Fotograf und Pulitzer-Preisträger Karsten Thielker

Bilder von Tod und Leben

Moderation: Ulrike Timm · 06.05.2019
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Er war Kriegsreporter für Associated Press und hat die Gräuel während des Genozids in Ruanda fotografiert. 25 Jahre nach dem Völkermord der Hutu an den Tutsi besuchte Karsten Thielker Ruanda noch einmal. Und kam mit zwiespältigen Gefühlen zurück.
Karsten Thielker hat zahlreiche Kriegsgebiete der Welt bereist und "den Tod in vielerlei Form gesehen" – in Bosnien, Somalia, Tschetschenien und Ruanda. Aber nirgendwo, sagt der 53-Jährige, hätten sich die Bilder so eingebrannt wie in Ruanda. 1994 war er als Fotograf für Associated Press in dem afrikanischen Land, in dem ein schrecklicher Bürgerkrieg wütete. 800.000 Menschen wurden innerhalb von hundert Tagen im Völkermord getötet.
"Eingebrannt haben sich vor allem die Zersetzung von Körpern, der Geruch von Toten, unvorstellbare menschliche Anblicke: Menschen in Stücken, in Verwesungszuständen. Die lagen zum Teil Wochen in Kirchen oder draußen auf der Wiese und sind dann langsam zersetzt worden. Nur Kleidung und Knochen sind übrig geblieben."

Weder Mission noch Vision

1995 erhielt er für seine Aufnahmen den Pulitzer-Preis. Dass er mit seinen Bildern die Welt verändern könnte, glaubt Karsten Thielker nicht. "Ich glaube eher, dass sich Geschichte wiederholt, dass der Mensch älter wird, aber nicht weiser und dass ich die Welt mit meinen Bildern auch nicht retten kann. Ich habe weder eine Mission noch eine Vision. Das war für mich der Grund, Kriegsberichterstattung dann auch aufzugeben."
Als Fotograf ist Thielker Autodidakt. Ein Fotokurs in der Schule weckte sein Interesse und bald begann er als junger Fotoreporter einer Mainzer Lokalzeitung. Aber das reichte ihm irgendwann nicht mehr.
"Ich wollte zu AP, zu einer Agentur. Und AP fand ich die beste. Da bin ich einfach nach New York geflogen und habe mir einen Termin beim Chef geholt."
Thielker wurde genommen und arbeitete drei Jahre lang als Kriegsfotograf für AP. Dann gab er den Job auf. Agenturfotografie sei ein absoluter Leistungssport, sagt er. Heute fotografiert er Events oder journalistische Themen und geht auch seinem Lieblingsthema nach, der Straßenfotografie.

Rückkehr nach Ruanda

Nach und nach besucht der frühere Kriegsfotograf auch seine ehemaligen Einsatzgebiete. Gerade ist er von einer Reise nach Ruanda zurückgekehrt – für sein Projekt "Linus in Ruanda – 25 Jahre nach dem Genozid". Dabei kontrastiert Karsten Thielker Aufnahmen seines heute 30-jährigen Neffen Linus mit jungen Menschen aus dem afrikanischen Land.
Im Ruanda von heute hat er eine junge Generation voller Lebensfreude getroffen und porträtiert. Seine Bilder zeigen Hoffnung und Aufbruch, doch viele von ihnen dokumentieren auch, dass der blutige Bürgerkrieg nicht vergessen ist.
(svs)
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