabt haben, mit der Bitkom. Und der hat gesagt, dass niemand eigentlich von den Anspruchsberechtigten wirklich jetzt von der Lösung profitieren wird. – Was antworten Sie ihm?
Schön: Na ja, da würde ich mal ein Fragezeichen dahinter machen. Wir haben ein Modell entwickelt, wo wir sagen, die Plattformen müssen die Werbeeinnahmen teilen – entweder über eine Pauschallizenz oder dadurch, dass sie Lizenzen abschließen. Damit kann der Urheber, der ein Werk schafft, auch das Werk mit seinem sogenannten Fingerprint versehen und dafür sorgen, dass die Plattform ihn fragt, ob er sein Werk vergütet haben will. Und natürlich profitiert dann der Urheber.
Da muss man jetzt auch eine kluge Umsetzung schaffen. Gestern gab es ja auch Demonstrationen vor dem Europäischen Parlament von Künstlern, von Kreativen, die sagen, das ist gut, dass die Plattformen jetzt auch ihre Werbeeinnahmen mit uns teilen müssen.
"Es sollen Lizenzen abgeschlossen werden"
Barenberg: Vielleicht noch mal zurück zu den Upload-Filtern. Ich habe das richtig verstanden: In Brüssel haben sich die Christdemokraten stark gemacht für eine Regel, die jetzt verabschiedet wurde, die Upload-Filter eigentlich unumgänglich macht, und jetzt wollen sie in Berlin dafür kämpfen, dass dies gar nicht erst geschieht. Wie passt das zusammen?
Schön: Na ja. In Brüssel sagt man, es sollen Lizenzen abgeschlossen werden. Worum sich jetzt der Streit dreht ist, ob alle Inhalte erst mal blockiert werden und dann hochgeladen werden, wenn klar ist, dass eine Lizenz da ist, oder ob man ein Modell findet, wo erst einmal alle Inhalte hochgeladen werden können und im Nachhinein dann abgeglichen wird, gibt es eine Lizenz, ist der Urheber bereit, eine Lizenz abzuschließen, oder gibt es noch eine Möglichkeit, das, was nicht ganz klar ist, was auch im Beitrag angeklungen ist, Parodieren, Zitate oder das berühmte Katzenvideo, wo im Hintergrund ein bekannter Song, ein urheberrechtlich geschützter Song läuft, dass man dafür eine zweite Lösung findet. Das haben wir entwickelt. Für diese Fälle wollen wir eine Pauschallizenz abschließen und damit kommt eigentlich jeder zu seinem Recht.
Barenberg: Ich verstehe nur nicht ganz, wenn die Lizenzen das Ziel sind und der Anspruch, den Sie haben, seien sie pauschal oder seien sie einzeln verhandelt, warum wurde dann eine Regel verabschiedet, die nach Auffassung vieler ja gar keine Option lässt, als technische Filter zu benutzen, um zunächst einmal viel rauszuschmeißen?
Schön: Als Digitalpolitiker haben wir das, was wir jetzt auch vorschlagen, schon sehr früh in die europäische Diskussion eingebracht. Das hat dort im Europäischen Parlament offensichtlich keine Mehrheit gefunden. Und man muss sehen, das ist auch ein Parlament. Da gibt es keine Bots, die abgestimmt haben, sondern das Europäische Parlament hat sehr bewusst diese Lösung gefunden.
Deshalb ist es jetzt in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, wie wir das auf nationaler Ebene klug umsetzen, und wir sind der Meinung, dass unser Vorschlag auch ein Modell für andere Staaten sein kann. Wir haben es gemeinsam mit unseren Rechtspolitikern entwickelt. Die sind der Meinung, das ist von der Richtlinie gedeckt, und deshalb sollten wir jetzt eher mal schauen, was kann man machen, als nur danach zu schauen, was kann man nicht machen. Das ist unsere Zusage und genau daran halten wir uns.
"Damit gehen wir jetzt auch auf den Koalitionspartner zu"
Barenberg: Das heißt, Sie sagen heute Morgen hier im Deutschlandfunk und versprechen und garantieren, es wird in Deutschland keine Upload-Filter geben?
Schön: Das ist unser Vorschlag. Damit gehen wir jetzt auch auf den Koalitionspartner zu. Wir wollen das so umsetzen, wie wir das vorgeschlagen haben, und damit hätten wir allen Seiten im Prinzip Rechnung getragen. Die Plattformen hätten Rechtssicherheit. Vor allem hätten die Nutzer Rechtssicherheit.
Bisher hat ja jeder Nutzer, der einen Inhalt hochlädt, eine große Rechtsunsicherheit, weil er nie weiß, wird er vielleicht verklagt. Das löst ja die Reform dadurch, dass die Plattformen haftbar sind und der Nutzer Inhalte hochladen kann. Deshalb sind wir der Meinung, dass man es so umsetzen kann, dass tatsächlich auch alle profitieren.
Barenberg: Was nützt eine nationale Lösung für dieses Problem, wenn wir es mit einem weltweiten Phänomen zu tun haben?
Ein Modell für Europa?
Schön: Das ist generell das Problem bei der Plattform-Ökonomie und auch im digitalen Zeitalter, dass man im Prinzip für alles eine globale Lösung bräuchte. Das ist relativ unrealistisch. Deshalb muss man gucken, was kann man europäisch lösen, was kann man national lösen. Die europäische Richtlinie gibt den Rahmen.
Wir schlagen für die nationale Umsetzung ein Modell vor und wir sind der Meinung, dass das auch attraktiv ist für andere nationale Staaten, so dass wir uns vorstellen können, dass das zum "role model" für Europa werden kann, für andere nationale Staaten. Aber das haben wir immer bei Richtlinien. Die geben nur den Rahmen vor und es muss national umgesetzt werden.
Barenberg: Wir haben es vielfach angesprochen. Die Kritik war heftig und sie bleibt ja auch für den Moment. Es gibt die grundsätzliche Sorge, dass es Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Vielfalt im Netz geben könnte. Da ist ein Riss jetzt aufgetan. Wie wollen Sie den gerade auch mit Blick auf die europäischen Wahlen kitten?
Schön: Es ist unglaublich wichtig, dass wir noch mal zur Sachlichkeit zurückkommen. Die Diskussion hat ja von allen Seiten in den letzten Tagen Dimensionen entwickelt, die wirklich einer guten demokratischen Diskussion in keinster Weise gerecht werden. Deshalb ist es wichtig, dass jetzt alle noch mal zur Ruhe kommen und man dann sachlich darüber nachdenkt, wie kann man das auch national umsetzen, wie gehen wir damit um, und vielleicht auch mal aufarbeitet, wo sind denn überhaupt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Positionen, das aber auf sachlicher Basis. Am Schluss wurde das Ganze ja nur noch emotional und mit persönlichen Angriffen geführt, und das ist eine demokratische Debattenkultur, wie ich mir das nicht vorstelle.
Ich war gestern in einer Schule, habe mit den Schülern sehr sachlich über das Thema diskutiert, und dann kommt man auch zu guten Ergebnissen. Wir als Digitalpolitiker bieten das auch immer an, weil wir glauben, dass wir auch die Befindlichkeiten und die Wünsche, die gerade die junge Generation hat, besser verstehen als der eine oder andere, der schon seit vielen, vielen Jahren Rechtspolitik zum Beispiel macht.
Deswegen gilt es, hier auch offen zu sein, zu hören, was sind denn die Wünsche, die Sorgen, die jetzt geäußert werden, und das bei künftigen sowohl nationalen als auch europäischen Regelungen von Anfang an besser in die Debatte mit einfließen zu lassen.