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Clintons Präsidentschaftskandidatur
"Wahlkampf ist sehr viel Show"

Bisher habe Hillary Clinton in der Öffentlichkeit als kühle Machtpolitikerin agiert. Das könnte ihr den Wahlkampf erschweren, sagte der Politikwissenschaftler Thomas Jäger von der Universität Köln im DLF. Clinton habe jetzt aber noch einige Monate Zeit, sich selbst zu erfinden und zu entscheiden, welche Art von Wahlkampf sie machen wolle.

Thomas Jäger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 13.04.2015
    Hillary Clinton während einer Konferenz in Atlantic City.
    "Wir wissen noch nicht genau, wer das Rennen bei den Republikanern macht." (Imago / Zuma Press)
    Dirk-Oliver Heckmann: Bei Twitter verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Hillary Clinton hat sich entschieden: Sie geht ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Diese Nachricht verbreitete zunächst ein enger Mitarbeiter in einer Mail an Clintons Unterstützer. Anschließend ließ Clinton ein Video ins Netz stellen, in dem sie ihre zentrale Botschaft unterbrachte.
    Hillary Clinton tritt also an. Am Telefon ist dazu jetzt Professor Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln. Schönen guten Tag, Herr Jäger.
    Thomas Jäger: Guten Tag, Herr Heckmann.
    Heckmann: Haben wir da gestern mit Hillary Clinton die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gesehen?
    Jäger: Na wenn die Zahlen stimmen, dann ist das sehr wahrscheinlich. Momentan ist sie dem nächsten Kandidaten weit voraus. Da wird Joe Biden gehandelt, wenn sie nicht angetreten wäre. Aber man muss dabei sich, glaube ich, erinnern: 2008 war sie schon einmal unvermeidlich und dann kam Barack Obama aus den Büschen.
    Heckmann: Zentrale Botschaft von Hillary Clinton ist bisher jedenfalls indirekt die These, die Frage, wollt ihr nicht langsam auch eine Frau im Weißen Haus sehen. Das allein wird aber nicht reichen?
    Jäger: Sie hat jetzt einige Monate Zeit, sich zu überlegen, mit welchen Wählergruppen sie die Wahlen gewinnen will. So viel steht ihr da gar nicht zur Verfügung. Sie muss die jungen Wähler und die schwarzen Wähler gewinnen.
    Das ist Barack Obama ganz ausgezeichnet gelungen. Und ob ihr das genauso gelingt, das ist die große Frage. Und sie wird zweitens versuchen, auch die weiblichen Wähler zu gewinnen. Wenn sie das schafft, dann haben Demokraten in Präsidentschaftswahlen gute Chancen. Ansonsten sieht das, wie die Zwischenwahlen gezeigt haben, ganz schwierig aus.
    Heckmann: Was hat sie denn für Pluspunkte auf Ihrer Seite? Womit kann sie überzeugen?
    Jäger: Der Haupt-Pluspunkt ist, dass sie bekannt ist. Das ist auch ihr Haupt-Minuspunkt. Das muss man gleich dazu sagen. Dazu später. Aber jeder kennt sie, mit dem Namen Clinton kann jeder etwas anfangen. Sie hat viel Erfahrung. Man wird ihr nicht vorhalten können, sie wüsste nicht, worüber sie spricht. Und sie ist trotzdem noch voller Energie. Dass die Bekanntheit auch ein Minuspunkt ist, das liegt daran, dass sehr viele Amerikanerinnen und Amerikaner ein Bild von Clinton haben. Und wenn wir uns dann erinnern, dass George W.
    Bush ja als der Nicht-Clinton ins Amt gewählt wurde, dass man sich dieses Präsidenten so überdrüssig war, dann weiß man, dass solche Stimmungen auch wieder hervorkommen können, auch wenn Bill Clinton jetzt im sozusagen milden Licht des Alters wieder ganz gut gelitten ist in der Bevölkerung.
    "Es ist diese kühle Arroganz, die Teil ihres Rufes ist"
    Heckmann: Der ehemalige amerikanische Botschafter in Deutschland, John Kornblum, der war heute Früh im Deutschlandfunk im Interview zu hören, und der hat gesagt, das Hauptproblem von Hillary Clinton sei ein zu niedriger Wärme-Quotient. Können Sie als Politikwissenschaftler damit etwas anfangen?
    Jäger: Ja. Damit ist gemeint, dass man sich an die Wähler empathisch heranpirschen sollte, dass man sie in den Arm nimmt. All das, was ihr Gatte nun wirklich hatte, womit er Wahlkampf gemacht hat und immer jeder gemeint hat, der meint nur mich, wenn er jetzt spricht. Das hat Hillary Clinton nicht, sondern es ist diese kühle Arroganz, die Teil ihres Rufes ist. Aber sie hat ja noch ein paar Monate Zeit, sich selbst zu erfinden.
    Und wenn Sie sich erinnern - 2008 war es nach den verlorenen Wahlen in Iowa, als sie in New Hampshire diese Szene im Café gedreht hat, wo sie dann anfing zu weinen und sozusagen ein menschliches Gesicht zeigte -, das hat ihr den Wahlkampf eingetragen. Der Wahlkampf ist sehr viel Show und mal sehen, wie viel Talent sie für ihre neue Rolle aufbringt.
    Heckmann: Mit dem Namen Clinton sind auch Begriffe verbunden wie die Lewinsky-Affäre beispielsweise, jetzt jüngst auch die E-Mail-Affäre. Sind das Dinge, die Hillary Clinton schaden könnten, und werden das die Punkte sein, an denen die Republikaner ansetzen, um den Ruf Clintons zu schwächen?
    Jäger: Mit Sicherheit werden sie da ansetzen. Und auch wenn in diesen Affären, zumindest in der ersten sehr viel bekannt ist, in der E-Mail-Frage sind ja noch eine Reihe Fragen offen, ist dem eines gemeinsam, dass sie diese Charaktereigenschaft der kühlen Machtpolitikerin, derer, die auf alles Acht gibt, die sich nach allen Seiten hin absichert, dass sie genau dieses Bild vermittelt, und das werden die Republikaner von heute an jeden Tag erneut reproduzieren, so lange, bis sich das aus ihrer Sicht in den Köpfen festgesetzt hat, und Frau Clinton wird dagegenhalten, und beide Seiten werden Milliarden dafür aufwenden.
    "Wir wissen noch nicht genau, wer das Rennen bei den Republikanern macht"
    Heckmann: Lassen Sie uns zum Schluss noch auf die Republikaner schauen. Gibt es da jemanden? Hat da jemand das Format, Clinton zu schlagen?
    Jäger: Na ja, von der Namensbekanntheit ist einer dabei, der in dem Feld sich warm läuft jetzt: Jeb Bush, der Bruder und Sohn von zwei Präsidenten. Die anderen sind nicht ganz so bekannt und müssten da noch relativ viel für tun.
    Wir wissen noch nicht genau, wer das Rennen bei den Republikanern macht, aber Bush ist ein sehr aussichtsreicher Kandidat. Und dann gingen wirklich in so einem quasi dynastischen Wettkampf zwei Familien in diesen Präsidentschaftswahlkampf.
    Heckmann: Eine durchaus amerikanische Besonderheit - Hillary Clinton tritt an als demokratische Präsidentschaftskandidatin. Wir haben darüber gesprochen mit Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln. Herr Jäger, schönen Dank für Ihre Zeit.
    Jäger: Lieben Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.