Donnerstag, 28. März 2024

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Claudio Monteverdi - "Selva morale e spirituale"

Heute möchte ich Ihnen eine in jeder Hinsicht außergewöhnliche Neuaufnahme aus dem Bereich der "Alten Musik" vorstellen: Eine Einspielung von Claudio Monteverdis "Selva morale e spirtuale", als derzeit einzige Gesamtaufnahme im Katalog. Es handelt sich dabei um einen aus 37 einzelnen Teilen bestehenden Werkkomplex, um ein Art Kompendium der geistlichen Musik, die Monteverdi in über drei Jahrzehnten für San Marco in Venedig komponierte. Die Aufnahme ist bei Harmonia Mundi France auf drei CDs erschienen, die Interpreten sind Cantus Cölln und Concerto Palatino unter Leitung von Konrad Junghänel. Am Beginn von "Selva morale e spirituale" stehen im Originaldruck drei Madrigale. Streng betrachtet sind dies keine geistlichen Werke, sondern Dichtungen in italienischer Sprache mit moralisierendem Inhalt aus der Feder von Francesco Petrarca bzw. Angelo Grillo. * Musikbeispiel: Monteverdi - 'O chechi' aus "Selva morale e spirituale" "O chiechi" - Madrigale morale zu 5 Stimmen und zwei Violinen aus "Selva morale e spirituale" von Claudio Monteverdi nach einem Text von Francesco Petrarca. Sie hörten das Ensemble Cantus Cölln unter Leitung von Konrad Junghänel. Der Umfang des von "Selva morale e spirituale" war so groß, das Monteverdis venezianischer Verleger aus drucktechnischen Gründen zwei Jahre zur Veröffentlichung brauchte. Das Werk lag schließlich im Jahre 1641 komplett vor, drei Jahre nach dem achten Madrigalbuch und gut 30 Jahre nach der "Marienvesper". "Selva morale e spirtuale" fällt in die letzte Schaffensperiode Monteverdis, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits 74 Jahre alt war und sich auf den nahenden Tod vorbereitete. Schon nach 1630 hatte sich der Komponist mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen - sofern dies seine Verpflichtungen als Kapellmeister an San Marco zuließen. "Selva morale e spirituale" kann als eine Art musikalisches Testament Monteverdis betrachtet werden. Dem Hörer öffnet sich darin kaleidoskopartig die ganze Bandbreite seines Kirchenmusikschaffens - angefangen von geistlichen Madrigalen, Solomotetten, Psalmvertonungen mit und ohne Instrumentalbegleitung, bis hin zu polyphonen Messvertonungen. * Musikbeispiel: Monteverdi - 'Gloria' aus "Selva morale e spirituale" Gloria aus der Messe zu vier Stimmen aus "Selva morale e spirituale" von Claudio Monteverdi, interpretiert von Cantus Cölln Die Leitung hatte Konrad Junghänel. Was Monteverdi um 1640 an Stilen, Formen und Varianten des Ausdrucks anzubieten hatte, wurde sicher von keinem seiner komponierenden Zeitgenossen erreicht. Monteverdi entwickelte seine Tonsprache zunächst in den Gattungen Madrigal und Oper. In weltlichen Werken erprobte er neue Ausdrucksmittel, bevor diese schließlich Eingang in seine geistlichen Kompositionen fanden. In einem Vorwort weist Monteverdi selbst auf die stilistische Vielfalt der Sammlung hin, er bezeichnet die einzelnen Stücke als "Geschöpfe", die in seinem "moralischen und geistlichen" Wald Unterschlupf finden. "Selva morale e spirituale" war, allein wegen des Umfanges, niemals für eine komplette Aufführung bestimmt. Die Gesamtspieldauer der drei CDs beträgt immerhin fast vier Stunden. In der Reihenfolge der einzelnen Stücke weicht die Aufnahme von Ordnung des Originaldrucks ab. Die erste und dritte CD haben die Interpreten wie eine Vespermusik zusammengestellt, unter Anwendung des historischen Prinzips von Abwechslung und Kontrast. * Musikbeispiel: Monteverdi - 'Dixit Dominus Secondo' aus "Selva morale e spirituale" Dixit Dominus für 8 konzertierende Stimmen und Instrumentalbegleitung aus "Selva morale e spirituale" von Claudio Monteverdi. Sie hörten Cantus Cölln und Concerto Palatino unter Leitung von Konrad Junghänel. Wie dieses Klangbeispiel exemplarisch zeigte, lässt sich über die Qualität der Interpretation in Superlativen sprechen, sie ist prachtvoll, ja faszinierend. Die ganz leicht, mit dezenter Brillanz geführten Stimmen von Cantus Cölln leuchten, ganz natürlich entfaltet sich ihr Timbre im Raum. Von diesem Gesang geht eine Wärme und Gelassenheit aus, die beruhigt und erbaut. Die Leistungen der Instrumentalisten von Cantus Cölln und Concerto Palatino stehen dem nicht nach. So rundet sich am Schluss das Bild zu einer homogenen, musikalisch stimmigen Gesamtleistung, an der nicht zuletzt auch die auf Transparenz und plastische Raumwirkung ausgerichtete Klangtechnik maßgeblichen Anteil hatte. Und nicht nur die handwerkliche Kunstfertigkeit dieses späten Meisterwerks von Claudio Monteverdi teilt sich so auf eindrucksvolle Weise mit, sondern auch seine humane und weltanschauliche Dimension. Ungewöhnlich luxuriös ist darüber hinaus die äußere Aufmachung dieser Edition ausgefallen. Es ist offensichtlich, dass die Produzenten von Harmonia Mundi diese musikalische Kostbarkeit in angemessener Art und Weise verpacken wollten. Das über 70 Seiten starke, mehrsprachige Booklet mit Einführungstexten von Peter Wollny und Konrad Junghänel enthält auch die Gesangstexte - und zwar in französischer, englischer, deutscher sowie italienischer bzw. lateinischer Sprache. Die Hülle mit den drei CDs wurde noch einmal - gleichsam wie ein Schmückstück - in einen repräsentativen Hartkarton gelegt. Exklusiver geht's kaum. Doch die künstlerische Qualität rechtfertig den Aufwand allemal. * Musikbeispiel: Monteverdi - 'Pianto della Madonna' aus "Selva morale e spirituale" Die Neue Platte. Heute, verehrte Hörerinnen und Hörer, stellten wir ihnen eine neue Gesamtaufnahme von Claudio Monteverdis "Selva morale e spirituale" vor. Es ist das musikalische Vermächtnis des Komponisten, das in den Jahren 1640 und 1641 im Druck erschien. Cantus Cölln und Concerto Palatino unter Leitung von Konrad Junghänel haben das Werk auf drei CDs bei der französischen Harmonia Mundi vorgelegt. Zum Schluss erklang das Lamento "Pianto della Madonna" mit Johanna Koslowsky, Sopran und Mitgliedern von Cantus Cölln. Monteverdi sah in diesem Lamento einen Höhepunkt seines Schaffens. Im Originaldruck bildet dieses 1623 in einstimmiger Fassung erschienene Werk den Schluss von "Selva morale e spirtuale".

Norbert Hornig | 07.10.2001