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Christen, Muslime und die Religionskritik
So schnell wird Gott nicht zornig

Einst haben sich Muslime auch über ihre eigene Religion lustig gemacht. Doch das ist lange her. Aus dem dicken Fell ist eine dünne Haut geworden. Die Folge: Wer Religionen kritisiert, muss mit Anfeindungen rechnen - bis hin zu Gewalt. Weniger gewalttätig, aber doch erregt - so reagieren immer wieder auch Christen auf Kritik und Spott.

Von Burkhard Schäfers | 22.06.2016
    Die erste Ausgabe von "Charlie Hebdo" nach dem Anschlag zeigt eine Karikatur Mohammeds auf dem Titel
    Die einen lachen, die anderen kommen ins Nachdenken, andere fühlen sich persönlich getroffen. Was darf Religionskritik? (imago stock&people)
    Gott verspotten – das machen Menschen, seit es Menschen gibt:
    "Du, der Du alle Geheimnisse kennst, kannst Du nicht einmal einen Esel von einer Kuh unterscheiden?"
    Gott verspotten – das machen Menschen auch in Regionen und in Religionen und in Zeiten, wo wir es nicht vermuten würden.
    "Du Geheimniswisser, zehn Tage hast Du gebraucht, nur um diesen Flicken zusammen zu nähen? Sind die anständigen Kleider in Deinem Schatzhaus etwa alle verbrannt, dass Du all diese Lumpen zusammenflicken musstest?"
    Heißt es in Erzählungen von Fariduddin Attar, einem islamischen Mystiker. Attar verspottet Gott - scharf und bitterböse. Und das im 12. und 13. Jahrhundert in Persien. Gott verspotten - dabei ist Attar nicht allein. Dem persischen Dichter Omar Chajjam, der einige Jahrzehnte früher lebte, werden folgende Worte zugeschrieben:
    "Du sagst, in den Flüssen wird Wein fließen - ist denn das Paradies eine Kneipe?"
    "Ist das Paradies etwa ein wunderbares Bordell?"
    Beide - Fariduddin Attar und Omar Chajjam - wurden zu Lebzeiten verehrt, auch weil sie gegenüber der Religion keine falsche Zurückhaltung übten. Und heute werden Wissenschaftler eingeschüchtert, Künstler wegen Blasphemie verurteilt, Satiriker von Terroristen ermordet.
    Gewalt gegen Religionskritiker heute
    Haben sich die Grenzen der Toleranz verschoben? Wie reagieren Christen und Muslime auf Kritik an ihrem Glauben - damals und heute? Zu Omar Chajjams Zeiten wäre wohl niemand darauf gekommen, den Dichter der Ketzerei zu beschuldigen, sagt Katajun Amirpur, Professorin für Islamische Studien an der Universität Hamburg:
    "Man ertrug die religionskritischen Sprüche Andersdenkender mit relativ großer Gelassenheit. Diese Art der Toleranz wurde geboren aus einem Gefühl der Stärke, der Überlegenheit gegenüber dem Stänkerer."
    Etwas hat sich verändert. Aus dem dicken Fell ist eine dünne Haut geworden. Wer Religionen kritisiert, muss damit rechnen, dass sich viele erregen - mit Anfeindungen bis hin zu Gewalt.
    Im Jahr 2012 sorgt der Fall des türkischen Komponisten Fazıl Say für Schlagzeilen. Der Pianist macht sich auf Twitter über den Koran und über einen Muezzin lustig. Der Clou daran, Fazıl Say veröffentlicht Kurznachrichten mit Zitaten von Omar Chajjam, dem mittelalterlichen persischen Dichter. Daraufhin wird der Komponist gleich mehrfach angezeigt - wegen Verunglimpfung religiöser Werte. Grundlage ist ein Passus im türkischen Strafrecht, der - so wörtlich - die "Verunglimpfung der religiösen Werte von Teilen der Bevölkerung" unter Strafe stellt. Einige Monate später wird Say wegen Blasphemie zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
    Ein anderes Beispiel ist der 2010 verstorbene ägyptische Koranwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid: Als er Anfang der 90er Jahre Kritik an muslimischen Predigern übt, verweigert ihm die Universität Kairo die Beförderung zum ordentlichen Professor. Abu Zaid gilt wegen seiner Veröffentlichungen als Ketzer. Besonders umstritten ist, dass er den Koran als Produkt seiner Kultur betrachtet.
    "Für Abu Zaid war es geradezu heidnisch zu behaupten, es gebe nur eine einzige gültige Koraninterpretation. Dieser Akt der Selbstvergottung, diese Absolut-Setzung des eigenen Textverständnisses vertrage sich schlecht mit dem für den Islam zentralen Prinzip des Monotheismus, sagte er."
    Doch mit dem freien Denken, der Freiheit der Lehre ist es in gewissen muslimischen Kreisen nicht weit her. Auch im Falle Abu Zaid. Ein populärer ägyptischer Freitagsprediger verfasst ein Gutachten. Darin heißt es, Abu Zaids Schriften stellten eine abscheuliche Beleidigung für die Religion dar. Wegen angeblichen Abfalls vom Glauben annulliert ein religiöses Ehegericht kurz darauf sogar die Ehe Abu Zaids. Der Wissenschaftler bekommt Morddrohungen und zieht daraufhin Mitte der 1990er Jahre in die Niederlande.
    Die Beispiele zeigen, zwar gibt es auch im Islam eine lange Geschichte der Religionskritik, aber das scheinen in jüngster Zeit viele vergessen zu haben. Bei einer Tagung der katholischen Akademie Stuttgart-Hohenheim spricht Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur von einer "Krise des Denkens im heutigen Islam".
    Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur
    Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur (picture alliance / dpa/ Hermann Josef Wöstmann)
    "Religionskritik ist bezogen auf den Islam sicherlich kein Spezifikum der westlichen, säkularen Neuzeit. Aber wir haben wohl verlernt, damit umzugehen. Die großartige Debattenkultur, die durch Zweifel, Skeptizismus, Hadern und Fragen gezeichnet war, ist uns heute verloren gegangen, wo das Verketzern zu einem Mittel der politischen Auseinandersetzung geworden ist."
    Was ist Blasphemie und Ketzerei, was notwendiger Widerspruch und zielführende Kritik? Nicht nur der Islam, auch das Christentum hat da so seine Erfahrungen.
    Religionskritik will den Spiegel vorhalten
    Der Versuch einer Annäherung. Religionskritik will den Glaubenden einen Spiegel vorhalten. Sie nimmt Menschen ins Visier, die im Namen der Religion Irrwege beschreiten. Kritik wendet sich gegen Selbstgerechtigkeit, falsch verstandene Moral, dogmatische Ideologien und Bigotterie.
    Themen gibt es genug. Religiöse Ge- und Verbote, die Rolle der Frau, Verschwendung und Prunksucht bis hin zur Gewalt im Namen Gottes. Fragen, an denen sich auch Kabarettisten und Satiriker reiben. Religionskritik findet sich auch in der bildenden Kunst und in der Literatur, in Musik, Theater und Film.
    "Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute!"
    Schreibt der Apostel Paulus. Und bei Petrus heißt es:
    "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt."
    Manche Theologen sehen in diesen Worten der Apostel die ersten Aufrufe zu Kritik und Selbstreflexion. Zweifel, Widerspruch und Debatte sind demnach nicht erst Folge der Aufklärung oder der Säkularisierung, sondern deutlich älter. Sie können von außen kommen, oder von Mitgliedern der jeweiligen Religion.
    Bereits in den Anfängen habe Kritik dazu beigetragen, dass sich Religionen weiterentwickelt hätten, erklärt Joachim Valentin, Professor für christliche Religions- und Kulturtheorie an der Universität Frankfurt. Denn entstanden seien sie aus vorreligiösen Mythen.
    "Von daher hat es schon früh innerhalb der Religion zum Beispiel die prophetische Selbstkritik gegeben. Also Kritik ist ein Mittel zur Perfektionierung von Religion immer schon gewesen."
    Schon bei den alt-israelischen Propheten
    Historisch betrachtet komme intern geübte Religionskritik erstmals bei den altisraelischen Propheten vor.
    "Wir haben etwa bei den frühen Propheten Amos, Micha, Jesaja eine ausgeprägte Kritik an den sozialen Missständen, die damals herrschten. Die Propheten sind solche, die auf die Realität schauen und das Gesetz Gottes zur Geltung bringen wollen, ein Gesetz, das gut ist für die Menschen."
    Darüber hinaus ist es vor allem die Philosophie, die religiöse Lehren hinterfragt. Kant, Fichte und Hegel gelten noch als religionsfreundliche Denker. Insbesondere die Philosophen der Aufklärung jedoch erschüttern die christliche Theologie. Feuerbach, Nietzsche, Marx und andere bezeichnen Religion als Konstrukt und Illusion. Etwa bei Karl Marx:
    "Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewusstsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben, oder schon wieder verloren hat."
    Oder Ludwig Feuerbach:
    "Die Vorstellung, dass Glaube etwas ganz anderes sei als Aberglaube, ist von allem Aberglauben der größte."
    Und Friedrich Nietzsche:
    "Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse gegen uns Denker, im Grunde sogar bloß ein faustgrobes Verbot an uns: ihr sollt nicht denken!"
    Doch selbst die fundamentalste Religionskritik schafft es nicht, Glaubende vom Glauben abzubringen. Im Gegenteil: Als Reaktion auf die Aufklärung entstehen an den Universitäten die Fächer Fundamentaltheologie und Systematische Theologie mit dem Ziel, den Glauben vor der Vernunft zu rechtfertigen.
    Anders die Entwicklung in der Philosophie. Dort hätten sich eine Zeit lang immer weniger Intellektuelle mit religiösen Fragen beschäftigt, meint Professor Valentin.
    "Wir kennen gar nicht mehr die Vorstellung, dass man mit philosophischen Instrumenten zum Beispiel den Gottesbegriff durchdenkt. Das ist aber gerade heute ein Verlust, denn wir leben nicht in einer säkularisierten Gesellschaft, sondern in Gesellschaften, die notwendig einer Reflexion bedürfen angesichts breiter religiöser Praxis und religiös motivierter Konflikte."
    "Der Koran ist ein rauchender Colt"
    Bei aller Verschiedenheit in der Frage, was von Religion zu halten ist - in einem sind sich offenbar doch die meisten einig: Der Versuch, Religion zur Privatsache zu erklären, ist misslungen. Sie bleibt auch in säkularer werdenden Umgebungen ein öffentlicher Faktor, also muss sich die Gesellschaft damit auseinandersetzen. Viele meinen - auch und gerade in Form der Religionskritik. So manche Anfrage aus dem atheistischen Raum sollte sich Religion durchaus zumuten, findet Joachim Valentin.
    "Die marxistische Kritik etwa, die freudianische Kritik weisen zum Beispiel auf psychisch krank machende religiöse Strukturen hin bei Freud. Oder auf soziale Ungerechtigkeit, die von der Kirche gestützt wird bei Marx. Es gibt aber auch solche, die unter dem Motto 'Glaubst du noch oder denkst du schon' einen aggressiven Laizismus oder Atheismus als gesellschaftliche Gruppe, als Weltanschauung stark machen wollen. Und für die kein Mittel zu schade ist, Religion auf populistische Weise zu desavouieren. Das tut man häufig, indem man Religion zum Pappkameraden macht und dabei übersieht, dass Religionen sehr viel anspruchsvoller sind als sie in der Ideologie dieser banalen Religionskritik aussehen."
    Wo aber verläuft die Grenze? Was die einen als banal abtun, gilt den anderen als gut begründeter Einwand. Richard Dawkins, Evolutionsbiologe und Vertreter des so genannten Neuen Atheismus:
    "Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, so nennt man es Geisteskrankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, dann nennt man es Religion."
    Michael Schmidt-Salomon, Philosoph und Religionskritiker:
    "Während die Kultur der Menschenrechte von einem 'ethischen Monismus' ausgeht, also ein und dasselbe Prinzip auf alle Menschen gleichermaßen anwendet, beruhen Religionen auf einem 'moralischen Dualismus', das heißt, auf einer moralischen Unterscheidung zwischen Personen, die der eigenen Gruppe angehören und solchen, die außerhalb dieser Gruppe stehen."
    Der Philosoph, Autor und religions- und kulturkritische Publizist Michael Schmidt-Salomon aufgenommen am 15.03.2015 in Köln.
    Der Philosoph, Autor und religions- und kulturkritische Publizist Michael Schmidt-Salomon aufgenommen am 15.03.2015 in Köln . (dpa / picture-alliance / Horst Galuschka)
    Necla Kelek, Soziologin und Islamkritikerin:
    "Der Islam ist als Religion gescheitert. Und zwar bereits im Jahr 622 in Mekka. Mohammed konnte die Bewohner von Mekka nicht von seinen zum Teil mystischen Offenbarungen überzeugen und musste sich nach Medina absetzen. Dort wurde aus ihm ein Kriegsherr und aus seiner Botschaft eine Herrschaftsideologie. […] Der Koran ist ein rauchender Colt."
    Gesetze gegen Gotteslästerung komplett abschaffen?
    Ablehnung, Widerspruch, Polemik: Die einen lachen darüber, die anderen kommen ins Nachdenken, wieder andere fühlen sich persönlich getroffen. Was also darf Religionskritik? Wo liegen ihre Grenzen? In Deutschland besteht ein Spannungsfeld zwischen Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit einerseits sowie dem staatlichen Schutz der Religion andererseits. Im Strafgesetzbuch regelt Paragraf 166 die so genannte "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen", erklärt Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Berliner Humboldt-Universität.
    "Blasphemie war bis 1969 ohne Einschränkung strafbar. Und zwar gegenüber jeder Religionsgemeinschaft, also auch gegenüber kleinen wie vor allem den jüdischen Gemeinden. Seit 1969 hat man das eingeschränkt. Inzwischen ist die Beschimpfung von Bekenntnissen nur noch strafbar, wenn das verbunden ist mit einer Eignung zur Friedensstörung. Das heißt also, dass die öffentliche Ordnung gefährdet ist und nicht bloß das Bekenntnis beschimpft ist."
    Paragraf 166 schützt also den öffentlichen Frieden, nicht ein bestimmtes Bekenntnis oder die religiösen Gefühle von Menschen. Aber dass es in Deutschland den so genannten Blasphemie-Paragrafen gibt, zeigt, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit hat durchaus Grenzen. Das Recht trifft hier eine feine Unterscheidung. Beleidigen lassen sich nur einzelne Menschen, nicht ein ganzes Bekenntnis oder eine Religion. Insofern betrachten manche den Paragrafen 166 als wichtige Ergänzung. Andere hingegen sehen darin ein Relikt vergangener Zeiten und fordern, ihn abzuschaffen. Darunter die Vereinigung PEN, ein Zusammenschluss von Schriftstellern.
    Auch Heiner Bielefeldt, Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit bei den Vereinten Nationen, sähe den 166er am liebsten gestrichen. Bielefeldt fordert weltweit das Ende von Gesetzen gegen Gotteslästerung. Vor allem, weil in Ländern wie Pakistan und Saudi-Arabien den Beschuldigten drakonische Strafen drohen.
    In Deutschland kommen pro Jahr lediglich rund ein Dutzend Fälle von Blasphemie vor Gericht. Jüngst wurde ein pensionierter Lehrer wegen blasphemischer Sprüche auf seinem Auto zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. 2014 musste ein Münchner Politaktivist 2500 Euro Strafe zahlen, weil er auf einer Internetseite den Islam als "Krebsgeschwür" bezeichnet hatte.
    Obwohl der Tatbestand der Bekenntnisbeschimpfung nur selten greift, hat er etliche Befürworter, nicht nur unter Religionsvertretern. Beim Deutschen Juristentag 2014 waren rund drei Viertel der Rechtsexperten dafür, die Regelung beizubehalten. Sie gebe religiösen Minderheiten das Gefühl existenzieller Sicherheit, so die Juristen.
    Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Berliner Humboldt-Universität:
    "Es geht ja nur um relativ massive verbale Angriffe, also Schmähkritik, Diffamierung, massive Schläge unter die Gürtellinie. Und dann, denke ich, muss der Staat nicht weggucken. Er muss nicht akzeptieren, dass sinnlose Schmähkritik ohne sachlichen Grund geführt wird. Und dann noch obendrein das gedeihliche Zusammenleben in der Gesellschaft gefährdet wird. Wieso da Religionsgemeinschaften besonders hervorgehoben sind, hängt damit zusammen, dass hier eine besonders leichte Erregung passiert."
    Gewalt im Namen des Islams bloßstellen
    Das wiederum stößt manchen auf. Wer besonders empfindlich reagiert, wird besonders geschützt? Sind vor diesem Hintergrund etwa Muslime besser gestellt als andere Bekenntnisse?
    "Das ist natürlich auch ein Kritikpunkt dieser Friedensstörungsorientierung. Deswegen wurde auch gefordert, dass man diese Friedensstörungseignung wieder streichen soll, damit Christen und Juden gleichermaßen geschützt sind, die sich vielleicht nicht sofort zu Gewalttätigkeiten hinreißen lassen."
    Der Terroranschlag auf Charlie Hebdo oder die Ausschreitungen nach den Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung ‚Jyllands-Posten‘ - manchmal haben die Reaktionen auf provokative Religionskritik schreckliche Folgen. Manche Muslime fühlen sich gedemütigt und ausgegrenzt - egal ob berechtigt oder unberechtigt, egal ob produktiv oder kontraproduktiv. Diese Gefühle ließen sich leicht instrumentalisieren, erklärt Armina Omerika, Professorin für Ideengeschichte des Islam an der Universität Frankfurt.
    Lustig, gotteslästerlich oder einfach nur daneben? Ein Teilnehmer des Berlin-Marathons 2014 verkleidete sich als Jesus Christus.
    Lustig, gotteslästerlich oder einfach nur daneben? Ein Teilnehmer des Berlin-Marathons 2014 verkleidete sich als Jesus Christus. (dpa / picture alliance / Stephanie Pilick)
    "Natürlich ist es im Moment aufgrund der gegenwärtigen geopolitischen Lage und auch einer intellektuellen Krise in der islamischen Welt der Fall, dass bestimmte politische Akteure sehr, sehr leicht religiöse Gefühle für eine politische Mobilisierung ausnutzen können. Das ist im Fall der dänischen Karikaturen passiert, wo eine Reaktion erst gute vier Monate stattfand, nachdem sie bekannt geworden sind. Aber auch erst nach entsprechenden politischen Agitationen. Und das ist auch der Fall bei Charlie Hebdo, wo aus dem extremsten Spektrum des gegenwärtigen Islams die Reaktionen kamen."
    Gewalt im Namen des Islams bloßzustellen - das sei eine wichtige Aufgabe der Religionskritik, sagt die muslimische Theologin. Allerdings würden zu wenig Muslime den Nutzen dieser Ideologiekritik erkennen. Sie wüssten zu wenig über ihre Religion.
    "Das heißt, dass viele Muslime gelassenere Umgänge mit Religionskritik auch nicht bekannt sind. Und dass gegenwärtige Identitätsbildungen häufig aufgrund von einer äußerst selektiven Wahrnehmung geschehen."
    Fundierte Kritik könne Fehlentwicklungen entgegensteuern, sagt die Hamburger Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. Geistreiche Provokation und argumentativer Widerspruch trügen dazu bei, das Wesen der Religion von ihrem Unwesen zu trennen.
    "Nicht nur bereichern diese Diskussionen intellektuell. Sondern diese Religionskritik ist absolut notwendig, weil gerade der Anspruch auf die Deutungshoheit das wohl größte Übel ist, mit dem die islamischen Gesellschaften heute zu kämpfen haben."
    Provokation erzeugt Erregung, Widerspruch ruft Widerstand hervor. Wer sich getroffen fühlt, kann sich an den Rat eines antiken Philosophen halten - und zwar an Epiktet.
    "Sagt man Böses von dir und es ist wahr, so bessere dich; sind es Lügen so lache darüber."