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"Cholera kennt keine Grenzen"

Markus Bachmann von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen befürchtet, dass Simbabwe erst am Anfang einer langen Cholera-Epidemie steht. Der Höhepunkt sei vermutlich noch nicht erreicht. Wichtig sei es, den Menschen schnell zu helfen. Ärzte ohne Grenzen konzentriere sich deshalb auf die Hilfe in Cholera-Behandlungszentrum, in denen die Menschen Rehydrierungstherapien erhielten.

Markus Bachmann im Gespräch mit Mario Dobovisek | 06.12.2008
    Mario Dobovisek: Die Cholera ist ausgebrochen, Notstand in Simbabwe, Grund sind die schlechten hygienischen Zustände im Land, vor allem aber das verunreinigte Trinkwasser. So können sich die Bakterien ungehindert ausbreiten. Tausende sind bereits infiziert, die Angaben über Todesopfer variieren, zwischen 500 und 1000 Menschen sollen bereits dem Brechdurchfall erlegen sein. In Simbabwe am Telefon begrüße ich Markus Bachmann von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Guten Morgen, Herr Bachmann!

    Markus Bachmann: Guten Morgen!

    Dobovisek: Wie ist die Lage in Simbabwe?

    Bachmann: Die Lage in Simbabwe ist sehr angespannt, die Choleraepidemie breitet sich in alle Landesteile aus. Es sind alle Provinzen und natürlich auch die Hauptstadt von Simbabwe, Harare, betroffen. Die Fallzahlen steigen von Woche zu Woche rasant an. Wir beobachten in dieser Woche eine Steigerung fast auf den doppelten Wert im Vergleich zur Vorwoche.

    Dobovisek: Die Cholera ist ein bakteriell verursachter Brechdurchfall. Warum ist der so gefährlich?

    Bachmann: Cholera, wenn sie einen Menschen infiziert hat, führt zu rasanter Dehydrierung. Eine Person verliert innerhalb von wenigen Stunden durch Durchfall und Erbrechen mehrere Kilogramm Körpergewicht, Flüssigkeit, und mit der Flüssigkeit geraten Säure-Basen-Haushalte, PH-Wert und die Elektrolyte aus dem Gleichgewicht und das führt zum Tod von Patienten.

    Dobovisek: Die Behandlung ist denkbar einfach, nämlich mit Salz-Traubenzucker-Lösung. Warum fehlt es selbst an solchen einfachen Mitteln?

    Bachmann: Cholera ist im Prinzip eine einfach zu behandelnde Krankheit, allerdings erfordert sie ein rechtzeitiges Handeln und dann auch ein sehr rasches, zielgerichtetes Handeln. Viele von den Patienten erreichen ein Cholera-Behandlungszentrum zu spät, in einem lebensbedrohenden Zustand, oder versterben auf den Weg in ein Cholera-Behandlungszentrum. In Simbabwe, das so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland, gibt es viele Menschen, die in ländlichen Gebieten wohnen und oft 30 bis 70 Kilometer Fußmärsche auf sich nehmen müssen beziehungsweise dorthin getragen werden müssen, was viel Zeit erfordert.

    Dobovisek: Wie können Sie als Hilfsorganisation vor Ort Hilfe leisten?

    Bachmann: Wir von Ärzte ohne Grenzen haben uns auf die unmittelbare medizinische Notfallarbeit konzentriert, das heißt, wir haben in verschiedenen Landesteilen und auch an zwei Stellen in der Hauptstadt Harare Cholera-Behandlungszentren errichtet, in denen wir Menschen Rehydrierungstherapie zuteil werden lassen können, und zusätzlich haben wir in den betroffenen Gemeinden Stützpunkte errichtet, wo Patienten diese Salz-Traubenzucker-Lösung zum Trinken bekommen können, bevor sie so schwach werden, dass sie dann nicht mehr trinken können und dann nur noch durch Infusionslösungen behandelt werden können.

    Dobovisek: Wie gefährlich ist Cholera für die Nachbarländer wie zum Beispiel Südafrika, das schon viele Flüchtlinge aus Simbabwe aufgenommen hat?

    Bachmann: Cholera kennt keine Grenzen, Cholera wird in erster Linie durch verunreinigtes Trinkwasser verbreitet, allerdings dann auch überall dort, wo Menschen in großer Menge dicht versammelt sind, das heißt, Cholera ist natürlich überall dort massiert, wo große Menschenansammlungen sind. Das ist entlang von Transitkorridoren, wo viele Menschen in Bewegung sind, wie gesagt, Cholera kennt gar keine Grenzen.

    Dobovisek: Beobachten wir da im Moment die Entstehung eines Flächenbrands im südlichen Afrika?

    Bachmann: Man muss bedenken, dass Cholera viel in weiten Teilen des Südens Afrikas und des Osten Afrikas endemisch, das heißt, Cholera gab es dort schon immer und gibt es immer, das heißt, Cholera ist in diesen Ländern keine unbekannte Größe. Und mit dem Einsetzen der Regenzeit, die gerade jetzt begonnen hat, gibt es üblicherweise im Süden und Osten Afrikas immer wieder Cholera-Epidemien. Das ist kein ganz neues Phänomen.

    Dobovisek: Allerdings ist die Härte und das Ausmaß der Epidemie momentan in Simbabwe doch bemerkenswert. Simbabwes Präsident Robert Mugabe wird nicht nur als autoritärer Herrscher kritisiert, sondern auch für seine Misswirtschaft und jetzt sein Krisenmanagement. Wie ist die Stimmung im Land? Könnte Mugabe letztlich über die Cholera stürzen?

    Bachmann: Wir von Ärzte ohne Grenzen, wir müssen uns auf unsere medizinische Tätigkeit fokussieren und können die politische Dimension von Cholera nicht weiter in unserer Arbeit bedenken. Faktum ist, dass Cholera in diesem Jahr die Bevölkerung von Simbabwe massiv bedroht und massiv betrifft und wir vermutlich erst am Beginn einer langen, langen Cholera-Epidemie stehen, deren Höhepunkt vermutlich noch gar nicht erreicht ist.