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Christian Ulmen
Der leidenschaftslose Opinion-Leader

"Ich brauche unendlich lange, bis ich eine Meinung habe." Christian Ulmen klingt ein bisschen nachdenklich - und neidisch auf diejenigen, die sofort zu allem eine Twitter-Botschaft parat haben. Doch die Nachdenklichkeit führt zu Klarheit über das eigene Business-Modell.

Von Christian Ulmen | 26.10.2017
    Der Schauspieler und Produzent Christian Ulmen.
    Christian Ulmen (dpa / Jens Kalaene )
    Hallo liebe Hörerinnen und Hörer hier auf mediasres, grüße Sie ganz herzlich,
    ich möchte Sie kurz an meinem gedanklichen Leid teilhaben lassen. Erlauben Sie mir einen kleinen Ausflug in eigener Sache. Wir gehen ja nun schon längere Zeit diesen Kolumnen-Weg gemeinsam, liebe Hörerinnen und Hörer. Mir – und vielleicht geht es Ihnen auch so- mir wird von Mal zu Mal klarer, dass ich gar keine Meinung habe. Er fällt mir wahnsinnig schwer, zu Dingen eine Haltung zu erzeugen. Ich brauche unendlich lange, bis ich eine Meinung habe. Ich schwanke auch - permanent. Ich bin so leicht zu überzeugen vom Gegenteil. Ich wach morgens auf als Links-Partei-Wähler und geh abends als FDP-Mitglied ins Bett.
    "Dann baue ich mir meine Meinung"
    Ich hab ewig gebraucht, bis ich akzeptiert habe, dass ich die Pate-Trilogie mag - hab ich lange gehadert. Dauert ewig bei mir – ich krieg das... Und andere, die können sofort tweeten und twitter, die sehen was oder hören was und haben - zack - da ne Meinung, da mal ne Haltung – whow. Das habe ich überhaupt nicht. Ich ein unglaublich leidenschaftsloser Opinion-Leader. Und dafür möchte ich mich bei allen, die mich als ihren Opinion-Leader hier auf mediasres sehen entschuldigen.
    Ich hab gar keine Meinung. Ich baue mir das oft, baue mir so Pointen. Oder denk, ja mit der Haltung kann ich da Tauber ärgern oder jetzt freut sich meine Mutter oder so. Und dann bau ich mir meine Meinung nach diesen Kriterien. Versehen Sie, ist nicht wirklich meine Meinung. Ich bau einfach Zeug raus. Und ich dachte, ich muss aufhören. Ich kann unter diesen Umständen ja nicht Kolumnen machen - als Mensch ohne Meinung. Und dann aber ist mir ein Licht aufgegangen. Es geht ja gar nicht darum, dass ich das mit Leidenschaft machen muss, sondern das ist – natürlich ist Kolumnist sein auch Business. Und das ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Was tue ich mich da so schwer.
    "Dass dein Business-Modell deine innere Haltung vorgibt"
    Ich hab nämlich ein Interview gelesen mit Anke Schäferkordt. Das ist eine riesen..., ein Magnet, ein Managermagnet. Man hört zu, wenn sie spricht. Ist die Chefin von der RTL-Group, Geschäftsführerin des RTL Konzern - können Sie ja mal googeln... Die ist gefragt worden von der Süddeutschen: Frau Schäferkordt, was schauen Sie eigentlich persönlich gern im Fernsehen? Also gucken Sie auch Netflix und Amazon und all die andern Plattformen? Und dann antwortete die Frau Schäferkordt – Achtung: Ich habe alles an Bezahlangeboten abonniert, was derzeit so auf dem Markt ist. Ich behalte den Wettbewerb um die Gunst der Zuschauer immer im Auge. Da heißt, sie wird gefragt, was sie sich persönlich anguckt, und die Antwort ist, sie behält den Wettbewerb um die Gunst der Zuschauer immer im Auge. Sie guckt sich also auch persönlich business-orientiert Dinge an. So geht's. Die zweite Frage an sie ist: Wo bleiben Sie dann so hängen. Hat der Reporter von der Süddeutschen versucht, aus ihr heraus zu kitzeln, was mag sie denn gern leiden, was guckt sie sich gern an im Fernsehen. Und sie antwortet: Ich habe für mein Alter ein eher jungen Geschmack. Aber viele der Serien, die heute 20-Jährigen begeistern, sind nicht unbedingt das, was ich mir andauernd und mit Begeisterung anschaue. Ich mag zum Beispiel Fortsetzungsgeschichten nur über einige wenige Episoden. Das meiste davon hätte bei unseren Sendern übrigens keinen Erfolg. Auf hier - sie ist sofort beim Sender. Sie wird gefragt, wo sie leidenschaftlich fernsieht, was sie gern guckt und sie – ja, das hätte bei uns kein Erfolg.
    Und das ist das Ding. Du musst den Bewusstseinszustand erlangen, dass dein Business-Modell deine innere Haltung vorgibt. Und das merke ich mir für meine nächsten Kolumnen. Wenn ich wieder mit mir hadere - ich bin so ein leidenschaftsloser Typ - einfach dran denken, was will der Hörer, was möchte der von mir jetzt hören, wann habe ich Erfolg und wo liegt die Gunst meines Hörers. Nur dass Sie wissen, dass ich jetzt meine nächsten Kolumnen dahin gehend ausrichte. Ja? In diesem Sinne. Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend, stayen Sie fresh. Ihr Chreisten Almen. Bye, bye.