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Claudia Gather, Birgit Geissler, Maria S. Herrich (Hrsg.): Weltmarkt Privathaushalt. Bezahlte Haushaltsarbeit im globalen Wandel.

Weltweit, so belegen uns Statistiker, öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Billiglohnjobs ohne Netz und doppelten Boden haben auch in reichen Industriestaaten längst Hochkonjunktur - Tendenz zunehmend, wenn Arbeit und Reichtum nicht anders verteilt werden, wofür die Aussichten gegenwärtig schlecht stehen. Zu den Billiglohnjobs zählt auch die Hausarbeit. Dienstboten schienen für eine Weile eine Erscheinung vergangener Jahrhunderte, nun kommen sie mehr und mehr in Mode. Die einen können es sich leisten, die anderen sind darauf angewiesen unter nahezu jeder Bedingung Arbeit finden zu müssen. Wie man sich die Bedingungen bezahlter Hausarbeit in Zeiten globalen Wandels vorstellen muss, davon handelt ein neuer Sammelband aus dem Verlag Westfälisches Dampfboot, erschienen unter dem Titel: Weltmarkt Privathaushalt. Barbara Eisenmann hat das Buch für uns gelesen.

Barbara Eisenmann | 06.01.2003
    Weltweit, so belegen uns Statistiker, öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Billiglohnjobs ohne Netz und doppelten Boden haben auch in reichen Industriestaaten längst Hochkonjunktur - Tendenz zunehmend, wenn Arbeit und Reichtum nicht anders verteilt werden, wofür die Aussichten gegenwärtig schlecht stehen. Zu den Billiglohnjobs zählt auch die Hausarbeit. Dienstboten schienen für eine Weile eine Erscheinung vergangener Jahrhunderte, nun kommen sie mehr und mehr in Mode. Die einen können es sich leisten, die anderen sind darauf angewiesen unter nahezu jeder Bedingung Arbeit finden zu müssen. Wie man sich die Bedingungen bezahlter Hausarbeit in Zeiten globalen Wandels vorstellen muss, davon handelt ein neuer Sammelband aus dem Verlag Westfälisches Dampfboot, erschienen unter dem Titel: Weltmarkt Privathaushalt. Barbara Eisenmann hat das Buch für uns gelesen.

    Vor gut hundert Jahren tauchte in frauenpolitischen Debatten die so genannte Dienstbotenfrage auf. Frauenbewegte bürgerliche Frauen mussten sich fragen, inwieweit sie sich mit den Forderungen ihrer weiblichen Dienstboten um verbesserte Arbeitsbedingungen solidarisieren würden. So wurde ein in der Privatsphäre verankerter Gegenstand zu einem öffentlichen Thema, und die feministische Politisierung des Privaten nahm damit ihren nicht immer geradlinigen Lauf. Bürgerliche und proletarische Frauen sollten dann auch getrennte Wege einschlagen, denn die unterschiedliche Klassenzugehörigkeit war stärker als das Geschlecht. Allerdings existierte ein gemeinsames Verständnis von Hausarbeit als genuin weiblicher Aufgabe. Die historische Entwicklung hatte diesbezüglich bereits früher eine Wende genommen, wie es in dem Aufsatz von Marianne Friese nachzulesen ist: Hatte man in pädagogischen Auseinandersetzungen im 18. Jahrhundert die weibliche Reproduktionsarbeit nämlich noch als Beruf zu konstituieren versucht, so waren sehr bald schon die Weichen anders gestellt und die Sphären Produktion einerseits und Reproduktion andererseits klar voneinander getrennt worden. Der Reproduktionssphäre wurde im Sinne der Formel "Haushalt statt Beruf" ein professioneller Status nicht zuerkannt. Und erst in den 70er Jahren wurde unter den Stichworten "Arbeit aus Liebe" und "Liebe als Arbeit" die Polarisierung von Beruf und Haushalt thematisiert.

    Heute ist von einem heimlichen Comeback der Dienstmädchen die Rede, und die Dienstbotenfrage stellt sich im veränderten sozioökonomischen Koordinatensystem der Globalisierung neu. Historische Parallelen gibt es freilich auch. Verschiedentlich wird in den hier versammelten Aufsätzen darauf verwiesen, dass berufliche Auswahlmöglichkeiten und Karriere einer Gruppe von Frauen die Dequalifizierung einer anderen Gruppe von Frauen einschließe: damals und heute. Dass dabei den Beziehungen der Frauen eine ethnische Struktur zugrunde liegt, war auch vor hundert Jahren so, als viele Dienstmädchen hierzulande aus Osteuropa stammten. Trotz aller gesellschaftspolitischen Debatten der letzten Jahrzehnte scheint auch die Arbeitsteilung im Haushalt zwischen den Geschlechtern weitestgehend dem traditionellen Modell treu geblieben zu sein. Auch was die Professionalisierung von Hausarbeit betrifft, die ja zuallererst deren Aufwertung als Arbeit erfordern würde, und zwar im Sinne einer Anerkennung der "Produktivität des Reproduktiven", hat sich, auch hier trotz vieler Debatten und einiger politischer Erfolge wie beispielsweise dem der Rentenansprüche für Mütter, faktisch doch wenig getan.

    Dass "Haushaltsarbeit" auch als Gegenstand der sozialwissenschaftlicher Forschung wenig gefragt ist und Sozialwissenschaftlerinnen, die sich damit beschäftigen, u.U. sogar mit Geringschätzung gestraft werden, spiegelt auf anderer Ebene den niederen Status von Hausarbeit wieder. Waschen, kochen, putzen, Kinderpflege selbst ist offenbar ebenso Frauensache, wie die akademische Auseinandersetzung damit.

    Von den 14 Autoren des vorliegenden Sammelbandes ist nur einer ein Mann. Und so wundert es wenig, dass Untersuchungen zum Thema nur spärlich existieren und der Forschungsbedarf mithin groß ist. Im vorliegenden Band wird das Thema "bezahlte Hausarbeit" aus verschiedenen Perspektiven umkreist: quantitativ und qualitativ, theoretisch, historisch, aber auch praktisch-politisch, und es werden dabei beide Seiten des meist informellen Vertragsverhältnisses beleuchtet.

    Klar ist, dass die Nachfrage nach Haushaltshilfen stetig steigt. Das hat damit zu tun, dass die Bevölkerung altert, die Frauenerwerbstätigkeit weiter zunimmt, und nicht zuletzt damit, dass der Staat sich aus Kinderpflege und Altersversorgung mehr und mehr zurückzieht. Statistiker schätzen, dass es in Deutschland 1,4 bis 2,4 Millionen Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten ohne Absicherung durch Sozialabgaben gibt. Gemeint sind damit zumeist prekäre Arbeitsverhältnisse von Migrantinnen, die weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis besitzen. Solange beide Seiten von diesem Arrangement wenn auch ganz unterschiedliche Vorteile haben, wird es diesen rechtsfreien Raum allerdings auch weiterhin geben. So genannte Dienstleistungspools, die in diesem Zusammenhang gerne als Lösungsansatz diskutiert werden, richten sich an Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeempfängerinnen, haben also die Arbeitskräfte ohne Papiere, die Migrantinnen, um die es in der Frage der bezahlten Hausarbeit eigentlich geht, gar nicht im Blick.

    Bei Claudia Weinkopf, die sich in ihrem Beitrag mit der Möglichkeit regulärer Beschäftigung durch Dienstleistungspools beschäftigt und dieses Modell auch grundlegend befürwortet, geht die Kritik daran allerdings in eine andere Richtung: Weil es derartigen Pools bislang nicht gelungen ist, kostendeckend zu arbeiten, wird letztlich ein Mehr an öffentlicher Subventionierung eingeklagt. Inwieweit der Staat die Schaffung eines Billiglohnsektors unterstützen soll, ist allerdings eine heikle Frage. Zwar ist diese Entwicklung grundsätzlich wohl nicht mehr aufzuhalten, doch bleibt die Frage berechtigt, ob amerikanische working poor-Verhältnisse geschaffen werden sollen, die Arbeiter im Niedriglohnsektor zur Übernahme gleich mehrerer schlecht bezahlter Jobs zwingen. Dass damit quasi Dritte-Welt-Verhältnisse politisch sanktioniert würden, wie vielerorts in den USA längst geschehen, sollte schon zu denken geben. Vor gut 50 Jahren hat ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler die Verwandlung der Frauen in eine Dienerkaste ohne Bezahlung als eine außerordentliche ökonomische Leistung gefeiert. Heute bedauern manche Ökonomen, dass deutsche Frauen immer noch zuviel selbst erledigten und eine Neuauflage des US-amerikanischen Niedriglohnjobwunders im häuslichen Dienstleistungsbereich dadurch hierzulande verhindert würde. Auch solche Anschauungen sollten zu denken geben.

    Wie weit der globalisierte Kapitalismus bereits in die Sphäre familiärer Beziehungen eingedrungen ist, wird in Helma Lutz Aufsatz deutlich. Dass längst ein neuer Typ des Fremden existiert, der nicht mehr "heute kommt und morgen bleibt", sondern der ein Leben an verschiedenen Orten zu organisieren hat, der sich in einem Zwischenraum bewegt, wie Homi K. Bhabha es formuliert, ist unumstritten. Was eine solche Existenzform, die als Pendel- oder Zirkelmigration beschrieben wird, im einzelnen bedeutet, dürfte weniger bekannt sein. Migrantinnen sind nämlich häufig Mütter und müssen ihre Kinder in ihrem Heimatland in die Obhut anderer Frauen geben. Für deren Unterhalt wiederum müssen sie dann aufkommen, in dem sie sich andernorts um Kinder und Haushalte kümmern. Das ist nur ein Aspekt der Transnationalisierung von Familienbeziehungen, der unter den Begriffen "globale Fürsorge-Ketten", "transnationale Mutterschaft" oder "Mutterschaft als Handelsware" gegenwärtig diskutiert wird.

    Die einfache Trennung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit ist längst aus den Fugen geraten. Und gerade weil die Privatsphäre hier zum Arbeitsplatz wird, ist es nicht leicht, den alltäglichen Einzelheiten "bezahlter Hausarbeit" nahe zu kommen; noch schwieriger ist oft die Forschungsarbeit, weil es sich um Arbeitsverhältnisse in einer Grauzone handelt, an deren Aufdeckung keine der beiden Seiten ein Interesse hat. Auch eine politische Organisierung der Betroffenen scheiterte bislang nicht nur an deren illegalem Aufenthaltsstatus, sondern auch am privaten Charakter der Arbeit selbst, der ja auch zu gewerkschaftlichen Organisationsformen im Widerspruch steht, was Renate Heubach in ihrem Beitrag thematisiert. Ein klares Arbeitgeber-Arbeitnehmerinnen-Verhältnis existiert nicht, die Arbeitsverhältnisse selbst sind häufig instabil und nicht dauerhaft, Löhne werden nicht kollektiv ausgehandelt und die Isolation von Hausarbeiterinnen ist groß. Die Gewerkschaften selbst haben allerdings auch kein Interesse an informellen Beschäftigungsverhältnissen, zumal wenn es sich dabei um illegale Ausländer handelt.

    Um so mehr ist es zu begrüßen, dass der vorliegende Band Licht in das Dunkel derartiger Verhältnisse bringt. Den Herausgeberinnen ist zu danken, dass die hier versammelten Aufsätze für die Suche nach gerechteren Lösungen Daten und Argumente an die Hand geben. Es muss dabei in erster Linie um eine weniger restriktive Einwanderungspolitik und die Legalisierung von Arbeitsverhältnissen gehen. Politiker müssen endlich begreifen, dass Zuwanderung kein Akt der Gnade ist, sondern Teil des globalen Wirtschaftens selbst, des grenzfreien Verkehrs von Kapital und Waren, aber eben auch von Arbeitskräften. Längst schon haben sich neue temporäre Aufenthaltsformen herausgebildet. All das sollten sich diejenigen genau vor Augen halten, die am schwer errungenen Zuwanderungsgesetz jetzt noch einmal rütteln wollen.

    Barbara Eisenmann besprach: Weltmarkt Privathaushalt; Bezahlte Hausarbeit im globalen Wandel, herausgegeben von Claudia Gather, Birgit Geissler und Maria S. Rerrich. Das Buch ist im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienen, hat 237 Seiten und kostet 20.50 €..