Freitag, 19. April 2024

Archiv

Akademische Leistungen
Neues Programm will Wissen messbar machen

Was müssen Studierende für ihr Studium wissen? Bisher ist das wissenschaftlich noch nicht messbar. Das Bundesforschungsministerium will das ändern und finanziert ein Programm, das die erforderichen Kompetenzen definieren und das Erlernen dieser Kompetenzen messbar machen soll.

Von Philip Banse | 05.04.2016
    Eine Studentin der Schulpädagogik schreibt am 17.10.2012 während einer Vorlesung in einem vollen Hörsaal in der Universität in Tübingen (Baden-Württemberg) mit.
    Ein neues Programm des Bundesforschungsministeriums soll ermitteln, welche Kompetenzen Studierende haben sollten. (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Wie wird eigentlich überprüft, ob Studierende lernen, was sie lernen sollen? So viele Fragezeichen es da noch gibt, sagt Hans Anand Pant, Bildungsforscher von der HU Berlin, eines ist klar: Die Noten, die an Hochschulen vergebenen werden? Können wir komplett vergessen.
    "Das würde ich unterschreiben. Und ich würde es jeder Zeit mit vielen Untersuchungen unterlegen, dass Noten in der Regel ein ganz schlechtes Messinstrument sind für wirkliche Fähigkeiten."
    Denn Noten haben viel zu viel Funktionen, die mit Wissen nichts zu tun haben: Dozenten wollen gut dastehen, Dekane wollen Prestige und wenig Abbrecher, die Hochschulleitung will gute Rankings.
    "In dem Moment wollen alle das eine: gut nach Außen dastehen. Und dieses Problem führt dazu, dass Noten inflationär gegeben werden, immer mehr gute Noten, ein immer kleinerer Bereich von Noten."
    Wissen definieren
    Um studentische Fähigkeiten und Kompetenzen wirklich messen zu können, müssen die Forscher um Hans Anand Pant erst einmal definieren: Was müssen Studierende denn genau lernen? Bei vielen Studiengängen in Deutschland frage er sich:
    "Was wollen die eigentlich beibringen?"
    Bildungsforscher Pant nennt ein Beispiel für einen Ausbildungsinhalt, der auf den ersten Blick klar definiert schein, aber eben nur auf den ersten Blick:
    "Wenn ich zum Beispiel sage, ich möchte Leute ausbilden, die mit Daten umgehen können, die evaluationskompetent sind – Lehrer müssen immer bewerten, müssen evaluieren – dann wissen viele gar nicht: Was verstehe ich darunter eigentlich? Und dann ist unsere Fußarbeit, das theoretisch auseinanderzusetzen, was meinen wir damit? Das abzugrenzen von anderen Sachen und dann zu gucken: Wie kann ich das, was ich meine abgegrenzt zu haben, gut erfassen?"
    Kompetenzen schon vor dem Studium erfassen
    Die Erfassung studentischer Kompetenzen müsse schon vor dem Studium beginnen, sagt Olga Troitschanskaia von der Uni Mainz, die gemeinsam mit Pant das Forschungsprojekt koordiniert. Ihre Forschungen hätten gezeigt: Die Studienleistung hänge signifikant davon ab, mit welchen Kenntnissen Studierende das Studium beginnen.
    Und wenn fast die Hälfte eines Jahrgangs studiere, werde die Spanne der Fähigkeiten bei Studienanfängern immer größer. Um den Studienerfolg zu verbessern, müssten Studierende individuell gefördert werden:
    "Und da geht es in der Tat darum, dass man mithilfe von unserem Test solche Aussagen gewinnen kann und dementsprechend auch passgenaue Lehr-Angebote bieten kann."
    Zwar gibt es schon heute Brückenkurse und Vorkurse, um Studienanfänger fit zu machen etwa fürs Ingenieur-Studium. Ihre Untersuchungen an 20 Hochschulen hätten aber Erstaunliches gezeigt, sagt Olga Troitschanskaia:
    "Man hat gesehen, dass Vorkurse in Mathematik so gut wie gar nichts bringen, mal überspitzt formuliert, dafür aber die Vorkurse in Physik entscheidend sind dafür, dass die Studierenden erfolgreich sind und zumindest nicht abbrechen.
    "Und warum funktioniert Mathe nicht, aber Physik?"
    "Ja, das ist eine gute Frage. Das können wir dann in der zweiten Phase vielleicht beantworten. Das ist in der Tat genau die Frage, um die es uns geht, zu sehen, welche Angebote welche Kompetenzen eben fördern und welche nicht."
    Eine komplexe Aufgabe
    Doch belastbare Tests zu entwickeln ist komplex. Hundertausende Studierende, 4000 Studiengänge, ungezählte Kompetenzen müssen zielsicher getestet werden. Doch selbst wenn es den 220 Forschern in ihren 70 Projekten gelingen sollte Kompetenzen zu definieren und diese mit Tests verlässlich abzufragen – Bildungsforscher Pant ist skeptisch, dass Tests, die wirklich Wissen prüfen, in den Hochschulen akzeptiert werden:
    "Das ganze System, vom Studierenden, bis zur Lehrkraft, bis zum Dekan und der Universitätsleistung ist nicht wirklich daran interessiert zu erfahren, was man wirklich beibringt, was man im Universitätsverlauf lernt. Alle haben das Ziel, möglichst gut dazustehen."
    Sprich: gute Noten zu verteilen. Um aussagekräftige Tests durchzusetzen, sagt Pant, bräuchte es externen Druck und externe Kontrolle.