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CERN-Physiker
Antiwasserstoff scheint neutral zu sein

Gut fünf Jahre ist es her, da gelang Forschern am CERN in Genf etwas Bemerkenswertes: Erstmals konnten sie Antiwasserstoffatome herstellen und in einem Magnetkäfig speichern. Damals kündigten die Forscher an, den Antiwasserstoff genau unter die Lupe zu nehmen - mit der Hoffnung, unerwartete Abweichungen in seinem Verhalten zu finden. Im Fachmagazin "Nature" präsentieren sie die ersten Resultate dieser Messungen.

Von Frank Grotelüschen | 21.01.2016
    Beleuchteter Schriftzug "Cern" an einer dunklen Wand, rechts im Vordergrund der Schatten einer Person, die den Schriftzug fotografiert
    Cern Schweiz (FABRICE COFFRINI / AFP)
    Bild und Spiegelbild. So in etwa lässt sich das Verhältnis von Materie und Antimaterie beschreiben. An sich nämlich besitzt ein Antiteilchen dieselben Eigenschaften wie ein Teilchen - nur mit umgekehrten Vorzeichen: So ist ein Elektron elektrisch negativ geladen. Sein Spiegelteilchen aus der Antiwelt - das Positron - ist dagegen positiv. Physikern wie Jeffrey Hangst gibt das einige Rätsel auf, denn "im Prinzip sind beide Formen möglich. Doch im All scheint es ausschließlich Materie zu geben. Bei uns auf der Erde ist alles aus Materie, ebenso in den Teilen des Universums, die wir beobachten können."
    Und das ist auch gut so. Denn man kann nicht behaupten, dass sich Materie und Antimaterie gut vertragen würden. "Treffen Antimaterie und Materie aufeinander, vernichten sie sich gegenseitig. Sie können nicht koexistieren."
    Unterschiede im Verhalten von Atomen und Antiatomen
    Nun sind sich die Physiker aber sicher, dass beim Urknall vor knapp 14 Milliarden Jahren exakt so viel Materie wie Antimaterie entstanden war. Laut Lehrbuch hätte sich rasch alles wieder gegenseitig vernichten müssen. Doch es kam anders: Zwar verschwand die Antimaterie. Doch es blieb genug Materie übrig, um Abermilliarden Sterne zu formen, ungezählte Planeten - und auch das eine oder andere Lebewesen. "Dieses Rätsel hat unsere Arbeit motiviert: Was hat die Natur dazu bewogen, die Materie gegenüber der Antimaterie zu bevorzugen?"
    Vielleicht, vermutet Jeffrey Hangst, gibt es ja feinste Unterschiede im Verhalten von Atomen und Antiatomen. Solche Unterschiede könnten einen Fingerzeig geben, warum die Antimaterie so sang- und klanglos verschwand. Nur: Um sie zu finden, muss man etwas höchst Schwieriges bewältigen. Man muss Antiatome herstellen, speichern und unter die Lupe nehmen. Hangst und seine Leute versuchen es in ihrem Versuchsaufbau namens ALPHA mit der einfachsten aller Atomsorten - mit Antiwasserstoff.
    "Dazu muss man erst mal die beiden Bestandteile herstellen: einen Antikern, das sogenannte Antiproton, und ein Antielektron, das Positron. Dafür braucht man große Teilchenbeschleuniger, wie es sie hier am CERN gibt. Damit lassen sich die Antiprotonen erzeugen, und zwar in einem technisch höchst komplizierten Prozess."
    Positronen und Antiprotonen
    Höchst kompliziert ist es aber auch, Positronen und Antiprotonen zu einem Atom zu verheiraten. Das gelingt nur durch starke Magnetfelder und ausgefeilte Kühlmethoden. Nur: Sind diese Antiwasserstoffatome, die die CERN-Physiker mittlerweile wie am Fließband erzeugen können, elektrisch neutral, ebenso wie gewöhnlicher Wasserstoff?
    "Um das herauszufinden, haben wir Antiwasserstoffatome in einem Magnetkäfig eingefangen. Dann haben wir versucht, ihnen einen Kick zu geben, und zwar mit elektrischen Feldern. Wären die Antiatome geladen und nicht neutral, hätten sie auf den Kick reagiert und wären aus der Falle geflogen. Doch das haben sie nicht gemacht. Sie haben die elektrischen Schubser einfach ignoriert."
    Antiwasserstoff scheint also tatsächlich neutral zu sein - zumindest mit einer Genauigkeit von 1 zu einer Milliarde. Doch es geht noch präziser, meinen die Forscher, und wollen in den nächsten Jahren noch genauer hinschauen. Und vielleicht stoßen sie dabei ja doch noch auf eine verräterische Abweichung von der Lehrmeinung - ein Indiz, mit dem sich das Rätsel der verschwundenen Antimaterie ein wenig lüften ließe.