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Immunsystem
Abwehr gegen Malariaparasiten

Nicht alle, die mit dem Malaria-Erreger infiziert wurden, erkranken an typischen Fieberschüben. Forscher haben durch Blutuntersuchungen immuner Kinder ein Eiweiß entdeckt, das die Parasitenvermehrung blockiert. Diese Erkenntnis könnte zur Entwicklung neuer Medikamente führen.

Von Volkart Wildermuth | 04.09.2019
Die dreijährige Siama Marjan spielt in Nairobi (Kenia) hinter einem Moskitonetz, das sie vor dem Stich von Malaria-Mücken schützen soll (Archivfoto).
Die untersuchten Kinder in Mali, die mit Malariaparasiten infiziert waren, erkrankten entweder sofort oder verzögert oder waren komplett immun (picture alliance /dpa /Stephen Morrison)
Malaria ist Alltag für die Kinder in Mali in Westafrika. In der Regenzeit sind die Mücken allgegenwärtig, ihren Stichen kann man kaum entgehen. Praktisch jeder ist also dem Malariaparasiten Plasmodium falciparum ausgesetzt und die Kinder erkranken zum Teil mehrmals im Jahr, denn anders als etwa eine Virusinfektion führt die Malariaepisode nicht automatisch zu einer bleibenden Immunität:
"Der Malariaparasit ist ein komplexer Erreger, er hat um die 5.000 Gene, die in unterschiedlichen Varianten vorliegen können. Und dann verändern sich diese Gene noch während der Infektion. Sobald das Immunsystem ein Genprodukt angreift, verändert sich sein genetischer Code, bis es nicht mehr erkannt wird."
Bluttests mit 700 Kindern in Mali
Der Infektionsforscher Tuan Tran aus Indianapolis in den USA hat offenbar Respekt vor dem Malariaparasiten. Doch obwohl der so clever agiert, erkranken längst nicht alle, die infiziert wurden. Um zu verstehen, warum manche Kinder geschützt sind, haben Tuan Tran und seine Kollegen fast siebenhundert Kinder in einer kleinen Stadt Kalifabougou in Mali begleitet. Vor Beginn der Regenzeit hatten alle eine Blutprobe abgegeben:
"Danach kamen sie jede zweite Woche in die Klinik, wurden untersucht und wir haben einen Tropfen Blut abgenommen. In den Wochen dazwischen haben wir Hausbesuche gemacht und die Familien gefragt, ob alle gesund sind. Wenn jemand Symptome hatte, Fieber oder ein Schwächegefühl, haben wir Parasitentests gemacht und die Kinder behandelt. Waren alle gesund, wurden nur die Blutproben archiviert."
Nach dem Ende der Regenzeit analysierte Tuan Tran die Proben und konnte so genau feststellen, welches der Kinder wann Parasiten im Blut hatte, ob es daraufhin krank wurden und wie lange es brauchte, bis die Malaria-typischen Fieberschübe auftraten:
"Wir dachten, es würde zwei Gruppen geben: Kinder, die zwar infiziert werden, aber nie erkrankten und die anderen, die Fieber bekommen. Aber dann haben wir festgestellt, manche Kinder werden auf der Stelle krank, sobald sie infiziert werden. Und dann gibt es Kinder, die erst nach etwa zwei Wochen Fieber bekommen"
Zwei Prozesse der Parasitenabwehr
Also gibt es drei Gruppen: der ersten kann der Malariaparasit nichts anhaben, sie sind praktisch immun. Dann gibt es Kinder, die seine Vermehrung zumindest für einige Zeit unterdrücken können und erst verzögert erkranken. Und schließlich die, die sofort gefährlich hohes Fieber bekommen. Eine detaillierte Analyse der Muster der Genaktivität in den Blutzellen führte Tuan Tran auf die Spur der Unterschiede zwischen diesen drei Gruppen:
"Tatsächlich spielen hier zwei unterschiedliche Prozesse eine Rolle. Zum einen gibt es eine Komponente, die die Vermehrung des Parasiten blockiert und dann gibt es eine zweite Komponente, die den Körper vor den Folgen der Immunantwort, dem Fieber schützt. Die komplett immunen Kinder besitzen beide Komponenten."
Schon vor Beginn der Regenzeit haben diese Kinder Antikörper gegen den Malariaerreger im Blut und ihr ganzes Immunsystem ist sozusagen auf die Auseinandersetzung mit Parasiten vorbereitet, vielleicht weil sie in früheren Jahren bereits eine Reihe von Malariainfektionen durchgemacht haben. Entscheidend ist: von Anfang an kämpft ihr Abwehrsystem gegen den Erreger, aber davon bekommen die Kinder der immunen Gruppe gar nichts mit.
Eiweiß blockiert Vermehrung der Parasiten
Und da kommt die zweite Komponente von Tuan Tran ins Spiel, ein Eiweiß namens p53. Es ist offenbar an der Regulation der Entzündungsreaktion beteiligt. Bei den immunen Kindern sorgt es dafür, dass die Körpertemperatur weit genug steigt, um die Vermehrung der Parasiten zu blockieren, aber nicht so weit, dass sich die Kinder krank fühlen würden. Der p53-Schutz funktioniert auch bei den Kindern, die nach einer Malariainfektion mit einer gewissen Verzögerung erkranken. Weil ihr Immunsystem aber, anders als bei den immunen Kindern, nicht schon vorab auf den Erreger vorbereitet ist, bekommen sie am Ende trotzdem Fieberschübe:
"Wir vermuten, dass p53 bei ihnen die Fieberreaktion bremst, das Kind selbst fühlt sich erst nicht krank. Der Erreger kann sich aber trotzdem noch langsam vermehren. Wenn nach einer Weile zu viele Parasiten im Blut sind, dann wird der Schutz von p53 durchbrochen."
Die Kinder entwickeln verspätet eben doch noch Fieber und müssen behandelt werden. Wenn beide Komponenten fehlen, die p53-Bremse und das schon vorab wachsame Immunsystem, dann hat der Malariaerreger leichtes Spiel. Die Kinder werden sofort schwer krank und entwickeln zum Teil lebensgefährlich hohes Fieber mit über 40 Grad Körpertemperatur. Tuan Tran hofft, dass seine molekularen Einblicke ins Wechselspiel zwischen Kinderkörper und Malariaparasit auch zu praktischen Anwendungen führen, zum Beispiel in der Therapie. Die Patienten sterben nicht einfach an den Parasiten im Blut, auch eine aus dem Ruder laufenden Entzündungsreaktion kann für sie gefährlich werden:
"Eine Idee ist, bei sehr schweren Malariaverläufen Medikamente zu nutzen, die p53 beeinflussen. So könnten wir vielleicht die Sterblichkeit senken."
Weil dann das Fieber nicht so hoch steigt. Parallel müsste natürlich wie üblich die Vermehrung des Parasiten mit Medikamenten blockiert werden. Es dürften allerdings noch etliche Jahre Forschungsarbeit erforderlich sein, um diese Idee für neue Malariamedikamente auch wirklich bis zur Praxisreife voranzutreiben.