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China
Partei reagiert mit Sanktionen auf Offenlegung von Politikervermögen

Die chinesische Führung hat sich den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben. Doch wenn es um Transparenz in den eigenen Reihen geht, reagiert die Partei verschnupft. Wer gar die Vermögensverhältnisse von Politikern offen legen möchte, lebt gefährlich.

Von Ruth Kirchner | 25.01.2014
    Regelmäßig berichten Chinas staatlich kontrollierten Medien über den Kampf gegen die Korruption. Mal wird – wie im vergangenen Sommer – ein hochrangiger Kader wie Bo Xilai angeklagt, mal sind es kleine Funktionäre. Die Jahresbilanz der partei-internen Disziplinarkommission kann sich sehen lassen. 182.000 Beamte seien 2013 bestraft worden, verkündete der Vize-Generalsekretär der Kommission. Und das sei noch lange nicht genug:
    "Im Einklang mit den Vorgaben der Regierung müssen alle Aufsichtsbehörden den Kampf gegen die Korruption zur Priorität machen und Tiger wie auch Fliegen zur Strecke bringen. Jeder Fall von Korruption muss untersucht, jeder korrupte Beamte bestraft werden", sagte Huang Shuxian.
    Doch die Regierung geht nicht nur gegen korrupte Beamte hart vor, sondern auch gegen ihre Kritiker und jene, die den Kampf gegen die Korruption nicht allein der Partei und ihren undurchsichtigen Gremien und Strukturen überlassen wollen. Prominentestes Beispiel: der Bürgerrechtler und Rechtsdozent Xu Zhiyong. Der 40-Jährige kämpft seit Jahren für mehr Gerechtigkeit, doch es war seine "Bewegung neue Bürger", ein loser Zusammenschluss von Aktivisten und Intellektuellen, die die Behörden gegen ihn aufbrachte. Letzten Sommer wurde Xu verhaftet, vergangene Woche stand er in Peking vor Gericht. Unter anderem aus diesem Grund:
    Aktivisten aus seinem Umfeld hatten mehrfach öffentliche Proteste organisiert und - wie hier - Spruchbänder entrollt und gefordert, dass Chinas Politiker und Funktionäre ihre Eigentums- und Einkommensverhältnisse offen legen.
    Die Behörden werfen Xu vor, die Proteste organisiert zu haben – er selbst war bei den Demonstrationen allerdings nicht dabei. Offizielle Anklage: "Organisation einer Menschenmenge zur Störung der öffentlichen Ordnung." Dafür drohen ihm und einigen seiner Mitstreiter jetzt bis zu fünf Jahre Haft. Sein Anwalt ist empört:
    "Gerade die Offenlegung der Vermögensverhältnisse und der Kampf gegen die Korruption stimmen doch mit den Zielen der Partei überein", sagt Zhang Qingfang.
    Brisante Offshore-Leaks-Enthüllungen
    Doch die Partei hatte Grund, eine Offenlegung der Vermögensverhältnisse ihrer Kader und Funktionäre zu blockieren. Die Offshore-Leaks-Recherchen eines internationalen Netzwerks investigativer Journalisten förderte vor wenigen Tagen Brisantes zutage. Demnach haben Tausende Chinesen Vermögen im Ausland geparkt – über Briefkastenfirmen in Steueroasen in der Karibik – darunter auch Angehörige von Chinas "rotem Hochadel" wie der Schwager von Parteichef Xi Jinping und die Kinder des ehemaligen Premiers Wen Jiabao. Peking reagierte umgehend auf die Berichte: mit einer Verschärfung der Zensur. Außenamtssprecher Qin Gang:
    "Ich kenne die Details nicht, aber aus der Sicht eines Lesers ist die Logik dieser Berichte nicht überzeugend und weckt Zweifel an den wirklichen Intentionen, die dahinter stecken."
    Ob China den Berichten nachgehe werde, um möglicherweise Geldwäsche oder entgangene Steuerzahlungen aufzudecken' Qin Gang reagierte ausweichend:
    "Saubere Hände sind sauber, man bräuchte sie nicht zu waschen, zitierte er eine chinesische Redewendung. Will sagen: Unschuldige müssten sich nicht erklären."
    In der Vergangenheit hatte China auf ähnliche Berichte der New York Times und von Bloomberg ebenfalls mit massiver Zensur und mit Visa-Schikanen gegenüber den China-Korrespondenten der beiden Medienunternehmen reagiert. Leute wie Xu Zhiyong, den Aktivsten, dürfte es härter treffen. Doch Xu wusste, dass er gefährlich lebt.
    Er sei bereit, den Preis für Freiheit und soziale Gerechtigkeit zu zahlen, sagte Xu kurz nach seiner Verhaftung im Sommer. Das Video mit seinem Statement wurde mit einer Handykamera aufgenommen und im Internet verbreitet – außerhalb Chinas wegen der strengen Zensur.
    Und auch nach seiner Verurteilung, die noch aussteht, wird die Kommunistische Partei das Thema kaum loswerden. Wie kaum ein anderer hat Xu Zhiyong das Bewusstsein für die Ungerechtigkeiten des Sozialismus mit chinesischen Vorzeichen geschärft. Vor dem weiträumig abgeriegelten Gericht in Westpeking versammelten sich am Mittwoch daher Dutzende Unterstützer.
    Lautstark forderten auch sie Gerechtigkeit, Meinungsfreiheit, Demokratie und mehr Transparenz.
    "Die Offenlegung der Vermögensverhältnisse sollte das Normalste der Welt für Regierungsmitglieder sein, sagte dieser Mann. Sie weigern sich, aber wir fordern das weiter ein."
    All das, die Offshore-Leaks und die Forderungen aus der Bevölkerung, setzen die Partei unter Druck. Sie sieht sich immer häufiger dem Vorwurf ausgesetzt, nur noch nach außen als Dienerin des Volkes aufzutreten, in Wirklichkeit aber zu einem Selbstbedienungsladen für Funktionäre verkommen zu sein. Und auch die "Fliegen und Tiger"-Kampagne klingt vielen Leuten zunehmend hohl in den Ohren.
    Eine wirksame Bekämpfung von Vetternwirtschaft und Bereicherung sei das nicht, kritisiert auch der Bürgerrechtler Jiang Qisheng
    "Die Korruption ist institutionell und im System. Wer ist denn korrupt? Leute, die Macht haben. Und warum? – weil niemand sie effektiv kontrolliert. Macht ohne Kontrolle führt zu Korruption. Das ist ein eisernes Gesetz."
    Doch bislang hält die Partei eisern an ihrem Machtmonopol fest und lässt Kontrolle durch andere nicht zu. Auf Kritik oder Enthüllungen wie die Offshore-Leaks reagiert sie wie sie es gewohnt ist: Mit Zensur und Repression.