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Chaos am Saturn

Astronomie.- Seit fünf Jahren kreist die Raumsonde Cassini um den Saturn. Die dauerhafte Überwachung des Planeten liefert immer wieder überraschende Entdeckungen. Auf der Europäischen Planetentagung in Potsdam wurden neue Messungen der Saturnringe vorgestellt.

Von Dirk Lorenzen | 21.09.2009
    Larry Esposito arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Team der Raumsonde Cassini. Der Forscher vom renommierten Labor für Atmosphären- und Weltraumphysik an der Universität von Colorado in Boulder ist mit allen Wassern gewaschen. Doch die Daten, die sein Ultraviolett-Spektrograph Uvis an Bord von Cassini zur Erde funkt, haben selbst ihn völlig überrascht:

    "Wann immer die Forscher die Ringe ansehen, erscheinen sie dynamischer und immer stärker verändert – und das nicht nur verglichen mit den 30 Jahre alten Aufnahmen der Voyagersonden, sondern auch innerhalb der ersten fünf Jahre der Cassini-Mission",

    erklärt Larry Esposito strahlend.

    "Das ist sehr überraschend. Denn die Ringe umgeben Saturn seit viereinhalb Milliarden Jahren. Da hatten wir derart kurzfristige Veränderungen nicht erwartet. Wir haben mit Sternen, die von der Raumsonde aus gesehen genau hinter den Ringen entlang gelaufen sind, die Ringe geradezu durchleuchtet. Dabei zeigte sich an manchen Stellen plötzlich doppelt so viel Material wie noch kurz zuvor. In den staubigen Ringen bilden sich regelrecht Staubklumpen und kleine Monde von etwa einem Kilometer Größe. Das scheint alles ziemlich chaotisch und nicht vorhersehbar zu geschehen."

    Offenbar sorgen die etwas größeren Monde, die Saturn umkreisen, mit ihrer Anziehungskraft für ordentlich Unruhe in den Ringen, die aus Myriaden von Eis- und Staubteilchen bestehen. Die größten Brocken in den Ringen erreichen Ausmaße von einigen Metern. Von der Anziehungskraft der Monde in der Nähe immer wieder in ihrer Bahn gestört, stauen sich die Teilchen gelegentlich, verklumpen, bilden kleine Monde und lösen sich nach einiger Zeit wieder auf. Larry Esposito und sein Team kann nur zusehen und staunen.

    "Wir hätten gerne eine Erklärung, mit der wir das weitere Verhalten der Ringe vorhersagen können. Aber es scheint dort ähnlich unvorhersehbar wie beim Wetter zuzugehen. Diese Dynamik in den Ringen hat uns völlig überwältigt. Denn dieser Befund ist auch für andere Scheiben im Kosmos bedeutend, etwa die Staubscheiben, die ferne Sterne umgeben und aus denen Planeten entstehen. Auch dort könnten Planeten die Entstehung von anderen Planeten anregen."

    Die Messgeräte an Bord von Cassini zeigen noch Details in den Ringen bis hinab zu gerade einmal zehn Metern Größe. Die veränderten Strukturen am Rand der Ringe sind bis zu zwei Kilometer groß. Somit verfolgen die Forscher vom Logenplatz aus, wie sich die Eis- und Staubteilchen in den Ringen auf geheimnisvolle Weise verklumpen, etwas aus der Ringebene heraus bewegen, zurücksinken und so weiter.

    "In den fünf Jahren wurden die Ringe immer detailreicher, es gab mehr Klumpen und so weiter. Wir vermuten, dass diese Veränderungen irgendwie kommen und gehen. Aber das wissen wir noch nicht genau. Jetzt haben wir beantragt, dass Cassini noch acht weitere Jahre den Saturn umkreisen und die Veränderungen erforschen wird. Vielleicht erleben wir dann, dass sich dieser Trend umkehrt."

    Cassini, mit mehr als einer Milliarde Dollar eine der teuersten aber auch erfolgreichsten Planetensonden, könnte zum himmlischen Dauerbrenner werden: Die Systeme an Bord funktionieren bestens, Strom und Treibstoff sind auch noch genügend da. Die Sonde könnte den Geheimnissen der Saturnringe noch lange nachspüren – sofern die Nasa weiterhin ausreichend Geld für die Mission bekommt.