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Gefährliche Erreger
Viren im Grundwasser unter afrikanischen Slums

Weltweit haben Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Den Bewohnern vieler Slums in Afrika bleibt nur die Möglichkeit, das Grundwasser so zu nutzen, wie es aus dem Boden kommt. Und dieses Wasser ist oft kontaminiert - unter anderem mit großen Mengen an gefährlichen Viren.

Von Dagmar Röhrlich | 11.04.2019
Frauen füllen an einer öffentlichen Trinkwasserversorgung in Quelimane, Mosambik, ihre Wasserkanister wieder auf
Frauen füllen an einer öffentlichen Trinkwasserversorgung in Quelimane, Mosambik, ihre Wasserkanister wieder auf (imago stock&people)
Ihr Ziel waren Slums: Jan Willem Foppen und seine Kollegen vom IHE Delft Institute for Water Education flogen nach Ghana, Tansania und Uganda, um in den Armenvierteln die Qualität des Grundwassers zu analysieren. Genauer: Es ging darum, die Virenbelastung zu untersuchen:
"Wir haben unsere Proben auf Umwelt-DNA hin analysiert. In den mehr als 40 Millionen DNA-Sequenzen haben wir 25 verschiedene Virenfamilien entdeckt: 14 von ihnen können nur von der Oberfläche her ins Grundwasser geraten sein, über Sickergruben etwa oder Tierfäkalien. Von diesen 14 Virenfamilien können drei Menschen infizieren. Es geht dabei um Viren aus der Familie der Pocken- und Herpeserreger und die krebserregenden Papilloma-Viren."
Unterschiede zwischen Tiefen- und Oberflächenwasser
Diese gefährlichen Viren seien bislang noch nie im Grundwasser nachgewiesen worden, erläutert Jan Willem Foppen. Die Forscher hatten ihre Proben in drei unterschiedlich großen Slums gezogen: dem größten in der ugandischen Hauptstadt Kampala, einem mittleren in der tansanischen Stadt Arusha und einen sehr kleinen im ghanaischen Dodowa:
"Die Papilloma-Viren haben wir nur in Kampala gefunden. Dort - und auch in Arusha - fanden wir zudem Herpes- und Pockenviren. In Dodowa fanden wir Ratten- und Ziegenpocken. Die höchste Belastung fanden wir unter Kampala, im Grundwasser von Dodowa entdeckten wir nur sehr wenige und wenig verschiedene Virentypen. Arusha lag dazwischen."
Die Wasserproben stammten aus unterschiedlichen Tiefen - von der Oberfläche bis hinab in 50 Meter:
"Im Oberflächenwasser fanden wir nicht so viel Viren-DNA wie im Grundwasser. Das Oberflächenwasser muss für Viren eine sehr viel feindlichere Umwelt darstellen als das Grundwasser."
Grundwasserbrunnen am stärksten mit Viren belastet
Was an Viren beispielsweise über undichte Sickergruben in den Boden gelangt, scheint dort gut geschützt zu sein. In 50 Metern - einer Tiefe, in der durchaus Grundwasserbrunnen angelegt werden - waren die Viren-Gehalte am höchsten. Bei den Proben aus den tiefen Bereichen fanden sich vor allem Erreger aus der Herpes- und Pockenfamilie.
"Ich bin mir sicher, dass wir nur die Spitze des Eisbergs sehen. Mit unserer Methode finden wir nur die häufigsten Viren, und außerdem nur DNA-Viren. Die sind in den Umweltproben einfacher zu analysieren als RNA-Viren. Doch auch unter diesen gibt es viele Erreger, die Menschen infizieren können."
Messungen der Strömungsgeschwindigkeiten im Grundwasser zeigten, dass es Jahre dauere, ehe die Viren in so tiefe Bereiche gelangen könnten, urteilt Jan Willem Foppen. Wie infektiös sie dann noch sind, haben die Forscher nicht untersucht. Das wird der nächste Schritt sein. Dass diese Viren zumindest Wochen im Grundwasser überstehen können, ist jedoch sicher.