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Chinesisch-europäische Raumfahrt
Auf der Rückseite des Mondes

Zum ersten Mal soll eine chinesische Raumsonde auf der erdabgewandten Mondrückseite landen. Das Ziel: Sie soll Mondmaterial zur Erde zurückbringen. Chinas Raumfahrtprogramm hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht – auch europäische Forscher werden dabei deutlich stärker eingebunden als zuvor.

Von Karl Urban | 20.09.2018
    Eine Rakete vom Typ "Langer Marsch 4C" hebt vom Raumfahrtzentrum in Xichang ab
    Eine Rakete vom Typ "Langer Marsch 4C" hat bereits vom Raumfahrtzentrum in Xichang abgehoben (dpa-Bildfunk / AP / Xinhua / Cai Yang)
    Voraussichtlich im Dezember 2018 hebt vom chinesischen Weltraumbahnhof Xichang eine Rakete vom Typ Langer Marsch 3B ab. An Bord befindet sich Chang'e 4: Ein Lander und ein Rover, der dem 2013 auf dem Mond gelandeten Jadehasen stark ähnelt – ein Name für den neuen Rover aus der chinesischen Kulturgeschichte wird aber derzeit noch gesucht. Als erste Raumsonde überhaupt soll das Gespann aus Lander und Rover weich auf der erdabgewandten Seite des Mondes aufsetzen. Schon im letzten Mai schickte China eine Raumsonde namens Queqiao – übersetzt Elsternbrücke – in den Mondorbit, die Daten von der Mondrückseite zur Erde übertragen soll. Und während die ersten Mondsonden Chinas ausschließlich chinesische Instrumente enthielten, sind nun von neun Instrumenten drei in Europa gebaut worden.
    "Im Bereich ganz gewöhnlicher Instrumente brauchen die Chinesen unsere Beiträge nicht. Sie sind auf der Suche nach Partnern mit Technologien, die weiter entwickelt sind als ihre eigenen."
    Das sagte der Mondforscher Bernard Foing von der Europäischen Raumfahrtagentur letztes Jahr in einem Interview. China hat sich seit 2013 zunehmend europäischen Forschungsinstituten geöffnet. Jessica Flahaut von der Universität im französischen Nancy etwa war Mitglied einer internationalen Kommission, die China bei der Frage berät, an welcher Stelle Chang'e 4 am besten aufsetzen soll.
    "Wir brauchen für diese Art von Mission eine ganz bestimmte Landestelle, denn es soll ja auch ein Rover landen. Deshalb haben wir versucht, eine möglichst sichere Gegend für die Landung und die Operationen am Boden auszuwählen, wo es gleichzeitig wissenschaftlich interessant ist. Wir verbessern also den wissenschaftlichen Ertrag."
    Hoffnung auf Mondmaterial
    Auf der Mond-Rückseite wird Chang'e 4 nun im 180 Kilometer großen Von-Kármán-Krater landen, der Teil des gewaltigen Südpol-Aitken-Beckens ist.
    "Das ist der älteste Einschlag auf dem Mond und das größte bekannte Einschlagsbecken im Sonnensystem. Das genaue Alter konnten wir bisher aber nur schwer abschätzen, ebenso, wie es entstanden ist und wie der Einschlag den Mond verändert hat: Beispielsweise könnte bei diesem Einschlag Gestein des tiefer liegenden Mondmantels an die Oberfläche geschleudert worden sein, und die Mondkruste könnte ihre heutige Asymmetrie erhalten haben. Es gibt viele Fragen rund um dieses riesige Einschlagsbecken, die wir in diesem Krater beantworten könnten."
    Die Raumsonde Chang'e 4 ist nur ein Zwischenschritt von Chinas ambitioniertem Mondprogramm. Je nach Erfolg dieser Mission wird im Laufe des nächsten Jahres Chang'e 5 starten: Als erste Raumsonde seit über 40 Jahren soll sie Mondmaterial zur Erde zurückbringen: bis zu zwei Kilogramm eines Gesteins, das deutlich später durch Vulkane auf dem Mond entstanden ist, als alle Proben, die US-Astronauten und sowjetische Raumsonden bis in die 1970er Jahre zur Erde zurückgebracht haben. Unter Wissenschaftlern ist es äußerst begehrt.
    "Wir haben in Europa die Expertise und die Einrichtungen, um extraterrestrisches Material zu untersuchen. Aber China lernt im Bereich Mondforschung schnell dazu und entwickelt derzeit neue High-Tech-Institute. Aber sie wurden bisher nie benutzt. Bisher diskutieren wir noch darüber, ob wir europäische Wissenschaftler nach China schicken, um die Proben dort zu untersuchen – oder ob sie einen Teil der Proben nach Europa schicken."
    Während die erfahrenen Mondforscher aus den USA aufgrund politischer Spannungen überhaupt nicht mit ihren chinesischen Kollegen zusammenarbeiten dürfen, hofft Jessica Flahaut derzeit - wie viele ihrer europäischen Kollegen - auf frisches Mondgestein aus China.