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CO2-Überfluss für Bäume
Schneller wachsen, früher sterben

Bäume leisten einen großen Dienst für den Klimaschutz: Sie holen einen Teil unserer CO2-Emissionen - das Kohlendioxid - aus der Luft, indem sie stärker wachsen. Eine internationale Studie zu mehr als 70.000 Orten auf der Erde zeigt aber: Die Sache hat einen Haken.

Von Volker Mrasek | 11.09.2020
Eine Fichte wächst hoch in den Himmel.
Die Fichte gehört zu den Baumarten, die schnell wachsen. (picture alliance / Fabian Strauch)
Noch verschwindet rund ein Viertel unserer Kohlendioxid-Emissionen gleich wieder in den Landökosystemen der Erde. Weil Wälder mit einem Wachstumsschub auf den Klimawandel reagieren - wie man vermutet, ausgelöst durch steigende Temperaturen und größere Mengen des Pflanzennährstoffs CO2 in der Luft. Doch dieser segensreiche Klimadienst wird womöglich nicht mehr lange Bestand haben. Das ist das Ergebnis einer Studie von 15 Autoren aus neun verschiedenen Ländern.
Darunter ist auch der Schweizer Emanuel Gloor, schon lange Professor für biogeochemische Kreisläufe an der Universität Leeds in England: "In Klimamodellen, die den Kohlenstoff-Kreislauf berücksichtigen, schluckt die Vegetation für gewöhnlich noch weit bis in die Zukunft hinein große Mengen CO2. Nach unserer Studie sind diese Prognosen aber viel zu optimistisch."
Auf ein rasantes Leben folgt ein schnellerer Tod
Gloor und seine Kollegen werteten eine enorme Zahl von Jahresring-Archiven aus. Sie stammen von 110 verschiedenen Baumarten und über 70.000 Standorten auf der Erde. Die Zahl und Breite der Zuwachsringe verriet den Forschern jeweils, wie alt ein Baum geworden ist und wie schnell seine Biomasse von Jahr zu Jahr zunahm. Aus ihren Ergebnissen leiten die Studienautoren eine Regel ab, von der sie sagen, sie gelte universell: Bäume, die schneller wachsen, sterben früher und geben dann auch ihren gespeicherten Kohlenstoff vorzeitig wieder ab. Ihre Lebensspanne verkürzte sich um bis zu 23 Jahre.
Wald mit dicht stehenden Bäumen. Sonnenstrahlen scheinen hindurch.
Kanadas CO2-Emissionen - Klimastatistik mit Schönheitsfehlern
Seit Jahren produzieren Kanadas gigantische Wälder mehr CO2 als sie aufnehmen. Die Ursache sind Waldbrände, Käfer, Pilzbefall, verfaulende Bäume. Um aber ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, tauchen diese Emissionen nicht in der Statistik auf - Schönrechnen nennen das Kritiker.
Nach dem beschleunigten Wachstum dauere es ein bis zwei Jahrzehnte, dann nehme die Sterblichkeit unter Bäumen zu, sagt Gloor: "Momentan enthält die Atmosphäre 40 Prozent mehr CO2 als in vorindustrieller Zeit. Also kann man in der Tat ein etwas schnelleres Wachstum von Bäumen erwarten. Dieser Stimulus durch Kohlendioxid hat vor etwa 50 Jahren eingesetzt, aber jetzt holt ihn die höhere Sterblichkeit ein. Das heißt also: Okay, für eine Weile mögen wir eine verstärkte CO2-Aufnahme durch die Vegetation haben. Aber am Ende nimmt die Sterblichkeit der Bäume zu, und das hebt die Wirkung der Vegetation als zusätzliche CO2-Senke auf."
Wälder sind doch keine so gute CO2-Senke
Ein solcher Trend zeige sich auch bereits in aktuellen Beobachtungen, sagt der Physiker: "Was wir herausgefunden haben, deckt sich mit anderen Studien. Die Sterblichkeit in Wäldern scheint demnach in der Tat zugenommen zu haben."
Der österreichische Botaniker Christian Körner hat lange über die Wirkung von Kohlendioxid auf Bäume und Wälder geforscht, als Professor an der Universität Basel. Die neue Arbeit seiner Fachkollegen bezeichnet Körner als Schlüsselstudie. An ihr werde in Zukunft niemand in diesem Forschungsfeld vorbeikommen: "Egal, warum irgendwo Bäume schneller wachsen - das erlaubt es uns nicht, anzunehmen, dass deshalb die Vorräte an Kohlenstoff - und nur die zählen - nach oben gehen. Und sie beweisen diese an sich triviale Tatsache, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen und, wenn sie schneller wachsen, ihr Ende schneller erreichen, sehr schön an Daten aus verschiedensten Klima- und Waldsystemen."
Davon abgesehen werden Wälder immer stärker durch Dürren und Brände geschädigt. Die große CO2-Senke Vegetation – sie wackelt also. Um so wichtiger ist es nach Ansicht der Forscher, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren.