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Climate Engineering
Technik und Physik gegen den Klimawandel

Ingenieure forschen, wie sie das Klima technisch-physikalisch beeinflussen könnten. So könnte etwa mit Spiegeln im Weltall oder durch Mini-Partikel die Sonnenstrahlung abgelenkt werden. Unter Fachleuten sind die Methoden sehr umstritten.

Von Daniela Siebert | 18.11.2013
    Thomas Leisner, Professor für Physik der Atmosphäre und Direktor am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Institutes für Technologie, sieht die gängigen Ansätze zum Solar Radiation Management kritisch:
    "Viele dieser Methoden würden nicht so gut funktionieren, wie man das derzeit hofft. Insbesondere skalieren sie nicht, das heißt, wenn man sie stärker anwendet, dann wirken sie plötzlich nicht mehr so gut und dann habe ich insgesamt große Bedenken. Sobald wir anfangen, das Klima zu verändern, dann wird es Fragen geben Wer ist haftbar und zwar international für Dürren oder für andere Klima-Extremereignisse?"
    Von den gängigen Ideen am Wahrscheinlichsten funktionieren würden wohl in der Stratosphäre ausgebrachte Schwefelsäure-Aerosole, vermutet er. Vorbild dafür sei der Vulkan Pinatubo. Dessen Eruption 1991 hätte nämlich eine ähnliche Wirkung gehabt, weil die ausgestoßenen Teilchen Sonnenlicht reflektierten, die Atmosphäre daraufhin abkühlte und die weltweite Temperatur danach um 0,5 Grad sank.
    Auch Gernot Klepper, Professor für Umweltökonomie an der Uni Kiel, hält solch einen Ansatz für realistisch, denn die technischen Voraussetzungen gebe es schon weitgehend. Klepper ist Vorstandsmitglied des Deutschen Klima Konsortiums, einem Zusammenschluss von deutschen Klimaforschern.
    "Wir haben inzwischen Flugzeuge, die das können, das sind im Augenblick nur Militärflugzeuge, aber die Technologie ist vorhanden."
    Auch Klepper hält Geo-Engineering für den falschen Weg, der Klimaerwärmung zu begegnen. Zum einen, weil es nach der theoretischen Phase im Labor keine kleinen Feldversuche geben kann.
    "Bei einem Test von Strahlungsmanagement müssten Sie ja messen, um wie viel die Erdtemperatur reduziert wird. Das können Sie aber nur messen, wenn Sie es global machen, dann ist das kein Test mehr."
    Mit solchen Maßnahmen würden möglicherweise auch die weltweiten Mechanismen gestört, wie sich Wind und Regen bilden und bewegen – mit unabsehbaren Folgen. Darüber hinaus gibt es für Climate Engineering bislang keinen Rechtsrahmen. Anzuwenden wäre das Völkerrecht, doch da kommt Climate Engineering nicht vor. Einen Alleingang könne es derzeit nicht geben, glaubt Klepper:
    "Weil kein Land andere Länder beeinträchtigen darf, in welcher Form auch immer und es gibt ja auch Gewinner des Klimawandels und Verlierer. Und es könnte ja sein, dass ein Land wie Russland, das unter Umständen Gewinner des Klimawandels ist, weil sie dort mehr landwirtschaftliche Fläche bekommen, sagt: Wir wollen gar nicht, dass die Temperatur wieder heruntergekühlt wird."
    Der zweite wichtige Ansatz im Climate Engineering ist Carbon Dioxide Removal, also das Entfernen von Kohlendioxid aus der Umwelt – etwa durch die großflächige Aufforstung, das Vergraben von Biokohle, das Umwälzen von Meerwasser oder das Düngen von Ozeanen mit Eisen, um damit Algen zu fördern, die dann Kohlendioxid binden:
    Wie viel CO2 dadurch neutralisiert werden könnte, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Und all diese Maßnahmen kosten viel mehr Geld als herkömmlicher Klimaschutz, betont Klepper
    Am größten seien die Chancen für "Air capture" also antennenartige Anlagen, die über chemische Prozesse Kohlendioxid aus der Luft fangen.
    "Es gibt in den USA schon, ich glaube, zwei Firmen, die das erforschen und die im Augenblick dabei sind, kleine Mengen CO2 zu produzieren."
    Die könnten ihre Ausbeute sogar gewinnbringend an die chemische Industrie weiterverkaufen. Doch in großem Stil sei die Methode zu teuer in der Anwendung und die Speicherung von CO2 im Meeresboden oder unter der Erde werde bislang nur in den USA, Kanada und Norwegen praktiziert. Unfälle und Leckagen inklusive.
    Klimaforscher Thomas Leisner findet Kohlendioxidentfernung ohnehin erst sinnvoll, wenn die Menschheit ihren CO2-Ausstoß gebremst habe. Sämtliche Maßnahmen müssten langfristig gedacht sein, denn Kohlendioxid halte sich über Jahrhunderte in der Atmosphäre.
    Auch bei vielen anderen Fachleuten ruft Climate Engineering mindestens Sorgenfalten hervor. Beim BUND etwa hält man das für einen falschen Weg, der nicht funktionieren werde und zu viele Kollateralschäden hervorrufe. Der WWF warnt, Climate Engineering dürfe auf keinen Fall die Bemühungen zur Emissionsreduzierung dämpfen oder gar ersetzen. Kategorisch lehnt der WWF die Erforschung aber nicht ab, so WWF-Klimaexpertin Regine Günther, vor allem wenn es um die Lagerung von Kohlendioxid geht:
    "Zu Carbon Sequestration im Erdreich hat der WWF immer die Position vertreten, dass wir es für gut empfinden würden, Pilotprojekte zu machen. In Deutschland haben wir gesehen, das ist nicht akzeptiert worden von der Bevölkerung. Weltweit muss man gucken."
    Der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der die Bundesregierung berät, hat Climate Engineering für hochgefährlich befunden. Vor allem völkerrechtlich müssten Regelungen dafür gefunden werden, außerdem sei eine internationale Genehmigungspflicht für Experimente sinnvoll, die in den Händen der Vereinten Nationen liegen sollte, fordert Generalsekretär Günther Bachmann.
    Bislang gibt es nur einen Meilenstein in der noch jungen Debatte um Climate Engineering: Die Düngung von Ozeanen mit Eisen wurde inzwischen verboten - außer zu Forschungszwecken.