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"Clean Clothes" fordert konkrete Abkommen der Textilindustrie

Die größte Hürde für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie liege bei den Unternehmen selbst, sagt Kirsten Clodius von der Initiative Romero. Diese versteckten sich hinter der Ausrede, Gewinnmargen zu verlieren und nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.

Kirsten Clodius im Gespräch mit Birgid Becker | 25.04.2013
    Birgid Becker: Vor der Sendung habe ich mit Kirsten Clodius von der christlichen Initiative Romero gesprochen, die zu den Trägern derKampagne Clean Clothes - saubere Kleidung - gehört. Und sie habe ich gefragt, ob ihr Netzwerk mehr Informationen hat, wer in dem eingestürzten Hochhaus aktiv war.

    Kirsten Clodius: Im Fall des eingestürzten Hochhauses wissen wir, dass dort fünf verschiedene Fabrikbetreiber produziert haben. Das sind EverTex, New Wave Bottoms, New Wave Style, Sanctum Apparels und Sanctum Tech. Dort ist sehr viel Modebekleidung produziert worden, die auch in Europa und in den USA verkauft wird.
    Wir wissen es noch nicht sicher, ob es dort Produktion gab oder nicht. In der Regel wird in Bangladesch und auch im ganzen asiatischen Bereich sehr viel für uns hier produziert. Das sind nicht nur Discounter wie Kik oder auch Lidl und Aldi, die dort Kleidung produzieren, sondern eben auch ganz bekannte Modemarken.

    Becker: Wie zum Beispiel?

    Clodius: Die Modemarken Mango, Sara, Primark, alles das, was von vielen jungen Leuten auch gekauft wird, und das kommt aus Asien.

    Becker: Kann man durchgängig sagen, dass es sich da um Angebote im mittel- bis unterpreisigen Bereich handelt?

    Clodius: Der Preis unseres Kleidungsstücks, das wir bei uns hier in Deutschland kaufen, gibt leider überhaupt keine Auskunft darüber, unter welchen Bedingungen es genäht worden ist. Es ist etwas irrig anzunehmen, dass, wenn man sich teuere Kleidung kauft, die Näherinnen dafür fairer bezahlt worden sind, als ein besonders billiges Kleidungsstück, wo man wirklich schon denkt, wie kann denn davon eine Arbeiterin überhaupt ihr Leben bestreiten.

    Becker: Nun ist es drei Monate erst her, dass 112 Arbeiterinnen beim Brand in der Textilfabrik Tazreen in Bangladesch zu Tode kamen. In diesem Fall kam es nun dazu, dass, Sie sagen, durch den Druck auch der Kampagne für saubere Kleidung drei europäische Unternehmen, unter ihnen Kik und C&A, immerhin Entschädigungen an die Familien der Opfer zahlen wollen oder gezahlt haben. Wie ist das einzuordnen? Ist das mehr als eine Geste des Bedauerns?

    Clodius: In diesem Fall, dass C&A und Kik den Forderungen der Kampagne nachkommen und Entschädigungen zahlen, das ist natürlich mehr als eine Geste des Bedauerns, und gerade in diesen Fällen, wo die Sicherheitsstandards einfach nicht eingehalten werden, muss das Unternehmen sich dafür einsetzen, dass diese Missstände abgestellt werden.

    Becker: Was hindert die großen Textilfirmen, entsprechend zu agieren? Wir wissen ja alle, dass der Lohn für die Beschäftigten nur zu etwa fünf Prozent zum Verkaufspreis einer Textilie beiträgt. Also die Lohnkosten könnten kalkulatorisch recht leicht erhöht werden, ohne dass es zu Preisexplosionen am Endpreis kommt. Was hindert die Unternehmen, tatsächlich Einfluss zu nehmen?

    Clodius: Wir sehen die größte Hürde eigentlich darin, dass die einzelnen Unternehmen Sorge haben, dass, wenn sie sich anders verhalten, sie nicht mehr so wettbewerbsfähig sind und ihre Gewinnmargen automatisch kleiner werden, wenn sie mehr Geld den Fabriken zahlen, um einen Auftrag zu fertigen. Und das ist auch die große Ausrede immer, die anderen zahlen auch nicht mehr, und dahinter verstecken sich die Unternehmen und werden nicht aktiv.

    Becker: Sehen Sie Textilunternehmen, bei denen die Einsicht wächst? Es soll ja Fortschritte geben, zum Beispiel bei der Unterzeichnung eines Brandschutzabkommens.

    Clodius: Das ist sehr begrüßenswert, sobald sich ein Unternehmen dazu bereit erklärt, Abkommen zu unterzeichnen. Wir sehen bei einigen Unternehmen Fortschritte nicht nur bei konkreten Abkommen, sondern auch durch den Beitritt zu Kontrollinitiativen oder aber auch, dass sie sich einmal untersuchen lassen, wie denn ihre Beschaffungsstruktur ist, wie ihr Management ist, wie viel Zeit sie den Fabriken überhaupt geben, um eine Produktion fertigzustellen. Das sind positive Schritte.

    Becker: Gute Beispiele darf man ja gerne nennen.

    Clodius: Ja. Für uns in Deutschland kann man gut nennen einige Vertreter der Outdoor-Branche. Wir haben da Jack Wolfskin, VD, Schöffel, nur um einige zu nennen, die sich seit einigen Jahren starkmachen für die Verbesserung von Sozialstandards.

    Becker: Und was diesen besonders sensiblen Modemarkt angeht, der Mode für die ganz jungen Leute, bei denen ja auch die Produkte sehr schnell wechseln, gibt es da jemanden, der positiv heraussticht?

    Clodius: Wirklich positiv trauen wir uns dort noch niemanden zu nennen. Es ist oft schwierig, wirklich zu sehen, wer möchte sich nach außen nur besser verkaufen und wer verbessert tatsächlich die Situation auch in der Fabrik selbst.

    Becker: Und auch schlechte Beispiele darf man ja nennen.

    Clodius: Als schlechte Beispiele fallen mir eigentlich alle bekannten Marken ein. Ich nenne jetzt einmal eine, die ist nicht deutsch: Primark zum Beispiel. Die beobachten wir gerade mit großer Besorgnis, weil dort doch ein Konsummuster bei uns gefördert wird, was sehr viel in die Richtung Kaufen-Wegschmeißen geht. Und Primark scheint nun ja auch Produktion gehabt zu haben in dem Hochhaus, das eingestürzt ist. Das ist nur ein Beispiel von vielen Marken.

    Becker: Kirsten Clodius war das, sie zählt zu den Trägern der Kampagne saubere Kleidung, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken in den Billiglohnländern einsetzt.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.