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"China hat ungeheuere Devisenreserven"

China hat ein originäres Interesse daran, dass die Europäer aus der Krise herauskommen, sagt Gudrun Wacker von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Andererseits werde sich Peking genau überlegen, wo es Europa helfe und wie es investiere - Eurobonds von Krisenländern gehören für Wacker nicht dazu.

Das Gespräch führte Christine Heuer | 31.08.2012
    Christoph Heinemann: Rückendeckung aus dem Reich der Mitte – China unterstützt den deutschen Kurs zur Bewältigung der Schuldenkrise in Europa. Beim Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in China machte die chinesische Führung deutlich, dass Deutschland aus ihrer Sicht für die richtige Politik stehe. Merkel setzt ihren Besuch heute zusammen mit Regierungschef Wen Jiabao mit einer Besichtigung der verbotenen Stadt in Peking fort.
    Über die Beziehungen zwischen beiden Ländern sprach meine Kollegin Christine Heuer mit Gudrun Wacker, China-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die erste Frage: Hat Deutschland verglichen mit anderen europäischen Staaten ein besonders enges Verhältnis zu China?

    Gudrun Wacker: Im Wesentlichen leitet sich das aus der wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands innerhalb der EU ab, denn die EU ist der größte Handelspartner für China und innerhalb der EU macht Deutschland ungefähr einen Anteil von 30 Prozent an diesem Handel EU-China aus. Dazu kommt natürlich in der augenblicklichen Euro-Krise, dass Deutschland eine Schlüsselstellung zukommt bei der Lösung der Euro-Krise, und das wertet ebenfalls die Bedeutung von Deutschland innerhalb der EU auf.

    Christine Heuer: Der Euro, Sie haben das angesprochen, Frau Wacker, spielt ja auch bei dieser Merkel-Reise eine besonders wichtige Rolle. Hilft Peking den Europäern eigentlich wirklich so viel, wie es dieser Tage in den Zeitungen steht, oder ist die chinesische Hilfe, gemessen an den chinesischen Verhältnissen, doch eher überschaubar?

    Wacker: Wir gehen natürlich davon aus, China hat ungeheuere Devisenreserven und könnte deshalb den Euro stützen. Wir bedenken dabei nicht, dass es innerhalb Chinas eine Debatte darüber gibt, nämlich wieso soll das Entwicklungsland China den reichen Europäern aus der Patsche helfen. Das ist die Diskussion im Internet. Und natürlich kann die Führung Chinas sich dieser Diskussion auch nicht verschließen. Sie hat aber ein originäres eigenes Interesse daran, dass die Europäer aus dieser Krise rauskommen. In dem Moment, wo es den europäischen Wirtschaften nicht so gut geht, verliert China seinen Hauptabsatzmarkt. Auf der anderen Seite wird es sich davor hüten, praktisch Geld zum Fenster rauszuwerfen. Das heißt, man wird sehr genau gucken, wo lohnt es sich, wenn China hilft, und man ist vielleicht eher daran interessiert, in Europa zu investieren, bestimmte Marken aufzukaufen, in Firmen zu investieren, als unbedingt in praktisch die Eurobonds von Griechenland und Spanien zu investieren.

    Heuer: Die Menschenrechte spielen auch immer eine Rolle bei den deutsch-chinesischen Konsultationen. Angela Merkel hat heute ja ausdrücklich die Arbeitsbedingungen ausländischer Journalisten angesprochen. Reicht das aus, Frau Wacker?

    Wacker: Das reicht natürlich nicht aus, um die Situation in China zu verändern. Das ist ganz klar. Wir stehen vor einem Führungswechsel in China, die politische Spitze wird fast komplett ausgewechselt. In solchen Zeiten legt China oder die Führung sehr viel Wert auf politische Stabilität, und die setzt man eben nicht dadurch durch, dass man jetzt der Presse mehr Meinungsfreiheit und mehr Freiräume einräumt, sondern das äußert sich darin, dass man die Schraube anzieht, und die Schraube ist eigentlich schon angezogen worden im letzten Frühjahr als Reaktion auf den Arabischen Frühling, wo China eben befürchtet hat, dass so ein Unruhepotenzial auch in das eigene Land reinschwappt.

    Heuer: Ist es möglich, Einfluss auf die chinesische Außenpolitik zu nehmen, also zum Beispiel auf die Syrien-Politik Pekings?

    Wacker: Im Falle von Syrien halte ich das für relativ schwierig, China aus der gemeinsamen Position mit Russland rauszulösen. Beide Länder haben im Falle Libyens sich der Stimme enthalten und sind der Meinung, dass das UNO-Mandat im Falle Libyens zu großzügig ausgelegt worden ist und die militärische Intervention eigentlich so hätte nicht aussehen dürfen. Es würde vielleicht darum gehen, mit China darüber zu reden, wie müsste denn eine Resolution aussehen, die China mittragen kann oder sich zumindest der Stimme enthalten kann. Dann bleibt aber immer noch die Frage der "Solidarität" mit Russland.

    Heuer: Eine generelle Frage, Frau Wacker, zum Schluss. Sie haben den Führungswechsel, der im Herbst in China ansteht, angesprochen. Das gesamte Führungspersonal wird ausgetauscht. Wird das die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Chinesen erleichtern, oder doch eher erschweren?

    Wacker: Also wenn man in die Kristallkugel schauen will, dann würde ich eher sagen, es wird nicht einfacher werden, denn die neue Führung wird noch weniger Bewegungsspielraum haben, sie muss noch mehr Interessenausgleich innerhalb des Landes herbeiführen. Das heißt, es wird vermutlich eine schwache kollektive Führung, in der bestimmte Konflikte über Kompromisse und Konsensfindung ausgetragen werden. Und die Zeichen in China stehen im Augenblick doch eher auf mehr Nationalismus und auch entschiedeneres Eintreten für die eigenen Interessen. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass die Verhandlungen mit China mit anderen Partnern, dass das einfacher wird in Zukunft.

    Heinemann: Gudrun Wacker, die China-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Fragen stellte meine Kollegin Christine Heuer.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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