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China
Ein Land im Rausch der QR-Codes

QR-Codes sind quadratische, schwarz-weiß gepunktete Grafiken, hinter denen sich ein Scan-Code verbirgt. In China kann man damit überall bezahlen: Handy raus, Bezahl-App öffnen, QR-Code abscannen – fertig. QR-Codes könnten aber auch dazu dienen, ältere Menschen zu überwachen, damit sie nicht verloren gehen.

Von Steffen Wurzel | 01.03.2017
    In einem westlichen Vorort von Tokio, Japan, werden Senioren mit Demenz mit einem QR-Code markiert, damit sie nicht verloren gehen.
    In einem westlichen Vorort von Tokio, Japan, werden Senioren mit Demenz mit einem QR-Code markiert, damit sie nicht verloren gehen. (AFP PHOTO / Toshifumi KITAMURA)
    Wer im Shanghaier Geschäftsviertel Jing’An Hunger bekommt, landet häufig in einer Seitenstraße an einem der kleinen Jianbing-Stände. Jianbing, das sind die typisch chineschen herzhaft gefüllten Pfannkuchen. Sie kosten hier umgerechnet zwischen 70 und 90 Cent. Und gezahlt wird Smartphone und QR-Code.
    "Handy raus, Bezahl-App öffnen, QR-Code abscannen – fertig." Der kleine quadratische QR-Code hängt einlaminiert an einem abgerissenen Papp-Fetzen direkt über dem Pfannkuchengrill. So improvisiert das auch aussehen mag: QR-Codes sind ein wichtiger Teil des chinesischen Innovationsbooms.
    In China ist das Bezahlen mit QR-Codes gang und gebe. Kartenzahlung hat sich dort nie durchgesetzt.
    In China ist das Bezahlen mit QR-Codes gang und gebe. Kartenzahlung hat sich dort nie durchgesetzt. (Deutschlandradio / Steffen Wurzel)
    "Chinesen sind offener gegenüber neuen Entwicklungen als andere. Das unterscheidet sie von den Menschen in den meisten Industrienationen. In China ist alles in Bewegung, ständig ändert sich alles. Und Chinesen interessieren sich mehr für neue und innovative Dinge."
    Technische Zwischenschritte werden einfach übersprungen
    Liu Tuo von der Shanghaier Beratungsfirma Jinhsi Consulting. Er sagt: Typisch für Chinas digitale Innovationskraft ist die Angewohnheit, technische Zwischenschritte einfach zu überspringen. Ein Beispiel ist der klassische Anrufbeantworter, der sich in China nie durchsetzen konnte. Viele Menschen gingen stattdessen den direkten Schritt vom Festnetz-Anschluss zum Textnachricht-Schreiben auf dem Smartphone. Und das Selbe gilt fürs Bezahlen:
    Anstelle mit Kreditkarten wird hier mit QR-Codes bezahlt
    "In westlichen Ländern wird überwiegend mit Karte gezahlt. Das hat sich weitestgehend etabliert. In China konnten sich Kreditkarten nie wirklich durchsetzen. Jetzt, im Zeitalter des mobilen Bezahlens, profitieren auch all die Chinesen, die nie eine Karte besessen haben."
    Der QR-Code ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Hinter dem schwarz-weißen Quadrat verbirgt sich ein komprimierter Datensatz. Das kann ein digitaler Schlüssel für einen Bezahlvorgang sein oder eine Internet-Adresse oder auch eine digitale Visitenkarte. Entsprechend taucht der QR-Code in China auch auf vielen Werbeflyern, Plakaten und Schriftstücken auf.
    "QR codes are part of my daily life here in China ..." Charmaine Clark. Die Jamaikanerin arbeitet im Management einer internationalen Uni in Shanghai.
    "Fast jedes Dokument, das ich auf den Schreibtisch bekomme, hat diesen Code drauf. Für mich, als jemand, der viel mit dem Ausland zu tun hat, ist das gar nicht so nützlich. Weil die meisten Menschen außerhalb Chinas gar nicht wissen, was es mit diesen quadratischen Grafiken auf sich hat."
    QR-Codes zur Überwachung von Senioren
    Auch, wenn außerhalb Asiens QR-Codes keine ernsthafte Rollen spielen: In China werden sie künftig noch wichtiger werden. Technik-Berater Liu Tuo gibt ein Beispiel, das einerseits typisch chinesisch-pragmatisch ist, andererseits in Europa undenkbar wäre:
    "China ist eine alternde Gesellschaft. Und QR-Codes werden helfen, das Alltagsleben von Senioren zu organisieren. Man kann ältere Menschen mit QR-Codes ausstatten und sie damit überwachen, damit sie nicht verloren gehen."