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CO2-Ausstoß
"Der Preis für Emissionsrechte muss steigen"

Der Markt für CO2-Zertifikate muss wiederbelebt werden, fordert Klimaökonom Ottmar Edenhofer. Der Preis müsse steigen, auch wenn Ober- und Untergrenzen geschaffen werden müssten. Die jetzigen Maßnahmen der Kommission seien wirkungslos, sagte Edenhofer im Deutschlandfunk.

Ottmar Edenhofer im Gespräch mit Georg Ehring | 30.05.2014
    Ottmar Edenhofer in der Technischen Universität in Berlin.
    Ottmar Edenhofer vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung während der öffentlichen Vorstellung des 5. Klimaberichts des Weltklimarates. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Georg Ehring: Für Volkswirte ist die Sache klar: Der günstigste Weg, um Treibhausgase einzusparen, führt über den Markt. Wenn das Recht, Kohlendioxid auszustoßen, zur Handelsware wird, dann können sich Unternehmen ihre Sparsamkeit in dieser Beziehung belohnen lassen, indem sie nicht benötigte Emissionsrechte verkaufen. Und Firmen, denen die Einsparung vorerst zu teuer vorkommt, können durch den Erwerb von Emissionsrechten ihre Produktion weiter sichern. Den Emissionshandel gibt es in der Europäischen Union seit Jahren, und in Köln findet derzeit die „Carbon Expo" statt, eine internationale Messe für den Handel mit CO2-Zertifikaten. Doch sie steht im Zeichen der Krise. Die Preise im Emissionshandel sind stark gefallen. Die Europäische Union hat zwar Emissionsrechte vorübergehend vom Markt genommen, doch das hat keine Wende gebracht. Wie könnte der Markt wiederbelebt werden, diese Frage habe ich vor dieser Sendung an Ottmar Edenhofer gestellt. Er ist Direktor beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
    Ottmar Edenhofer: Na ja, der Markt könnte wiederbelebt werden, indem die Politik an die Investoren ein ganz klares Signal sendet, dass der Preis in der Zukunft steigen muss. Er muss nämlich steigen, weil sonst die Emissionen nicht sinken werden. Das ist auch der Hauptgrund, warum der Preis so eingebrochen ist. Die Politik hat durch verschiedenen Ankündigungen am Markt dafür gesorgt, dass die Investoren entmutigt sind. Die Investoren glauben nämlich nicht mehr, dass es nach 2020 zu einer entscheidenden Minderung der Emissionsobergrenze kommt, und sie sind auch enttäuscht darüber, dass die Politik kaum Versuche unternimmt, die Preise zu stabilisieren. Und deswegen wäre aus unserer Sicht der beste Weg der, dass man zunächst sich auf einen Mindestpreis einigt und sagt, dieser Mindestpreis soll steigen, damit man eben Investoren nicht entmutigt, und die Investoren, die Investitionen dann tätigen werden, damit rechnen können, dass der Preis stabil bleibt. Und man sollte auch eine Preisobergrenze einführen für den Fall, dass eben die Konjunktur wieder anzieht und es vorübergehend Preissprünge nach oben gibt, dass die eben abgedämpft werden können. Also eine Preisuntergrenze und eine Preisobergrenze wäre aus meiner Sicht äußerst wichtig, und dann würde man auch auf den Emissionsmärkten das sehen, was wir gerne sehen würden, nämlich Investitionen in kohlenstoffarme Technologien.
    Ausnahmen sind möglich
    Ehring: Kritiker befürchten ja, dass bei einem solchen Vorgehen die CO2-intensiven Branchen einfach aus Europa vertrieben werden.
    Edenhofer: Ich meine, das hängt ab vom Preis. Die CO2-intensiven Branchen sind auch jetzt schon teilweise begünstigt durch Ausnahmen, und man kann auch für verschiedene Branchen, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen, denen Allokationsrechte, also Emissionsrechte zuweisen. Man kann sie dann aus der Versteigerung ausnehmen. Man kann sich da andere Ausnahmeregelungen einfallen lassen. In den letzten Jahren haben wir eigentlich nicht gesehen, dass in großem Maßstab die CO2-intensiven Industrien aus Europa abgewandert sind. Das ist in der Zukunft, wenn die Preise stark steigen werden, zwar eine Gefahr, aber dieser Gefahr kann man eben durch Ausnahmeregelungen ohne Schwierigkeiten begegnen.
    Ehring: Wie sehen Sie denn die Chance, dass das realisiert wird?
    Edenhofer: Na, die Chancen, dass das realisiert wird, sind nicht so wahnsinnig hoch, weil sich die EU-Kommission darauf festgelegt hat, dass man eben jetzt am Markt interveniert durch seine sogenannte Market Stability Reserve, dass man also jetzt Zertifikate aus dem Markt herausnimmt. Das haben aber die Investoren längst eingepreist. Und das ist auch der Grund, warum wir bei dem Backloading keine Reaktionen gesehen haben. Und wir werden auch in der Zukunft keine Reaktionen sehen. Denn es ist ja auch klar, dass die Zertifikate später wieder in den Markt zurückgeschleust werden. Also, das ist aus meiner Sicht eine Intervention auf dem Markt, die nicht mehr einen symbolischen Wert hat und die keinerlei Wirkung zeigen wird.
    Europas Vorbildfunktion
    Ehring: Der Emissionshandel, inwieweit hängt der an einem Erfolg der allgemeinen Bemühungen um Klimaschutz. Es soll ja nächstes Jahr ein allgemeines Abkommen über den Klimaschutz weltweit verabschiedet werden. Wenn das nicht klappt, ist dann der Emissionshandel auch obsolet?
    Edenhofer: Der Emissionshandel ist dadurch nicht obsolet, denn es geht ja jetzt zunächst mal eben darum, dass wir eine Institution in Europa haben, die grundsätzlich funktionsfähig ist und die ja durchaus Nachahmer findet, zum Beispiel in China – das darf man ja nicht vergessen, dass China im Augenblick intensiv daran arbeitet, nationale und auch regionale Emissionshandelssysteme zu implementieren. Und wenn Europa mit dem Emissionshandel scheitert, dann wäre das für China, aber auch für Australien oder auch für British Columbia in Kanada ein sehr, sehr schlechtes Signal. Also, es ist schon wichtig, dass der Emissionshandel funktionsfähig bleibt. Die Frage ist, wie stark müssen denn jetzt die Emissionen nach 2020 sinken, also wie muss die Emissionsobergrenze bestimmt werden? Das ist zwar eine wichtige Frage, aber am wichtigsten ist die Frage, dass wir der Welt zeigen, dass dieses Instrument tatsächlich funktionieren kann. Und deswegen sollte man das jetzt im Vorfeld zu den Verhandlungen in Paris sollte man also wirklich dafür sorgen, dass man ein glaubwürdiges Reformpaket vorlegt. Und Paris wird zwar nicht den großen Durchbruch bringen, aber Paris wird sicherlich dazu führen, dass viele Staaten Vorschläge machen, wie sie heimische Emissionen reduzieren werden – also es wird nicht zum Ende des Klimaschutzes kommen. Und dieses Signal ist eigentlich ausreichend, damit es in Europa zu glaubwürdigen Reformbemühungen des Emissionshandels führt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.