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Coming-out in der Politik

In "Milk" hat Regisseur Gus van Sant das Leben des ersten offen schwulen Politikers in den USA verfilmt. In den 1970er-Jahren wurde Harvey Milk Stadtrat in San Francisco, seine Ermordung 1978 und das milde Urteil gegen den Todesschützen führte zu schweren Zusammenstößen zwischen Schwulen und der Polizei.

Von Josef Schnelle | 18.02.2009
    " Milk: "Ich brauch 'ne Veränderung"

    Freund: He, du bist jetzt 40."

    Milk: "40 Jahre alt und ich hab noch nichts getan worauf ich stolz wäre." "

    Das wird sich schnell ändern. Harvey Milk, der bisher seine homosexuelle Neigung stets verborgen hatte und sich in den geheimen Schwulenbars New Yorks herumtrieb, zieht 1970 nach San Franzisko ins Castroviertel und beginnt sich offen für die Bürgerrechte seiner homosexuellen Mitbürger einzusetzen. Nach mehreren erfolglosen Anläufen wird er 1977 schließlich als einer von elf Bezirksbürgermeistern ins Amt gewählt. Die wahre Geschichte des frühen Aktivisten der Schwulenbewegung, der auch ein Referendum verhindern half, das schwulen Lehrern die Berufsausübung verbieten sollte, ist schon 1985 das Thema der vielfach preisgekrönten Dokumentarfilms "The Times of Harvey Milk" von Rob Epstein gewesen. Nun erzählt Regisseur Gus van Sant seine Geschichte als klassische Filmbiografie mit den Mitteln des Spielfilms neu und sie passt erstaunlich gut in die Zeit, schließlich ist vor wenigen Wochen in Kalifornien die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern als verfassungswidrig erklärt worden. Andererseits hat Amerika gerade einen Politiker, der sich mit vergleichbarem Charisma für Bürgerrechte einsetzt zum Präsidenten gewählt. Wenn man Harvey Milk bei seinen Reden hört, dann kann man manchmal glauben, er sei ein direkter Vorgängen von Barack Obama gewesen.

    " Milk: "Alle Menschen sind gleich. Ihr könnt machen was ihr wollt. Diese Worte könnt ihr niemals auslöschen. Das ist wofür Amerika steht." "

    Der Film schwelgt nicht immer in solchen hohen pathetischen Tönen, kostet sie jedoch ein ums andere mal heftig aus. Er zeigt aber auch die Hinterzimmerdeals, die Tricks und die Wahlkampagnen. Nur als Kämpfer für schwule Bürgerrechte wäre Milk nämlich niemals Bürgermeister geworden. Er braucht alle Bundesgenossen, die er kriegen kann und muss zu allen möglichen politischen Fragen Stellung beziehen. Dennoch ist die Basis seines Erfolgs die Fähigkeit, außerparlamentarischen Aufruhr auf die Schaufelräder seiner Wahlkampagne zu leiten. Gus van Sant hat also nicht nur einen Film für die Homosexuelle Gemeinde gedreht, sondern einen Film im Stil von Frank Capra über amerikanische liberale Politik gedreht. Eine gehörige Portion Eitelkeit, das zeigt der Film auch, gehört dazu, wenn man in die Politik gehen will. Vor den Stufen des Rathauses erklärt Milk einem Mitstreiter, was das Stadtparlament für ihn ist: sein neues Theater.

    " Milk: "Wie findest du meine neue Bühne?"

    Freund: "Ein bisschen übertrieben."

    Milk: "Trage die engsten Jean. Fahr nie mit dem Fahrstuhl. Geh immer über die Treppe. Man kann einen grandiosen Auftritt hinlegen, wenn man die Treppe emporsteigt." "

    Für Regisseur Gus van Sant ist "Milk", der für 8 Oscars nominiert ist, nach einigen Filmen am äußersten Rand des Kunstfilmkinos mit fast experimentellem Charakter die Rückkehr zum großen bewegenden Publikumsfilm. 1997 hatte er für einen solchen, für "Good Will Hunting" schon einmal einen Oscar bekommen. "Milk" lebt natürlich auch vom Lebensgefühl im San Francisco der 70er Jahre und enthält auch jede Menge drastische schwule Szenen. Anfangs lebt Milk in einer Art Ehe mit einem echten Partner, später hat er einen jungen unbedarften Liebhaber, dem Milks politischer Aktivismus zuwider ist. Das Kraftzentrum dieses Films ist Hauptdarsteller Sean Penn, der mit verwegenen Stimmnuancen, minimalen vielsagenden Körperbewegungen und großen Auftritten Milk als Selbstdarsteller und zugleich als Mythos verkörpert und mit sichtlichem Vergnügen auch homosexuelle "Anmache" zelebriert. Harvey Milk wurde am 27. November 1978 von einem seiner Konkurrenten in der Bezirksbürgermeisterrunde erschossen. Immer wieder hatte er Morddrohungen erhalten und für den Fall seiner Ermordung sein politisches Testament auf Band gesprochen.

    " Milk: "Das Band soll erst abgespielt werden im Falle meines Todes durch ein Attentat. Am Anfang meiner Kampagnen habe ich angefangen meine Reden mit dem Satz einzuleiten der bald mein Markenzeichen wurde: "Mein Name ich Harvey milk und ich bin hier um eich zu rekrutieren." "