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Chaotische Handlung

Franz Schrekers letzte Oper "Der Schmied von Gent" gilt bis heute als eine Rarität. Die Oper Chemnitz bemüht sich derzeit, solche musikalischen Seltenheiten wiederzuentdecken - und landet mit Schrekers Werk leider keinen Treffer.

Von Jörn Florian Fuchs | 31.01.2010
    Man muss jetzt einfach mal die mitteldeutsche Opernprovinz loben. Es ist wirklich toll, was die Häuser in Chemnitz, Gera oder Plauen so alles auf die Beine stellen. Statt nur auf einschlägige Publikumsrenner setzen die Intendanten immer wieder Raritäten oder gar Uraufführungen auf den Spielplan, bisweilen ohne Rücksicht auf die Entdecker-Lust des (Abo)Publikums.

    In Chemnitz ließ man sich in der jüngeren Vergangenheit besonders viel einfallen, eine deutsche Opern-Erstaufführung des Ungarn Peter Eötvös' war so erfolgreich, dass man Zusatzvorstellungen anbieten musste. Auch Hans Pfitzners Rarität "Die Rose vom Liebesgarten" sorgte für Aufmerksamkeit und zog sogar Enthusiasten aus Übersee an.

    Und jetzt fuhr die Kulturwelt wieder nach Chemnitz, denn es galt, Franz Schrekers Zauberoper "Der Schmied von Gent" wieder zu entdecken. Ganz verschollen war das Werk zwar nicht, aber irgendwie machte die Schreker-Renaissance der vergangenen Jahre um den "Schmied" einen großen Bogen. Immerhin weiß man jetzt warum. Schrekers letztes Musiktheater ist ein eigenwilliger Zwitter, sowohl was den Inhalt wie die Form betrifft.

    Zwischen Tragik, Komik und groteskem Humor changiert das Libretto, Schreker nahm einen flämischen Stoff von Charles de Coster als Grundlage. Im Gent des 16. Jahrhunderts gerät der etwas unbedarfte, aber grundgütige Schmied Smee in heftige Konflikte mit seinem Konkurrenten Slimbroek, er verliert seine Schmiede und bekommt sie nur durch einen Teufelspakt zurück. Nach sieben Jahren müsste er eigentlich zur Hölle fahren, aber weil er einer Not leidenden Familie half, ist der Weg zur Gnade geebnet. Es war übrigens die Heilige Familie: Maria, Joseph und das Jesuskind. Durch die gute Tat gleichsam magisch gestärkt, trickst Smee nun zuerst (s)einen Henker aus, dann den Blutherzog Alba sowie eine hautkranke, aber dennoch recht erotische Teufelin. Zu guter Letzt eröffnet er eine Trinkhalle vor der Paradiespforte und nun erbarmt sich der ob des Trubels sehr genervte Petrus und lässt ihn ein.

    So chaotisch die Handlung, so wirr eklektizistisch klingt Schrekers Musik. Einerseits zitiert und parodiert er diverse klassische Formen, anderseits bedient er sich auch bei eigenen Werken. Das hat seinen Reiz vor allem in den saftigen Orchesterzwischenspielen, die sich anfangs fast gar nicht, am Ende des dreieinhalbstündigen Abends aber dann sehr ausgedehnt finden. Besonders gern verknüpft Schreker kleinteilige rhythmische Figuren mit recht flächigen Klängen, die Gesangslinien sind in einem lyrischen Stil gehalten, der sich manchmal der gesprochenen Sprache annähert. Hinzu kommen Volkslieder. Im Ganzen zerfällt die Partitur aber in eine Fülle von Einzelmomenten, es gibt zu wenig dramatische Kraft oder Motive, die einen dramaturgischen Zusammenhang generieren könnten.

    Leider dirigierte Frank Beermann in Chemnitz die Robert-Schumann-Philharmonie mit ziemlich viel Slow Motion. Bei den Sängern konnte nur Oliver Zwarg in der Titelpartie vollauf überzeugen, recht ordentlich noch Edward Randall als Slimbroek oder Martin Gäbler als Herzog Alba. Smees Gattin hingegen intonierte Undine Dreißig mit stupender Genauigkeit immer knapp am Orchester vorbei.

    Regisseur Ansgar Weigner kümmerte sich wenig um den historischen Hintergrund und schuf eine sehr gediegene Bildwelt mit allerlei historisierenden Kostümen und manch technischem Schnickschnack. Da fallen virtuelle Hämmer vom Bühnenhimmel, Mond und Sterne blinken, die Protagonisten aber stehen oder sitzen meist hilflos herum. Ganz am Ende erklimmt Smee eine Himmelsleiter und wird von einem herausgeputzten Chor begrüßt, der Schrekers hier sehr deutliche Anleihen bei Wagners "Meistersingern" zum Besten gibt.

    Eine Grundidee der Inszenierung ist nicht uninteressant, wurde aber letztlich nicht wirklich ausgearbeitet: der Schmied geht immer wieder in ein Kompositionsstübchen und singt oder dirigiert von dort aus Teile der Partitur mit. Über diese Verknüpfung des Schmieds Smee mit dem Klangschmied Schreker hätte man durchaus gern Näheres erfahren.