Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Chronobiologie
Wie Sonnenblumen den Sonnenstand vorhersehen

Eine "innere Uhr" besitzen viele Organismen. US-Biologen konnten nun zeigen, dass auch in Sonnenblumen ein biologischer Zeitgeber tickt. Der stellt sicher, dass die Pflanzen ihre Köpfe im Tagesverlauf von Ost nach West drehen – gemäß dem Sonnenstand. Doch die Forscher fanden noch mehr Erstaunliches über die Gewächse heraus.

Von Lucian Haas | 05.08.2016
    Sie sehen eine Sonnenblume in einem Garten in Köln, der Himmel ist leicht bewölkt.
    Eine Sonnenblume in einem Kölner Garten. (Deutschlandradio / Jörg-Christian Schillmöller)
    Sonnenblumen haben eine besondere Eigenschaft. Sie richten sich zur Sonne hin aus und schwenken dabei im Tagesverlauf von Ost nach West. Heliotropismus heißt diese Fähigkeit, die ansonsten nur wenige Pflanzen besitzen. Dazu gehört auch, dass sich die Sonnenblumen in den Nachtstunden wieder zurückdrehen, um am Morgen erneut nach Osten zu blicken.
    "Dieses Phänomen der nächtlichen Reorientierung der Sonnenblumen hat mich sehr interessiert", so Stacey Harmer. "Wie schaffen es die Blumen, das Timing und die Richtung des Sonnenaufgangs vorherzusehen? Als Biologin erforsche ich schon länger zirkadiane Rhythmen. Nun wollte ich herausfinden, ob so eine innere Uhr auch bei den Sonnenblumen eine Rolle spielt, oder nicht."
    Bei fixierter Lichtquelle ruhen die Blumen still
    Stacey Harmer ist Biologin an der University of California in Davis. Gemeinsam mit Kollegen zog sie Sonnenblumen in Töpfen heran und stellte sie auf die Probe. Erst durften die Pflanzen im Freien tagelang dem natürlichen Sonnenstand folgen. Dann wurden sie in ein Gewächshaus gestellt, bei dem es nur noch eine fixe Lichtquelle an der Decke gab, die ständig leuchtete. Trotzdem behielten die Sonnenblumen anfangs noch über Tage hinweg ihr Drehmuster von Ost nach West bei, bis sie schließlich zur Leuchtquelle hin ausgerichtet stehen blieben. Für Stacey Harmer war das der Beweis:
    "Die Drehbewegungen der Sonnenblumen basieren auf dem Zusammenspiel zweier Steuermechanismen für das Wachstum. Der eine wird von Photorezeptoren kontrolliert, der andere von einer inneren Uhr. Beide interagieren in einer Weise miteinander, dass sie das rhythmische Hin und Her der heliotropischen Pflanzen verursachen."
    Innere Uhr schaltet Gene an und aus
    Die innere Uhr der Sonnenblumen führt dazu, dass in einem regelmäßigen Rhythmus bestimmte Gene in Zellen rund um den Pflanzenstängel an- und abgeschaltet werden. Im Tagesverlauf wachsen die Zellen erst auf der einen, dann auf der anderen Seite des Stängels stärker, wodurch sich dessen Neigung verändert und damit die Ausrichtung der Blüte.
    Worin aber liegt der Vorteil dieses Verhaltens für die Pflanzen? Auch hierzu machten die Forscher einen Versuch. Bei einem Teil der Sonnenblumen drehten sie nachts die Töpfe um 180 Grad, sodass die Pflanzen morgens fälschlicherweise nach West statt nach Ost ausgerichtet waren. Von ihrer inneren Uhr getrieben, schwenkten diese Blumen dann tagsüber entgegen der Richtung der wandernden Sonne. Und das hatte Folgen, erklärt Harmer.
    "Diese Pflanzen wuchsen schlechter als die Pflanzen, deren Töpfe nicht gedreht wurden. Sie hatten kleinere Blätter, bildeten weniger Biomasse und gediehen schlechter. Vermutlich ist das so, weil die Pflanzen das Sonnenlicht nicht so effizient aufnehmen konnten."
    Drehbewegung macht Blumen attraktiv für Bienen
    Anders gesagt: Die genaue Ausrichtung hin zur Sonne verbessert die Photosyntheseleistung und damit das Wachstum von Sonnenblumen. Stacey Harmers Team machte allerdings noch eine weitere Entdeckung. Die Ausrichtung scheint eine wichtige Rolle dabei zu spielen, wie attraktiv die Sonnenblumen für Bienen als Bestäuber sind, vor allem in den Morgenstunden.
    "Am meisten hat mich überrascht, wie sehr Bienen die zur Sonne ausgerichteten Blumen bevorzugten. Die nach Osten blickenden Blumen wurden morgens fünf Mal häufiger von Bienen besucht als die nach Westen orientierten."
    Einen Grund dafür haben die Forscher auch schon herausgefunden. Durch die Ausrichtung zur Sonne erwärmen sich die Blumen morgens schneller, und das macht sie für Insekten attraktiver. Möglicherweise setzen wärmere Blüten auch mehr Duftstoffe frei. Ob das stimmt, will Stacey Harmer in einer weiteren Studie klären.