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Chronik der Urgewalten

Geologie. – Erst jüngst forderte in Algerien erneut ein schweres Erdbeben zahlreiche Menschleben. Wieder traf das Ereignis sowie seine Nachbeben die Menschen völlig unvorbereitet, denn trotz modernster Forschungsmethoden lassen sich Erdbeben noch immer kaum vorhersagen. Allerdings können Geologen Risikogebiete bestimmen, in denen in absehbarer Zeit eine Wahrscheinlichkeit für ein schweres Erdbeben besteht. Dazu gehört auch die Region um die Schweizer Großstadt Basel. Dort gehen Forscher mit einem neuen Ansatz an die Bebenprognose heran.

10.06.2003
    Von Thomas Wagner

    21. Oktober 1356 – das war der Tag, an dem in Basel die Katastrophe ihren Lauf nahm:

    Das war ein zerstörerisches Erdbeben. Abends um zehn Uhr kam das Hauptbeben, also wirklich der große Stoß mit sehr vielen Schäden, also nicht nur in Basel, sondern auch um Basel herum in den Burgen um Basel.

    Das Beben hatte damals die Stärke 6,9 auf der Richter-Skala, so Donat Fäh vom Erdbebendienst der ETH Zürich. Doch was noch viel bedeutender ist: Im Durchschnitt ereignete sich in Raum Basel alle 2000 Jahre ein schweres und alle 100 Jahre ein leichteres Erdbeben. Das Basler Erdbeben von 1356 war das größte jemals nachgewiesene Beben, das sich in Mitteleuropa nördlich der Alpen ereignet hat. Die Region Basel gilt zusammen mit den deutschen Grenzgemeinden in den Landkreisen Lörrach und Waldshut als ein potentiell hochgefährdetes Erdbebengebiet in Mitteleuropa. Der Züricher Erdbebenforscher Donat Fäh kennt dafür auch den Grund:

    In Zentraleuropa herrscht eigentlich ein großer Mechanismus vor der Tektonik. Das ist die Bewegung der afrikanischen Platte auf die eurasische Platte. Und diese Bewegung ist dafür verantwortlich, dass sich die Alpen bilden, und sie ist eigentlich für – sagen wir – das gesamte Spannungsfeld im zentralen Teil von Europa verantwortlich.

    Das erklärt, weshalb die Erde in Europa ganz prinzipiell gelegentlich ins Beben kommt. Warum aber gerade so heftig und, im Verlauf der Erdgeschichte, so häufig im Raum Basel ? Das hängt mit dem an dieser Stelle auslaufenden Rheingraben zusammen. Der wirkt nach den Erkenntnissen der Züricher Erdbeben-Forscher unter den gegeneinander drückenden Kontinentalplatten als eine Art "Soll-Bruchstelle":

    In Basel befinden wir uns am südlichen Ende des Rheingrabens. Dieser Graben ist eine Struktur, die sich öffnet .Das heißt: Die Rheinebene wird größer. Der Rheingraben und das südliche Ende, wo wir sehr große Veränderungen haben in der tektonischen Struktur, neigen dazu, dass man dort größere Erdbeben beobachten kann. Gerade Basel ist ein spezielles Gebiet: Man hat dort den Übergang von der Rheintalebene zum Jura. Und solche Übergänge sind bekannt dafür, dass man dort tendenziell große Erdbeben beobachten kann.

    Vereinfacht gesagt: In der Region Basel am südlichen Ende des Rheingrabens ist die Oberflächenstruktur der Erde derart instabil, dass sich die aufgebauten Spannungen dort am ehesten im Zuge eines Bebens entladen können. Allerdings: Abgesehen von einigen kleineren Beben, blieb Basel seit dem 18. Jahrhundert von mittelschweren Beben verschont.

    Eine Region, die jetzt seismisch ruhig ist, die baut natürlich über die nächsten 100 Jahre oder über die nächste Zeit Spannung auf. Wenn der kritische Punkt erreicht ist, dann gibt es eben ein Erdbeben.

    Doch wann das soweit sein wird, können die Wissenschaftler nicht voraussagen. Die Parameter, die dabei eine Rolle spielen, sind viel zu komplex, um sich vorausberechnen zu lassen. Viel einfacher gestaltet sich jedoch jenes Verfahren, mit dem die Erdbebenforscher in die Vergangenheit blicken und wie beim Beispiel Basel Erdbeben über viele zehntausend Jahre zurück verfolgen können: Die Paläoseismologie.

    Und zwar wird in der Paläoseismologie nach Spuren in den Lockersedimenten gesucht, allgemein Spuren in der Geologie, die durch Erdbeben verursacht wurden. Das kann zum Beispiel ein Steinschlag sein, das kann Bodenverflüssigung sein, das kann das Abbrechen von Stalagmiten und Stalaktiten in Höhlen sein, und wenn man alle diese Informationen zusammenträgt, kann man über mehrere Tausend Jahre ein Bild herstellen, wie die Erdbebensituation in einer Region war.