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"Cholera"-Kartoffel soll weg aus Mecklenburg-Vorpommern

Impfstoffe aus der Kartoffel sorgen für Diskussionen in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Versuch mit gentechnisch veränderten "Cholera"-Kartoffeln läuft dort zwar seit ein paar Jahren. Aber die Frage ob er harmlos ist, wird nach wie vor unterschiedlich beantwortet. Gentechnikgegner haben ihre Einwände jetzt noch einmal beim Münchener Umweltinstitut vorgebracht.

Von Almuth Knigge | 19.02.2009
    Als Inge Broer in Bielefeld Biologie studierte, da hatte sie ein Gärtchen mit Öko-Gemüse und auch ein bisschen Angst. Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Organismen waren ihr unheimlich. Heute ist sie Professorin für Agrobiotechnologie an der Universität Rostock und leitet seit 2006 den bundesweit ersten Anbau von genetisch veränderten Kartoffeln, die Impf- und Kunststoffe produzieren sollen. Als Cholera-Kartoffeln erhitzen sie seitdem die Gemüter. Aber, so versucht Inge Broer zu beruhigen:

    "Das hat mit Cholera nur insofern was zu tun, als dass es aus dem Bakterium kommt, aber es erzeugt natürlich die Krankheit nicht. Sondern das ist ein Stoff, der wird eingesetzt von den Leuten, die orale Impfstoffe machen wollen, damit der Impfstoff selber leichter über die Darmschleimhaut aufgenommen werden kann."

    Doch die Gegner fürchten, dass sich die Medizinkartoffel unbemerkt ausbreitet und "die Cholera-Gene im Essen landen". So könnten beispielsweise Wildschweine die Laborknollen ausgraben und verschleppen. Das zweite Problem – nur gut einen Kilometer entfernt vom Versuchsfeld in Groß Lüsewitz, liegt der "Kartoffelzuchtgarten Deutschlands", die Norika Gmbh für Kartoffelforschung und Kartoffelzüchtung und eine der größten Kartoffel-Genbanken der Welt. In der Risikobewertung für den Antrag zur Fortsetzung des Freilandversuches schreibt Inge Broer, es wurden bislang keine schädlichen Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier nachgewiesen. Andreas Bauer, Gentechnikexperte vom deutschen Umweltinstitut in München, sieht das anders.

    "Allein die Einbringung dieses Gens führt zu Miniaturknollen, diese Kartoffellinie, die da hergestellt wurde, die schaut aus wie eine Erbse, von der Größe her."

    Bei Fütterungsversuchen mit den Impfstoff-Kartoffeln habe es "signifikante gewebsspezifische Effekte auf den Stoffwechsel" gegeben, so Bauer und bezieht sich dabei auf Veröffentlichungen der Uni Rostock. Außerdem, so Andreas Bauer, sind Freilandversuche längst nicht mehr das Mittel der Wahl.

    "Das einzige europäische Land, wo das in größerem Maßstab noch versucht wird zu machen ist leider Deutschland, ich würde es mal umgekehrt sagen, wir sind wieder mal die letzten die kapieren, dass der Zug in eine ganz andere Richtung fährt."

    Gerade mal zehn Freilandversuche gab es im vergangenen Jahr noch, dabei liegt Mecklenburg-Vorpommern ganz vorne.

    "Es ist so, dass Mecklenburg-Vorpommern sich schon seit Jahren als Eldorado für Freilandversuche etabliert, und ich würde fast mal sagen, das ist so eine Art ökologische Müllkippe für Versuche, die an anderen Stellen in Deutschland überhaupt nicht mehr durchsetzbar sind."

    Viele werfen Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus vor, dass er über ein entschiedenes sowohl-als-auch bei der Problematik "Grüne Gentechnik" nicht hinauskomme. Einerseits hat der Nordosten als einziges Bundesland eine Vereinbarung mit dem Bauernverband unterzeichnet, die den Landwirten den Anbau von GVO-Pflanzen ausdrücklich nicht empfiehlt. Gleichzeitig wächst der Anbau von GVO-Mais rapide. Außerdem pumpt das Land seit Jahren Millionen Euro an Subventionen in das Agrobiotechnikum in Groß Lüsewitz bei Rostock. Hier werden auch die Cholera-und Plastik-Kartoffeln freigesetzt

    "Dazu will ich folgendes sagen."

    Der Minister wehrt sich.

    "Ich wünsche niemandem auf dieser Erde, dass er jemals an Diabetes leidet oder an Krebs erkrankt, eins muss man wissen, wenn wir uns heute die moderne Medizin anschauen, dann ist das in der Regel alles basierend auf gentechnisch veränderten Organismen. Da gibt es Nobelpreise, nur im grünen Sektor, wo es mir darum geht, neue Produkte zu entwickeln, die letztendlich die Umwelt schonen, die aber auch höhere Gebrauchswerteigenschaften haben, da soll das auf einmal alles Teufelszeug sein, dass kann irgendwo nicht richtig sein."

    Dass da irgendwo was nicht richtig ist, scheint gleichwohl im Bund und in Bayern die neue politische Linie zu sein. Erst gestern erklärte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner der Gentechnik im Agrarbereich bringe "dem Menschen hierzulande bisher keinen erkennbaren Nutzen und werde von Verbrauchern und Landwirten abgelehnt."

    "Für mich ist das der blanke Populismus…"

    ... sagt Backhaus – aber die Gentechnikgegner schöpfen Hoffnung, dass sie mit ihren Einwendungen dieses Mal Gehör finden. Rund 40.000 Einwendungen sind beim Münchner Umweltinstitut bis heute eingegangen – mehr als 20 mal soviel wie beim ersten Mal.