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CO2-Abtrennung
Treibhausgas sinnvoll nutzen

Das klimawirksame Kohlendioxid geht der Chemie-Industrie an der einen Stelle als Abgas verloren und muss anderswo als Rohstoff gewonnen werden. In einem bundesgeförderten Projektverbund erforschen Wissenschaftler gerade, wie sich diese Materialkreisläufe optimieren lassen.

Von Hellmuth Nordwig | 18.04.2018
    Elbingerode (Sachsen-Anhalt): Das Kalkwerk der Fels Werke GmbH am 07.11.2002 bei Elbingerode im Harz. In den Betrieb, der aus dem VEB Harzer Kalk und Zementwerke hervorgegangen ist und der Kalkprodukte herstellt, In dem Betrieb, der aus dem VEB Harzer Kalk und Zementwerke hervorgegangen ist und der Kalkprodukte herstellt, wurden in den letzten Jahren mehr als 60 Millionen Mark in Filter und Entstaubungsanlagen investiert. Außerdem verringerte man den Kohlendioxid-Ausstoß um 25 Prozent durch Verwendung von Erdgas in den Brennöfen. Ein großer Teil der Produkte wird per Schiene zum Verbraucher transportiert. (MGB452-121102) | Verwendung weltweit
    CO2 entsteht zum Beispiel als Abfallprodukt in Kalkwerken. Schon länger gibt es Bestrebungen, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren oder besser zu nutzen. (dpa-Zentralbild)
    Um Kohlendioxid als Rohstoff zu nutzen, müssen Chemiker dieses Gas erst einmal gewinnen. Zum Beispiel aus Industriebetrieben, wo CO2 oft in großen Mengen als Abgas anfällt. Udo Lubenau von der Leipziger DBI Gas- und Umwelttechnik nennt ein Beispiel: Anlagen, in denen aus Kalkstein Zement erzeugt wird:
    "Kalkwerke haben im Abgas eine CO2-Konzentration von circa 20 Prozent. Das wird beim Brennen des Kalks freigesetzt. Das ist technologisch bedingt, und das kann ich auch nicht umgehen. So lange Kalk gebrannt wird, so lange gebaut wird in Deutschland, wird also bei diesen Kalkwerken CO2 anfallen."
    Das gilt es aus dem Abgas zu filtern. Die Suche nach einem geeigneten Material war aber nicht einfach, denn es muss einiges aushalten. Die Temperatur kann bis zu 200 Grad Celsius erreichen, und das Abgas enthält außerdem Schwefeldioxid, Stickoxide, Wasserdampf und jede Menge Staub. Er würde einen Filter sofort zusetzen; daher musste zunächst ein Verfahrensschritt eingebaut werden, um den Staub aus dem Abgas zu entfernen.
    'Sieb' für CO2-Moleküle
    Um daraus dann CO2 zu gewinnen, haben die Forscher eine neuartige Membran entwickelt. Eine hauchdünne Folie aus Kohlenstoff mit winzigsten Poren, die wie ein Sieb für Gasmoleküle wirkt.
    "Diese Membran ist eine Kohlenstoffmembran auf einem keramischen Träger. Die Kohlenstoffmembran muss man sich wie eine Graphitstruktur vorstellen, die entweder von der Größe her trennt oder über einen Adsorptionsprozess. Und diese Kohlenstoffstruktur kann ich in Abhängigkeit von der Molekülgröße herstellen."
    Und zwar maßgeschneidert so, dass vor allem das Kohlendioxid durch die Poren schlüpft, die anderen Bestandteile des Abgases aber nicht so leicht. CO2-Teilchen gelangen 50 Mal besser durch diese Membran als Stickstoffmoleküle. Hinter dem Membranfilter wird das angereicherte Kohlendioxidgas abgesaugt und kann zugleich verdichtet werden, um es leichter transportieren zu können.
    "Ich könnte es auch verflüssigen. Ideal sind Standorte der Kalkindustrie in unserem Fall, die nahe der Chemieindustrie sind. Dann könnte ich das CO2 per Pipeline zu einem chemischen Prozess führen."
    Erster Einsatz für Herbst geplant
    Doch so weit ist es noch lange nicht. Im Herbst sollen die Filter erstmals in den Schornstein eines Kalkwerks eingebaut werden. Andere Forscher verfolgen die Idee, das Treibhausgas direkt aus der Luft zu gewinnen. Und damit sind sie schon weiter: Schweizer Experten nutzen dafür Chemikalien, die leicht mit CO2 reagieren und es sozusagen einfangen.
    "Die sitzen in einem Filtervlies, so kann man sich das vorstellen. In einem Würfel ist dieses Filtervlies, und dort wird Luft durchgeblasen", berichtet Ulrich Zuberbühler vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung in Stuttgart. Er kennt das Schweizer Projekt, ist aber nicht daran beteiligt.
    Wenn das Vlies mit Kohlendioxid gesättigt ist, wird an den Würfel ein Vakuum angelegt, und dabei wird das angereicherte Gas frei. Ulrich Zuberbühler verfolgt einen etwas anderen Ansatz: Er hat eine CO2-bindende Chemikalie entwickelt, die sich in Wasser löst. Wenn er Luft durch diese Lösung pumpt, bleibt Kohlendioxid hängen und kann später wieder freigesetzt werden.
    "Die Demonstrationsanlage, die jetzt gebaut wird, macht etwa einen Kubikmeter pro Stunde. Das ist jetzt nicht wahnsinnig viel, aber groß genug, dass man sehen kann, ob die Technologie funktioniert, und dass man auch überprüfen kann: Was hat man denn für eine CO2-Qualität? Ist die zum Beispiel tauglich für die Getränkeindustrie oder dort, wo man es braucht? Auch CO2 hat ja Anforderungen an die die Gasqualität, die Reinheit und so weiter."
    Ein Problem bei allen Projekten: Energiekosten
    Vor allem in der Chemieindustrie, die ja eines Tages der Hauptabnehmer werden soll.
    Ein Problem haben alle Projekte noch: Abgas oder Luft müssen durch einen Filter oder eine Flüssigkeit hindurch gepumpt werden, und das kostet Energie. Sie wollen die Experten letztlich durch die Abwärme der chemischen Prozesse bereit stellen, bei denen das Kohlendioxid als Rohstoff eingesetzt wird.
    Doch bis es so weit ist, sind noch viele Entwicklungsschritte nötig.