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Cholera im Jemen
Der Krieg verschärft die Lage

Die Cholera-Epidemie im Jemen ist nach Aussage der WHO noch längst nicht unter Kontrolle. Vor allem der Bürgerkrieg behindert die Bekämpfung: Durch mangelnde Versorgung mit Trinkwasser und Strom kann sich die Seuche so schnell ausbreiten - und die Zerstörung aller Strukturen erschwert die Hilfe.

Von Jürgen Stryjak | 11.08.2017
    Ein jemenitisches Mädchen in einem verarmten Dorf vor den Toren der Stadt Hodeidah am 23. Juli 2017. In der Gegend herrscht akuter Wassermangel.
    Die Zahl der Cholera-Erkrankten könnte bald bei einer halben Million liegen. (AFP / Abdo Hyder)
    Ende April war die Cholera-Epidemie im Jemen ausgebrochen. Jetzt, nur dreieinhalb Monate später, sind 90 Prozent des Landes betroffen. Rund 400.000 Menschen erkrankten, knapp 2.000 starben. Die Zahl der Neuinfektionen ging zuletzt zwar leicht zurück, sie sei aber immer noch hoch, erklärt Fadela Chaib von der Weltgesundheitsorganisation:
    "Jeden Tag zählen wir 5.000 neue Fälle von Durchfall oder Cholera. Der Cholera-Ausbruch ist längst noch nicht unter Kontrolle. Die Regenzeit hat begonnen. Das könnte die Übertragung der Cholera-Bakterien beschleunigen."
    In schwer zugänglichen Landesteile ist Hilfe schwer
    Weil die Müllabfuhr im Jemen kaum noch funktioniert, fließt der Regen durch Abfallberge hindurch und infiziert das Grundwasser. Cholera kann relativ leicht behandelt werden, aber Nothelfer wie Claire Manera beklagen, dass viele Betroffene in schwer zugänglichen Landesteilen leben.
    "Es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, dass Menschen immer noch in ihren Häusern sterben, weil sie uns nicht erreichen können. Sie leben zu weit entfernt oder sind zu krank, zu alt oder ihre Kinder sind zu klein. Aufgrund des Krieges haben sie oft nichts mehr."
    Die Australierin Claire Manera arbeitet im Jemen für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen.
    "In einem abgelegenen Tal sprach ich mit Frauen, die an einer Quelle Wasser für ihre Kinder holten. Ich sagte zu ihnen: Ihr wisst hoffentlich, dass das Wasser mit Cholera-Bakterien verseucht ist. Ja, antworteten sie, aber wir haben doch nur dieses Wasser."
    Der Krieg behindert die Cholera-Bekämpfung
    Wie dramatisch die Lage ist, konnte jüngst auch der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer, bei einem Besuch im Jemen sehen.
    "Das Gesundheitswesen ist infolge des Krieges praktisch zusammengebrochen, ebenso die Versorgung mit Trinkwasser und mit Strom. Die Cholera breitet sich aus, weil die Infrastruktur immer wieder bombardiert wird."
    Der Krieg, der im Jemen herrscht, ist nicht nur die Ursache dafür, dass die Seuche so schnell fast jeden Winkel im Land erreichte. Er verhindert auch, dass vielen Betroffenen geholfen werden kann. Radhya Almutawakel von der jemenitischen Menschenrechtsgruppe Muwatana:
    "Der Jemen wird von Milizen kontrolliert, sowohl in Sanaa als auch in Aden. Alle diese Milizen begehen Menschenrechtsverletzungen. Außerdem bombardiert Saudi-Arabien praktisch alles im Land."
    Die Hauptstadt Sanaa und der Westen des Landes werden von den so genannten Houthi-Rebellen kontrolliert. Den Osten einschließlich der Hafenstadt Aden beherrscht die international anerkannte Regierung. Beide bekämpfen einander seit Jahren erbittert. Die Rebellen erhalten Unterstützung aus Iran, die Regierung dagegen vom nördlichen Nachbarn. Ein Militärbündnis unter Führung Saudi-Arabiens bombardiert seit 2015 Ziele im Jemen.
    Dieser Krieg behindere alle Versuche, den Cholera-Ausbruch einzudämmen, sagt UN-Sprecher Rupert Colville. Der Krieg und der Zusammenbruch aller Strukturen - das sei eine absolut tödliche Kombination.