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CO2-Speicherung in Entwicklungsländern

Ein Beschluss auf dem Klimagipfel in Durban könnte dazu führen, dass Industrieländer zukünftig CCS-Projekten in Entwicklungsländern fördern und so ihre Emissionsbilanz verbessern könnten. "Nicht der richtige Weg", meint Elmar Große Ruse vom NABU.

Elmar Große Ruse im Gespräch mit Jule Reimer | 09.12.2011
    Jule Reimer: Es ist nur fünf Tage her, da erklärte in Berlin der Energiekonzern Vattenfall das Aus für sein CCS-Demonstrationskraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde. Dort wäre die Abscheidung des Kohlendioxids in einer 1,5 Milliarden Euro teuren Anlage erprobt worden. Aber nirgendwo in Deutschland findet sich derzeit wirklich jemand, Städte oder Gemeinden, die damit einverstanden wären, dass in ihrer Nachbarschaft CO2 unterirdisch gespeichert wird. Auf der UN-Klimakonferenz in Durban steht jetzt unter anderem ein Beschluss bevor, die Speicherung von CO2 in Entwicklungsländern zuzulassen. – Frage an Elmar Große Ruse, den Klimaexperten des Naturschutzbund Deutschland (NABU), derzeit in Durban: Gibt es also demnächst nicht nur Sonnenkraftwerke in der Sahara, die Strom für Europa liefern, sondern dort auch unterirdischen Speicherraum für das CO2 aus unseren Kohlekraftwerken?

    Elmar Große Ruse: Guten Tag, Frau Reimer. – Das ist in der Tat leider zu befürchten, denn hier in Durban soll ein Beschluss vorangetrieben werden und auch heute im Laufe der Nacht gefasst werden, dass CCS-Projekte künftig in Entwicklungsländern gefördert werden sollen. Das würde dann über diesen CDM-Mechanismus passieren. CDM steht für Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, Clean Development Mechanism auf Englisch, und das ist eine Regel in dem jetzt schon geltenden Kyoto-Protokoll, womit Industrieländer ihre eigene Emissionsbilanz dadurch verbessern können, indem sie CO2-Emissionen in Entwicklungsländern vermindern.

    Reimer: Was wäre daran so problematisch, wenn es im Bereich des CDM anrechenbar wäre?

    Große Ruse: Die Grundidee ist ja eine gute: wir gucken, wo Klimaschutz am günstigsten ist, und machen das dann wo möglich auch nicht nur in Industrieländern, sondern auch in Entwicklungsländern. Das Problem bei CCS im CDM ist die Frage: wer braucht denn überhaupt CCS? Wir in Deutschland haben uns gerade davon verabschiedet, zumindest auf absehbare Zeit. Wollen wir jetzt ein kleines afrikanisches Land wie Burkina Faso oder Bangladesch in Asien damit beglücken, mit einer Technologie, die wir in Deutschland noch nicht mal für sicher halten im Moment? Das glauben wir vom NABU, dass das nicht der richtige Weg ist.

    Reimer: Welche Rolle spielen die Öl exportierenden Staaten bei dieser Diskussion?

    Große Ruse: Das ist ein gutes Stichwort. Die OPEC-Staaten oder eben Erdöl exportierenden Staaten scheinen hier die entscheidenden Vorantreiber für diesen Beschluss zu sein, und das liegt daran, dass es ihnen vor allem um eine bestimmte, ich sage mal, Form von CCS geht. Und zwar würde dann das CO2 unter die Erde gepresst, um Erdöl, das sich dort befindet, schneller oder besser an die Oberfläche zu bekommen. Das heißt also: CO2 unter die Erde pressen soll ja ein Mechanismus sein, um die Atmosphäre zu entlasten, um Klimaschutz zu fördern. Gleichzeitig holen wir damit aber mehr Erdöl an die Oberfläche, was natürlich wieder verbrannt wird und den Klimawandel anheizt. Das ist also äußerst absurd und würde dazu führen, dass am Ende ein Kohlekonzern wie Vattenfall oder auch ein Land wie Deutschland die eigene Emissionsbilanz verbessert, indem es in, ich sage mal, Saudi-Arabien ein solches Projekt fördert, und Saudi-Arabien kann dadurch dann sogar noch mehr Erdöl produzieren als vorher – aus unserer Sicht ziemlich absurd.

    Reimer: Die CCS-Technologie beinhaltet ja auch, dass Kohlekraftwerke künftig so gebaut werden sollten, könnten, dass das CO2 dort bei der Stromerzeugung dann abgeschieden wird. Dann folgt die Speicherung. Aber diese Abscheidetechnologie, soll die denn in Entwicklungsländern gefördert werden? Denn es setzen ja viele Entwicklungsländer auch auf Kohle, auch aus Kostengründen. Das könnte doch dann sinnvoll sein.

    Große Ruse: Man kann auf jeden Fall und man muss aus Sicht des NABU zumindest perspektivisch schauen, ob wir CCS in Kohlekraftwerken nicht so sehr in Deutschland, weil wir da das auch gut anders hinkriegen, aber in großen Schwellenländern wie zum Beispiel China brauchen werden. Da brauchen wir allerdings nicht diesen CDM-Mechanismus. China braucht nicht unsere finanzielle Unterstützung. China hat da höchst eigene Interessen, CCS einzusetzen. Da können wir technisch helfen, mit Rat und Tat, und das gilt eben nur für ein paar große Schwellenländer wie China, Indien, vielleicht noch Südafrika, die ohnehin schon Kohlekraftwerke da stehen haben. Jedes kleine Entwicklungsland, das noch kein Kohlekraftwerk hat, dem können wir nur raten: baut keines, es lohnt sich nicht, man muss nicht die gleichen Fehler wiederholen, die wir Industrieländer schon alle gemacht haben.

    Reimer: Sagen Sie bitte noch ganz kurz: Wann ist Durban, die Durban-Konferenz für Sie ein Erfolg? Wann würden Sie sie einen Erfolg nennen?

    Große Ruse: Wenn wir ein gutes zweites Kyoto-Protokoll bekommen und gleichzeitig einen Vertrag, oder das Verhandlungsmandat, einen Vertrag abzuschließen, den alle Länder unterzeichnen, der dann vielleicht in drei, vier Jahren in Kraft tritt, um dann verbindliche Klimaschutzverpflichtungen für alle Länder auf der Welt zu haben, dann ist es auf jeden Fall ein Erfolg.

    Reimer: Das sind schon hoch gesteckte Erwartungen. Danke an Elmar Große Ruse, den Klimaexperten des NABU, derzeit in Durban.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.