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Comeback eines Populisten

Das Massaker von Marikana im August 2012 ist für viele Südafrikaner ein Symbol für die Ignoranz der Regierungspartei ANC. Der aus der Partei ausgeschlossene Julius Malema witterte damals seine Chance auf ein Comeback und besuchte die Familien der Opfer. Das zahlt sich heute aus.

Von Leonie March | 19.10.2013
    Julius Malema weiß, wie man einen Auftritt inszeniert – mehrere tausend Anhänger singen sich bereits in Feierstimmung, als er von einem Motorradkonvoi begleitet zur Gründung seiner Partei erscheint. Nicht irgendwo, sondern an dem Ort, an dem im August letzten Jahres über 30 streikende Bergleute von der Polizei erschossen wurden.

    Das Massaker von Marikana ist für viele Südafrikaner ein Symbol für die Unterdrückung der Arbeiterklasse und die Ignoranz der Regierungspartei ANC. Mit dem Instinkt eines Populisten witterte Julius Malema schon damals seine Chance auf ein politisches Comeback. Er besuchte die Familien der Opfer, zeigte sich solidarisch mit den Arbeitern. Viele haben das nicht vergessen und hängen nun an seinen Lippen.

    "Ihr werdet heute Zeugen der Geburt eines Giganten."

    Kündigt der 32-Jährige an. Seine Partei, die "Economic Freedom Fighters," wolle die politische Heimat der vernachlässigten und unterdrückten Bevölkerungsmehrheit werden.

    In seiner Rede spricht er sie direkt an: Bergleute, Putzfrauen, Taxifahrer, Arbeitslose. Er bezeichnet sich als Oberbefehlshaber seiner Partei ökonomischer Freiheitskämpfer, gibt sich als Revolutionär. Auf dem Kopf ein, an Che Guevara erinnerndes, rotes Barett. Im Mittelpunkt stehen zwei klare Forderungen: die Enteignung von Landbesitz ohne Entschädigung und die Verstaatlichung des Bergbaus. Beides sei auch fast 20 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen im Besitz der weißen Minderheit und westlicher Imperialisten, argumentiert Malema. Sein erklärtes Vorbild ist die Politik von Simbabwes Präsident Robert Mugabe.

    "Die Leute haben ein Anrecht auf Land in ihrer Heimat. Sie müssen dafür nicht bezahlen. Ihre Vorväter haben bereits mit ihrem Schweiß und ihrem Leben dafür bezahlt. Die Weißen haben einen Völkermord an den Schwarzen begangen, um Land und Bodenschätze an sich zu reißen und schämen sich heute nicht einmal dafür. Wir drohen den Weißen heute nicht mit einem Völkermord. Wir fordern sie dazu auf, der schwarzen Bevölkerungsmehrheit zurückzugeben, was ihr gehört. Wahre Versöhnung, ein Ende des Hasses und Frieden sind in Südafrika nur möglich, wenn endlich Gerechtigkeit herrscht."

    Damit spricht Malema aus, was viele hier denken. Jeder vierte Südafrikaner ist arbeitslos, die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß wie in kaum einem anderen Land der Welt, Wut und Enttäuschung sind zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid groß.

    "Die Regierung hat uns schon oft im Stich gelassen, Julius aber steht hinter uns."

    Sagt Yvonne Yong, eine junge Frau aus Rustenburg, umjubelt von ihren Freunden.

    "Wir wollen unser Land zurück, wir brauchen Jobs, ein Dach über dem Kopf und bessere Schulen für unsere Kinder. Viele von uns sind arbeitslos. Deshalb wollen wir Julius eine Chance geben, wir lieben ihn."

    Als ehemaliger Präsident der ANC-Jugendliga ist Julius Malema bereits im ganzen Land bekannt. Damals legte er sich mit Südafrikas Präsident Jacob Zuma an und widersprach der Parteiführung. Im April letzten Jahres wurde er deshalb aus dem ANC ausgeschlossen. Es folgten Korruptionsvorwürfe, millionenschwere Steuernachzahlungen und die Zwangsversteigerung seiner Häuser.

    Doch jetzt ist Malema zurück auf der politischen Bühne und fühlt sich dort sichtlich wohl. Die Skandale und seine ungebrochene Vorliebe für Luxus scheinen ihm nicht geschadet zu haben, betont der südafrikanische Politikwissenschaftler Sabelo Ngwenya.

    "Politische Moral war noch nie ausschlaggebend. Jacob Zuma ist schließlich auch trotz schwerwiegender Korruptionsvorwürfe zum Präsidenten gewählt worden. Malemas Popularität ist ungebrochen. Seine Anhänger glauben seinen Versprechungen von Enteignung und Verstaatlichung, alles andere interessiert sie nicht. Wenn es ihm gelingt, die vielen jungen Nichtwähler zu mobilisieren, dann könnte seine Partei bei den Wahlen im kommenden Frühjahr bis zu zehn Prozent der Stimmen gewinnen und damit die ANC-Mehrheit schwächen."
    Der noch vor einem Jahr politisch so gut wie totgesagte und von vielen sogar belächelte Julius Malema hat mit der Gründung seiner eignen Partei bewiesen, dass man ihn nicht unterschätzen sollte.