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Chauffeur unter der Haube

Technik. - Es klingt nach dem Albtraum des Taxi-Gewerbes: ein Auto, das ganz ohne Fahrer sein Ziel erreicht. Dieser Vision sind Ingenieure der Universität Braunschweig wieder einen Schritt näher gekommen - mit dem Prototypen "Caroline".

Von Michael Engel | 22.01.2007
    Im Labor für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Braunschweig wird kräftig geschraubt, gefräst und montiert. Fünf Institute beteiligen sich daran, "Caroline" – einen VW Passat - mit Hilfe von Radarsensoren und Rechnern in ein autonom fahrendes Automobil zu verwandeln. Professor Thomas Form leitet das Projekt:

    "Wir können dieses Fahrzeug, in dem wir drin sitzen, voll über die Elektronik steuern. Das heißt, wir können Gas geben, wir können schalten, wir können bremsen, wir können lenken, alles über Computer. Damit im Falle eines Falles, keine Software ist von Anfang an perfekt, wir diesen Versuch jederzeit abbrechen können, finden Sie hier an verschiedensten Stellen außen und innen im Fahrzeug einen Notausschalter, der die Kontrolle wieder dem Fahrer übergibt."

    "Caroline" ist gespickt mit Elektronik. Ein GPS-Gerät vermittelt dem Zentralrechner im Kofferraum des Fahrzeugs die Position auf den Zentimeter genau. Durch den Abgleich mit einer digitalen Straßenkarte weiß das Auto, wo es sich befindet und wie es lenken muss. Um weitere Informationen über die unmittelbare Umgebung wie parkende Autos, Bordsteine, Verkehrsschilder, Ampelanlagen oder Gegenstände auf der Fahrbahn zu erhalten, befinden sich zusätzlich Radarsensoren, Kameras und verschiedene Laserscanner an Bord.

    "Die haben die Aufgabe bei uns jetzt hier, Objekte auf der Straße zu erkennen – bis zu einer Entfernung von vielleicht hundert Metern – in verschiedenen Höhen. Das heißt, der Laserscanner tastet in verschiedenen Ebenen rund um das Fahrzeug ab, und kann dann anhand der Reflexionen erkennen, ok, hier ist ein Hindernis in der und der Entfernung, in dem und dem Winkel vom Fahrzeug. Wie ein optisches Radar."

    Das Auto kann eigenständig einparken und berücksichtigt dabei auch andere Fahrzeuge, die gerade vorbeifahren. Ampelschaltungen werden von der Software nicht erkannt – aber das ist für die bevorstehende Wettfahrt auch nicht erforderlich. Die Herausforderungen sind groß, urteilt Jörn Marten Wille, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Regelungstechnik. Und nicht immer klappt alles auf Anhieb.

    "Ach ja, ganz interessant war am Anfang mal, dass das Fahrzeug am Anfang mal drehen wollte, und wir gar nicht nachvollziehen konnten, warum es denn jetzt einen vollen Lenkeinschlag machte und drehen wollte, da war das Fahrzeug mal schlauer als wir. Denn es ging einfach davon aus, dass es gerade falsch rum stand, was wir dem Fahrzeug auch mitgeteilt hatten, aber wir hatten das gerade selbst in diesem Moment übersehen, und so hatten wir unseren Spaß damit, dass das Fahrzeug immer drehen wollte, was ja auch richtig war, es wollte eben in die andere Richtung fahren."

    Das größte Problem ist die so genannte "Sensordatenfusion", das heißt, die Zusammenführung und Bewertung eingehender Daten durch den Computer, die von Radar und Laser, von Kameras und GPS kommen. Sechs Schuhkarton große Rechner im Kofferraum des Fahrzeugs haben die Aufgabe, zum Beispiel fahrende von stehenden Autos zu unterscheiden und immer die richtigen Schlüsse zu ziehen, damit der Kombi nach den Straßenverkehrsregeln fährt."

    Wenn Caroline kurz hupt und das gelbe Dauer-Blinklicht auf dem Dach angeht, dann fährt das Auto im "autonomen Modus". Und dann heißt es: Achtung! Denn: Noch sind solche Systeme weit davon entfernt, Fußgänger in das Kalkül miteinzubeziehen. Ein bis zwei Jahrzehnte – so Professor Thomas Form – werden wohl noch ins Land gehen müssen, bis autonom fahrende Autos sicher durch die Stadt lenken:

    "Wenn das Fahrzeug den situativen Kontext erkennen kann, dann bieten sich im Prinzip diese zwei Pfade. Der eine Pfad wäre Richtung autonomes Fahren, was natürlich gerade für kommerzielle Nutzung – Güterverkehr, Frachten, Personentransport – interessant ist. Die andere Richtung ist im Bereich Fahrerunterstützung, Fahrerassistenzsysteme, um dem Fahrer dann in geeigneter Weise zu unterstützen, zu informieren oder auch im Notfall einzugreifen.

    Bis Ende des Jahres, wenn das fahrerlose Autorennen in den USA - die DARPA Urban Challenge 2007 - startet, ist viel zu tun. Noch immer ruckelt Caroline beim Fahren, auch die Präzision beim Lenken lässt zu wünschen übrig. Das Rennen soll auf einem abgelegenen Kasernengelände stattfinden, mit einem Straßennetz wie in der Stadt, aber ohne Fußgänger. Gefahren wird gegen die Zeit. Wer die 60 Meilen am schnellsten absolviert, ohne gegen Verkehrsregeln zu verstoßen, ist Sieger und darf zwei Millionen Dollar mit nach Hause nehmen.