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Computer in Textilien
Ein Hauch von Elektronik

Smarte Textilien, in die Sensoren eingewoben sind, könnten in T-Shirt-Form oder in Pflastern eingesetzt werden, um Körperfunktionen aufzuzeichnen. Züricher Forschern gelang es nun, die nötigen Bauteile auf eine sehr feine Membran zu bringen - und so für mehr Tragekomfort zu sorgen.

Von Eva Raisig | 14.04.2014
    Ein Pflaster wird auf einen Daumen geklebt
    Forscher Münzenrieder: "Man könnte sich ein Pflaster vorstellen, das die Temperatur und andere Parameter misst." (Picture alliance / dpa - Jens Kalaene)
    ETH Zürich, Institut für Elektronik, Stockwerk H. Im Wearable Electronics Lab, dem Labor für tragbare — oder: anziehbare — Elektronik, ist es ruhig. Nur eine Vakuumpumpe rauscht leise vor sich hin. Niko Münzenrieder sortiert Kabel und Werkzeuge von den Arbeitstischen in eine Schublade. Der Physiker ist an diesem Nachmittag der einzige Wissenschaftler im Labor. Seine Kollegen sitzen im Büro vor den Computern.
    "Ich habe im Studium schon relativ viel Zeit mit den Elektrotechnikern verbracht und was mir an dem Feld gefällt ist, dass man eben sofort sehen kann, was man hergestellt hat. Das finde ich spannender als Grundlagenforschung, wo die Anwendung halt sehr weit weg ist."
    Das ist hier anders. Die flexiblen Elektronikbauteile, die die Forscher hier entwickeln, Transistoren und Sensoren, sollen sich in Textilien einweben lassen oder auf der Haut getragen werden können – und bei Sportlern oder Patienten Körperfunktionen wie etwa die Atemfrequenz überwachen. Im besten Fall ohne zu stören.
    Membran aus Parylen - 50 Mal dünner als ein Haar
    Bisher haben die Wissenschaftler den Kunststoff Kapton als Basis für ihre Bauteile verwendet. Die Ergebnisse sind mit Biegeradien von einigen Millimetern zwar schon flexibel - aber nicht biegsam genug, um bequem am Körper getragen zu werden.
    "Ein Telefonbuch lässt sich schwerer biegen als ein Blatt Papier und deshalb haben wir uns gefragt: Wie können wir die Dicke von diesem Substrat verringern?"
    Das Ergebnis der Überlegungen schwimmt in einem mit Wasser gefüllten Schälchen, das auf einem Tisch in der Mitte des Labors steht: Eine hauchdünne durchsichtige Membran aus dem Kunststoff Parylen, von der Größe einer Briefmarke. Darauf sind feine Goldkontakte zu erkennen. Gerade einmal einen Mikrometer dick ist dieses Stückchen– 50 Mal dünner als ein Haar. Auf ihm sitzen, noch zehnmal dünner, die kleinen Elektronikbauteile. Sie werden aus speziellen Halbleitermaterialien herausgeätzt, die die Forscher vorher sandwichartig in feinen Schichten auf die Membran aufgetragen haben.
    Um zu zeigen, wie flexibel die Membran ist, holt Niko Münzenrieder aus seinem Büro das Blatt einer Zimmerpflanze.
    "Also das habe ich jetzt einfach abgerissen von unserer Pflanze. Die Membran schwimmt jetzt also hier auf dem Wasser, ich tunke das Blatt einfach in der Nähe der Membran in das Wasser, dann ziehe ich es wieder heraus und einfach durch die Adhäsionskräfte haftet dann die Membran an dem Blatt."
    Die Membran mit den aufgeschichteten elektronischen Bauteilen passt sich an die Form des Blattes an. Dabei ist dessen Wölbung und die vergleichsweise glatte Oberfläche noch eine leichtere Aufgabe für die Dünnfilm-Bauteile. Die Forscher haben die Membran auch schon um ein menschliches Haar gewickelt. Das entspricht einem Biegeradius von gerade einmal 50 Mikrometern. Die Schalter und Sensoren funktionierten – trotz der starken Krümmung. Auf der Haut eines Patienten wäre die flexible Schicht vermutlich kaum zu spüren.
    Dünnfilm-Bauteile könnte medizinische Diagnostig beschleunigen
    "Man könnte sich ein Pflaster vorstellen, das die Temperatur und andere Parameter misst, wie die Konzentration von irgendwelchen Chemikalien in einer Wunde und dann ein direktes Feedback geben an den Arzt, was wir heute einfach nicht haben."
    Ersetzt man die feinen Goldschichten durch durchsichtige Materialien, könnten die Dünnfilmtransistoren auch auf eine Kontaktlinse gelegt werden – beispielsweise um den Augeninnendruck zu messen. Auch das haben die Forscher im Labor schon ausprobiert.
    Da die feine Membran nur schwer mit einer Pinzette zu handhaben ist, wird sie auf einem Siliziumträger hergestellt, auf den im Reinraum zuerst zwei dünne Schichten eines Polymers aufgetragen werden.
    "Das ist ein wasserlösliches Polymer, also wenn man es in Wasser bringt, dann löst es sich einfach auf und ist dann weg, deswegen benutzen wir das als sogenannte Opferschicht."
    Das Polymer wird geopfert, damit sich die Membranfolie später im Wasser vom Siliziumträger lösen kann. Denn der Kunststoff Parylen, aus dem die Membran besteht, ist nicht wasserlöslich.
    "Das ist ganz entscheidend und es hat ein paar andere Vorteile. Zum Beispiel hält es relativ hohe Temperaturen aus, also die 150 Grad, die wir zur Herstellung brauchen, sind kein Problem. Es geht auch nicht kaputt, wenn man es in Kontakt bringt mit diesen verschiedenen Säuren und Lösemitteln, die wir während des Herstellungsprozesses brauchen, das ist auch ein großer Vorteil."
    Kristalline Halbleiter, die besonders leistungsfähig sind, kommen bei der hier angewandten Methode nicht in Frage: Sie müssten bei viel höheren Temperaturen hergestellt werden und würden den feinen Kunststofffilm zum Schmelzen bringen. Für die geplanten Anwendungen sind oxidische Halbleiter, wie sie Niko Münzenrieder und seine Kollegen verwenden, aber ausreichend und noch dazu viel leistungsfähiger als organische Bauteile, die sonst häufig für flexible Elektronik eingesetzt werden.
    Im Moment müssen die Schaltungen noch unter dem Mikroskop kontaktiert werden, um die gesammelten Informationen auszulesen. Später soll das aber kabellos möglich sein, dank integrierter Funk-Funktion. Und dann?
    "Der nächste Schritt ist jetzt natürlich von flexibler Elektronik zu elastischer Elektronik - also Elektronik, die sich auch dehnen lässt. Das würde so Anwendungen ermöglichen wie elektronische Haut. Und im Moment ist es noch so, wenn wir unsere Transistoren zu sehr ziehen, dann gehen sie kaputt. Aber es gibt auch dazu schon durchaus Ideen, wie man dafür sorgen könnte, dass sie durchaus um das Doppelte gedehnt werden könnten und trotzdem noch funktionieren."