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Spaziergang

03:44 Minuten
Zwei Kinder mit Rucksäcken laufen auf eine rot-weiße Schranke am Eingang des Thayatal-Nationalparks in Tschechien zu.
Viele Parks und Ausflugsgaststätten: In Tschechien hat jede Wanderung und jeder Spaziergang ein Ziel. © Picture Alliance / dpa / chromorange / Weingartner
Von Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt  · 27.12.2019
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Spazierengehen ist in Tschechien und Russland sehr beliebt. Auf Neu-Delhis Straßen würde es niemand tun und in Südafrika wird lieber Auto gefahren.
Silke Diettrich in Neu-Delhi:
"Spazierengehen macht der Inder total ungerne, ehrlich gesagt. In den Parks sehe ich das in Neu-Delhi durchaus, dass dann dort nach dem Abendessen Pärchen langspazieren. Aber eher würden sie das aus sportlichem Ehrgeiz machen. Das sieht dann aus wie spazieren, aber eigentlich walken sie, sage ich mal. Auf der Straße würde niemand in Indien spazieren gehen. Weil hier ist das so ein Merkmal: Wer auf der Straße entlanggeht, ist arm."
Anne-Katrin Mellmann in Mexiko:
"In Mexiko gibt es weder Spaziergänge noch Wanderungen. Interessant dabei ist, dass es überhaupt kein Verb dafür gibt. Sie können spazieren gehen oder wandern nicht so einfach ins Spanische übersetzen, sondern man muss es tatsächlich umschreiben. Der Wald wurde in der Vergangenheit eher als etwas Bedrohliches gesehen. Etwas, das die Stadt überwuchert. Und dieses Spazierengehen ist wahrscheinlich auch deshalb nicht so verbreitet, weil die Menschen der besseren Gesellschaft immer sehr auf ihre Hautfarbe geachtet haben. Das ist heute noch so. Mexiko ist ein sehr rassistisches Land. Hier wird sehr stark nach Hautfarbe unterschieden, so dass man vermeidet, eine dunkle Haut zu bekommen, indem man sich zu sehr der Sonne aussetzt."
Peter Lange in Prag:
"Tschechen sind große Spaziergänger. Der beliebteste Spaziergang ist der mit dem Hund. Es gibt das etwas böse Wort, dass der Tscheche lieber mit seinem Hund raus geht als mit seinen Kindern. Spazierengehen gehört zum normalen Wochenablauf einfach dazu. Wo immer sie hier im Park unterwegs sind, und es gibt sehr schöne Parks hier, da gibt es auch immer Gaststätten, wo man einkehren kann. Aber vorher war eben der Spaziergang – und man hat dann immer schon ein Ziel."
Jana Genth in Johannesburg:
"Südafrikaner spazieren nicht. Südafrikaner steigen ins Auto und fahren irgendwo hin. Die gehen vielleicht mal in so eine Parkanlage, und dann läuft man auch gerne mal so ein bisschen rum, entspannt, aber eigentlich immer nur, wenn man dann auch einen Rucksack mit einer Picknickdecke dabei hat. Damit man sich irgendwo hinsetzen und picknicken kann. Man muss quasi den Zweck erfüllt sehen, dass man sich am Ende auch setzen kann und gemütlich Zeit miteinander verbringt und den Wein aufmacht oder das Bierchen rausholt. Einfach nur laufen? Nee, das macht der Südafrikaner wirklich nicht."
Thielko Grieß in Moskau:
"Der Russe spaziert; und ich habe das Gefühl, er spaziert wirklich gerne. Es hat sich so viel getan in der Moskauer Innenstadt. Sie ist mit sehr viel Geld umgebaut worden. Das alles führt dazu, dass sehr viele Bereiche entstanden sind, in denen man gerne spaziert. Man hält sich dort gerne auf. So sehe ich an Wochenenden 10.000 Menschen, die in der Stadt unterwegs sind, zwischendurch vielleicht einen Kaffee trinken und sonst aber auch nicht viel machen. Sie gehen einfach, sie spazieren durch die Straßen. In der Moskauer Innenstadt hat sich in diesem Sommer herausgestellt, dass es auch so etwas wie politische Spaziergänge gibt. Da verabreden sich Menschen in sozialen Netzwerken und sagen: Wir gehen spazieren. Das ist eine politische Kundgebung. Und das sind diese Demonstrationen gewesen, die dann auch mit viel Polizeigewalt aufgelöst worden sind. Die Leute hatten sich aber verabredet zu Spaziergängen."

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