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cobratheater.cobra
Kunst als Soap im Netz

Mit dem umstrittenen Videodienst YouNow können Übertragungen Live und in Echtzeit vorgenommen werden. Bei ihrer einwöchigen Residenzzeit während eines Theaterfestivals in Düsseldorf streamt die Theatergruppe cobratheater.cobra. Zu dem gibt es über den Videodienst YouNow jeden abend eine inszenierte Folge. Ein Experiment, das Fragen aufwirft

Von Ina Plodroch | 11.05.2015
    "So dann kommt mal rein."
    Ein weißer Pappkarton größer als zwei Autos marschiert über die Düsseldorfer Königsallee. Das Cobratheater.Cobra eröffnet seine einwöchige Residenz am FFT Düsseldorf mit diesem Rave.
    "Macht auf die Fenster. Wir sind da. Es ist genug für alle da."
    Eine Woche werden sie in dem Düsseldorfer Theater zum Thema "We.Work.Beautiful" arbeiten und ihre Ergebnisse ins Netz streamen. Big Brother für Künstler. Live und in Echtzeit. Mit YouNow - du jetzt. Dieser umstrittenen Live-Streaming-Plattform. Ein Experiment, das Fragen aufwirft: Martin Grünheit vom Cobratheater.
    "Wie geht man mit diesem Readymade eigentlich um? Oder wie kann man das für das Theater nutzen. Für so eine Residenzarbeit. Wie dokumentier ich mich in der Öffentlichkeit sofort?"
    Kurzer Blick auf YouNow.com/cobratheater: Erfahrungsbericht: Auf dem Online-Kanal läuft - Nichts. Live-Streaming mit dem Smartphone ist zwar prinzipiell möglich, aber die Datenmengen sind riesig. Der erste künstlerische Stream-Yourself-Versuch scheitert schon zu Beginn an der Technik. Samstagvormittag dann endlich:
    "Rabea, ich bin Online."
    Belangloses Gequatsche
    Anne Brammen vom Cobratheater blickt in die Laptop-Kamera. Und setzt sich zurück an den Frühstückstisch zu den anderen. Belangloses Gequatsche. Der Internetvideoreflex: einfach mal vorspulen. Ach nee, ist ja live. Also: durchhalten. Dann endlich das, was alle YouNow-ler machen: Blick in die Kamera, die vierte Wand durchbrechen.
    "Hier findet ein Festival statt, es ist niemand da außer die Künstler. Wir werden jetzt einfach so lange wir nicht gehört werden, vom Theater einfach streamen."
    Zuschauer auf YouNow derzeit: drei. Theater im Netz? Wohl eher ein "künstlerisches" Ausprobieren ohne Angst vor dem Neuen. Ein bisschen Voyeurismus-to-go. Einfach mal "live sein" als Zustand. Was bis vor Kurzem nur für Raab, Lanz oder Kleber möglich war. Dank YouNow & co endlich für jedermann.
    "Hallo. YouNow. Die konsequente Steigerung von YouTube. Noch belangloser, noch langweiliger. Aber auch: Noch näher dran am Kinderzimmer, Wohnzimmer oder unbekannten Gegenüber. Cobratheater ist da keine Ausnahme.
    "Diese Pointenlosigkeit, die da drin ist."
    Maria Umbach vom Cobratheater.
    "Das fasziniert mich. Also nicht mehr dieses darstellungsmäßige wie bei den Tutorials oder bestimmten YouTube-Formaten, wo man sich was überlegt. Weil man das ja auch schneiden muss usw. und hochladen muss, sondern es geht eigentlich nur um dieses raus senden und was macht das so."
    Interesse an aktuellen Jugend- und Teenage-Phänomenen
    Cobratheater interessiert sich schon länger für aktuelle Jugend- und Teenage-Phänomene und arbeitet damit. Wie reagieren die Nutzer auf inszenierte Live-Events? Martin Grünheit hat es schon mal getestet und erfahren.
    "Wie fremd man eigentlich selber gegenüber dieser Situation ist. In was für eine Rolle man reinkommt. Und wie irritiert die Leute auch sind, wenn so Theatralität in dieser Art zu streamen vorkommt. Wie sie sofort den Stream verlassen."
    "Achtung, Kamera läuft. Dir geht's ja gar nicht gut, Tesla. Wie geht's dir denn heute?"
    Nach langen Making-of-Stunden schließlich die erste Folge der Cobratheater-Soap. Natürlich nicht vorproduziert, sondern im dilettantischen Live-Stil von YouNow.
    "Ey Leute, wir haben drei Viewer, sagt hallo! - Hat's euch gefallen?"
    Fünf Minuten Soap mit Wackelkamera, schlimmer Soundqualität und minimaler Handlung. Kaum beachtenswert eigentlich. Doch als künstlerische Intervention auf der Plattform dann doch. Um mit dem Live-Sein zu experimentieren.
    "Husten. So, we are now live."
    Szenenwechsel: Jan Böhmermann blickt in die Smartphone-Kamera während einer Redaktionskonferenz zu seinem "Neo Magazin Royale". Auch er nutzt das Live-Streaming via App für's Hinter-Den-Kulissen-Video.
    "Liebe neun, 153 Leute. Mal gucken wie viele es noch werden. So."
    Making-of - Spannend? Naja. Trotzdem scheint dieser Live-Moment zu reizen. Nicht nur Teenager, sondern auch Showmacher, Journalisten oder Stars: Madonna versuchte, letzten Monat ihr neues Musikvideos zu "Ghosttown" live vorzustellen. Bis der Stream abbrach und die Fans enttäuscht vor dem Laptop saßen. Und das Cobratheater? Liefert einen Work-In-Progress, der nur minimal spannender ist als die üblichen YouNow-Kanäle. Aber immerhin: Sie bringen das theatrale in das Netzwerk. Warum auch immer.
    "Wollen wir jetzt mal aufhören? Ok. Tschüss."